Bundesregierung gibt Plan auf: Stromnetzkauf scheitert am Geld
Deutschland wollte das Strom-Übertragungsnetz eines niederländischen Betreibers übernehmen. Das ist gescheitert. Minister Habeck zeigt sich enttäuscht.
![Ein Mann arbeitet an einem Strommasten Ein Mann arbeitet an einem Strommasten](https://taz.de/picture/7075005/14/Stromnetz-Energiewende-Privatisierung-Tennet-1.jpeg)
Weiterhin denkbar sei aber eine Minderheitsbeteiligung des deutschen Staates, hieß es am Donnerstag aus Regierungskreisen. Hinter dieser Option dürften auch Erinnerungen an 2018 stehen, als die KfW im letzten Moment beim Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz einstieg, um einen Teilverkauf des Unternehmens an einen chinesischen Konzern zu verhindern. Seit Herbst 2022 hatte die Bundesregierung mit der Tennet Holding über den Kauf verhandelt. Die KfW sollte Eigner des Hoch- und Höchstspannungsnetzes werden, das von Schleswig-Holstein über Niedersachsen und Hessen bis nach Bayern reicht und rund 14.000 Kilometer umfasst.
Die Tennet Holding, die sich zu 100 Prozent in Händen des niederländischen Staates befindet, hatte das deutsche Netz Anfang 2010 vom Essener Energiekonzern Eon übernommen, ging im Laufe der Jahre aber zunehmend auf Distanz zu ihrem deutschen Unternehmensteil. Als Grund nannte sie „Investitionen in bisher nicht dagewesenem Umfang“, die im Zuge der Energiewende nötig werden. 160 Milliarden Euro hat Tennet im Zehn-Jahres-Investitionsplan für den Zeitraum 2024 bis 2033 veranschlagt, davon entfallen nach Branchenschätzungen rund 100 Milliarden auf das deutsche Netz an Land und auf See.
Tennet muss unter den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern die meisten Investitionen schultern, was sich aus dem Zuschnitt des Netzgebiets ergibt. Zum einen ist Tennet für die Anbindung der Nordsee-Windparks zuständig, zum anderen reicht das Netz von der dänischen bis an die österreichische Grenze, womit Tennet auch die Hauptlast beim Ausbau der großen Nord-Süd-Trassen trägt.
„Noch mal von vorne nachdenken“
Da der Konzern sich zu den enormen Investitionen aus eigener Kraft nicht in der Lage sieht und auch der niederländische Staat wenig Bereitschaft zeigt, so viel Steuergeld in die deutsche Energiewende zu investieren, suchte das Unternehmen den Ausstieg aus dem Deutschlandgeschäft – und fand in der Ampelregierung Unterstützer für einen Verkauf an die KfW.
Noch im letzten Sommer hatte sich Tennet-Vorstand Tim Meyerjürgens zitieren lassen, man sei „in sehr guten konstruktiven Gesprächen“. Doch bald schwand die Euphorie. Im Mai teilte Tennet mit, dass trotz „umfangreicher Gespräche“ bisher „leider keine Einigung erzielt werden“ konnte. Am Donnerstag also das Aus.
Der Tennet-Erwerb sollte ein wesentlicher Schritt sein auf dem Weg zu einer deutschen „Netz AG“, bei der der Bund Anteile an allen deutschen Übertragungsnetzbetreibern halten und mehr Kontrolle über den Stromnetzausbau erlangen könnte. Neben den 20 Prozent an 50Hertz ist der Bund über die KfW auch mit mit 24,95 Prozent beim Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW beteiligt.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zeigte sich über das Aus mit Tennet enttäuscht. Am Rande einer Asienreise sagte der Grüne in Südkorea, er bedauere, dass es nicht gelungen sei, die vier Übertragungsnetzbetreiber in einer Gesellschaft zusammenzufassen. Dies hätte den Strom in Deutschland günstiger gemacht. „Nun müssen wir halt noch mal von vorne nachdenken“, so der Minister.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Nach der Sicherheitskonferenz
Expressverbindung von München nach Paris