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Bundesregierung im WahlkampfmodusTariftreuegesetz doch noch beschlossen

Ohne FDP geht’s: SPD und Grüne bringen das Tariftreuegesetz durchs Kabinett. Für eine Mehrheit im Bundestag ist es aber wahrscheinlich zu spät.

Will, dass noch mehr Beschäftigte von Tarifverträgen profitieren: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Foto: Martin Schutt/dpa

Berlin taz | Ursprünglich war es im Ampelkoalitionsvertrag vereinbart, nun ist es wohl nur noch ein Wahlkampfgag: Auf ihrer Kabinettssitzung am Mittwoch hat die rot-grüne Minderheitsregierung das Bundestarif­treuegesetz beschlossen. Damit es auch in Kraft treten kann, müsste es nun noch den Bundestag passieren. Doch dazu dürfte es nicht mehr kommen.

Das Tariftreuegesetz war und ist ein Herzensanliegen der Gewerkschaften. Dabei geht es darum, dass künftig Aufträge und Konzessionen des Bundes nur noch an Unternehmen vergeben werden, die nach einem repräsentativen Tarifvertrag der jeweiligen Branche zahlen. Es soll bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen ab 30.000 Euro Auftragswert sowie für die Vergabe von Bauaufträgen ab 50.000 Euro Auftragswert gelten.

Damit soll verhindert werden, dass Firmen, die mittels Lohndumping ihre Preise senken können, bevorteilt sind gegenüber Unternehmen, die tarifliche Löhne und Gehälter zahlen und auch ansonsten faire Arbeitsbedingungen bieten. Dadurch würde auch die Tarifbindung gestärkt. „Ich will, dass noch mehr Beschäftigte von Tarifverträgen profitieren“, erläuterte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). „Tarifverträge sichern anständige Löhne und gute Arbeitsbedingungen.“

Das Tariftreuegesetz hatten SPD, Grüne und FDP im Dezember 2021 in ihrem Koalitionsvertrag fest vereinbart. Dann passierte allerdings erst einmal lange nichts. Obwohl die Gewerkschaften immer wieder auf die Umsetzung „eines der aus gewerkschaftlicher Sicht wichtigsten Projekte der Ampelregierung“ (Verdi) insistierten, legte Heil erst Anfang September 2024 einen ersten Referentenentwurf vor.

Da hatte die FDP jedoch bereits das Interesse an Vertragstreue verloren. Ihre Mi­nis­te­r:in­nen hintertrieben eine Einigung im Kabinett. Kurz vor dem Koalitionsknall beerdigte FDP-Chef Christian Lindner das Projekt endgültig: „Neue Gesetzesvorhaben sollten entweder ganz entfallen oder, wo dies nicht möglich ist, so ausgestaltet sein, dass Bürokratie und Regulierung durch das Vorhaben sinken und keinesfalls steigen“, schrieb er Anfang November in seinem „Wirtschaftswende“-Papier. Das gelte „insbesondere für die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales vorgelegte Fassung des Tariftreuegesetzes, für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das Entgelttransparenzgesetz, das Beschäftigtendatengesetz und die arbeitgeberfinanzierte Familienstartzeit.“

„Die FDP hat ziemlich erfolgreich ein schlechtes Spiel gespielt“, konstatiert verärgert der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Dass das Gesetz jetzt doch noch das Kabinett passiert hat, ist nicht mehr als ein rot-grüner Schaufensterbeschluss. Denn er kommt zu spät: Durch das Ampel-Aus fehlt es nunmehr an der notwendigen Mehrheit im Bundestag. Daran dürfte auch nichts ändern, dass Werneke am Dienstag die demokratischen Parteien im Bundestag aufgefordert hat, „fraktionsübergreifend das Bundestariftreuegesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden“. Die nachhaltige Verbesserung der Tarifbindung dulde „keinen Aufschub“, so Werneke.

Auch Susanne Ferschl, gewerkschafts- und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken-Gruppe im Bundestag, nannte den Kabinettsbeschluss „nur einen ersten Schritt, dem eine zügige Befassung des Parlaments sowie Umsetzung des Gesetzes folgen muss“. Davon ist jedoch nicht auszugehen, da es dafür entweder der Stimmen der FDP oder der Union bedürfte.

Mit dem Tariftreuegesetz auf der Strecke bleiben wohl auch noch zwei weitere ursprüngliche Vereinbarungen der Ampel, die den Gewerkschaften wichtig waren: Zum einen geht es um die rechtlichen Grundlagen dafür, dass die nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen, die zwischen dem 1. März und 31. Mai 2026 stattfinden werden, probeweise auch online durchgeführt werden können.

Zum anderen sollte zur Verbesserung des Schutzes von Ar­beit­neh­me­r:in­nen bei der Gründung eines Betriebsrats sowie bei der Betriebsratstätigkeit Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und deren Mitglieder künftig nicht mehr bloß auf Antrag, sondern von Amts wegen als Offizialdelikt verfolgt werden. Auch diese beiden Vorhaben dürften in dieser Legislaturperiode aufgrund einer fehlenden Bundestagsmehrheit auf der Strecke bleiben.

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10 Kommentare

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  • "Tariftreuegesetz doch noch verabschiedet"

    Von der Verabschiedung eines Gesetzes spricht man, wenn der Bundestag das Gesetz beschlossen hat (Mehrheit nach dritter Lesung). Genau das ist noch nicht passiert und es ist höchst zweifelhaft, ob das in dieser Legislaturperiode noch passieren wird. Ergo, die Überschrift ist schlichtweg falsch.

    Wenn sich nocht nicht mal Journalisten mit dem Gesetzgebungsverfahren auskennen, sehe ich für die Demokratie schwarz.

  • Tariftreue auf Baustellen des Bundes oder der Länder und Kommunen ist immer ein Thema in osteuropäischen Ländern. Verkürzt gesagt, geht es dabei um den Tatbestand moderner Sklaverei wie zurückgehaltene Löhne und unzureichenden Rechtsschutz durch bundesdeutsche Behörden wie Zoll und Polizei. Weniger verklausuliert: Wo der Staat einen Vorteil hat, beutet er auch Osteuropäer aus und pfeift seine Behörden zurück.

    In Rumänien und Ungarn gibt es dazu sogar Theaterstücke, die die kriminellen Machenschaften auf Baustellenn deutscher Großstädte thematisieren.

    Dass dieses Thema nicht mehr in deutsche Leitmedien dringt, ist ein Skandal.

    • @rakader:

      Da braucht der deutsche Staat niemanden zurückzugreifen - die Zeiten, als deutsche Behörden eine wirksame Handhabe hatten sind vorbei. Die Herkunftsländer der entsprechenden Unternehmen sind inzwischen alle in der EU - und solange auf dem Papier alles in Ordnung ist, dürfen die dank der EU-Freizügigkeit hier tätig werden. Also kann man dem Auftraggeber mit korrekter Aktenlage nicht viel - und den Verantwortlichen im jeweiligen Unternehmen mangels Greifbarkeit noch weniger. Da wäre es hilfreich wenn man in den Herkunftsländern mehr machen würde als Theaterstücke über Verhältnisse, bei denen sich nach der EU-Osterweiterung und Ablauf der Übergangsregelungen die handelnden Personen zumindest teilweise geändert haben...

      • @FriedrichHecker:

        Sie bringen da etwas durcheinander: Berliner Baustelle, öffentlicher Bau, Subunternehmer Russe geht pleite und setzt sich ab, die rumänischen Bauarbeiter gehen leer aus. Dem Zoll als Aufsichtsbehörde lagen Beschwerden vor, er griff nicht ein, als es etwa um Sozialabgaben ging. So waren die Bauarbeiter auch nicht versichert. Das hat nichts mit Freizügigkeit zu tun, sondern mit einem Zweiklassensystem innerhabl der Behörden, das unzulässig priorisiert.

        • @rakader:

          Wo es einen Subunternehmer gibt, muss es auch einen Hauptauftragnehmer geben. Gibt es einen Grund, den nicht zu erwähnen? 😉

  • Hmm ... war das nicht so, dass alle FDP Minister entlassen worden sind ?

    Dann ist es ja einfach dies durch das Kabinett zu bekommen, oder ?

  • In Deutschland klagen gerade fast alle Arbeitgeber über Personalmangel. Aufträge über Lohndumping zu gewinnen?



    Ist aktuell noch weniger realistisch als sonst.



    Noch dazu, wenn man Qualitätsanforderungen genügen möchte, die die ausschreibenden Stellen ohnehin fordern können (und sollten).



    Hier wird ein Nicht-Problem vorgegeben.

    Was das Gesetz jedoch sicher leisten würde:



    Die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden werden in die Nähe von Behörden oder mindestens Kammern gerückt. Kein Wunder, dass ihnen das schmeichelt.

    Was weder in der Gesetzesbegründung, in Verlautbarungen noch in den Medien eine Rolle gespielt hat:



    Was passiert eigentlich, wenn ein Arbeitgeber einen Haustarif verhandelt hat? Oder, wenn gar mehrere konkurrierende Gewerkschaften in einer Brache und Region tätig sind?

    Die Antwort steht im Entwurf unter § 5:



    Dann legt die Regierung (also der Arbeitsminister) fest, welches die richtigen Bedingungen sind.

    Der Staat legt also fest, welche privaten (!) Vereinigungen ein staatsähnliches Monopol bekommen sollen.



    Das wäre das Gegenteil der Tarifautonomie, wie sie weitestgehend noch gilt.

    • @Frauke Z:

      Der Staat legt also fest, welche privaten (!) Vereinigungen ein staatsähnliches Monopol bekommen sollen.

      Und lehnt sich außerdem auf europäischer Ebene ähnlich weit aus dem Fenster wie die CSU mit ihrer "Ausländermaut". Wir haben schließlich innerhalb der EU freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen - und dazu gehört nicht, dass ein französisches, polnisches, ... Unternehmen nur dann Verträge mit dem deutschen Staat abschließen darf, wenn es sich die Vorschriften seines Heimatlands hält, aber nicht an die Vereinbarungen irgendwelcher deutscher Verbände oder Vereinigungen.

  • Es ist nicht so, dass das Triftreuegesetz aufgrud der knappen eit nicht mehr beschlossen werden kann.



    Vielmehr ist es so, dass dies mit Sicherheit keine Mehrheit finden wird.



    In den letzten Wochen dieser Regierung werden nur noch Gesetzesvorlagen durchkommen die Sinn machen. Das Tariftreuegesetz gehören sicherlich nicht dazu.

  • Endlich etwas zu feiern!