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Bundespolitik ganz volksnahHabeck ist Auferstehungsminister

Unser Autor geht mit Habeck, Scholz, Lang und Steinmeier durch die Woche. Mit ihnen erlebt er Wiedergeburt, Entschuldigung und ein bisschen Hoffnung.

Kanzler und Vizekanzler mal ganz dynamisch: Hat der ihm gerade etwa eine gepfeffert? Foto: Michael Kappeler/dpa

T witter heißt jetzt X, aber zu lachen gibt’s da meistens nix. Jenseits von Gut- und Böse-Posts gehen feine Ironie und fairer Austausch unter, angesichts mehrerer Kriege wird es noch trister. Aus Sicht eines immer noch treuen X-Users und Betrachters unserer digitalen Titelseiten war am Dienstag der Tiefpunkt erreicht, „wenn selbst die taz-Aufmachung nicht mehr lustig ist. #Dunkle Zeiten“.

Doch siehe da, es gibt noch Wunder. Schon am Mittwoch ist der Heiland auferstanden. Ausgerechnet bei X erschien uns Robert Habeck, ganz der Alte, wie zu besten Zeiten, mit all seiner staatsmännlichen Pracht und Sprachgewalt, die wir fast vergessen hatten, nachdem sie irgendwo in einem Heizungskeller verloren gegangen waren, zwischen all den Details der fisseligen Gesetzesarbeit, bei denen Habecks Redekunst an ihre Grenzen stieß. Konkreter Klimaschutz und genaue Pläne für den so­zia­len Ausgleich, das war zu kompliziert.

Aber jetzt! Was für ein grandioses Video mit einer Rede zur Lage der Nation angesichts der Lage in der Welt, so makellos wie Schlips und Kragen, ohne Fehler und auch bei X so gut wie ohne Tadel. Darauf erklangen wie ein Echo aus der Vergangenheit die vertrauten Lieder wieder – ach, wenn der Kanzler nur so reden könnte!

Dabei müsste eigentlich ein ganz anderer neidisch werden: der oberste deutsche Auftragsredner, dieser, wie heißt er noch mal, ach ja, der Bundespräsident, von dem noch nie ein Auftritt länger als fünf Minuten in irgendeinem Kopf hängen blieb – sosehr er sich auch müht, und das tut er manchmal durchaus redlich. In dieser Woche hat er in Tansania um Verzeihung für die Gewalttaten der deutschen Kolonialherrschaft gebeten und eine gemeinsame Aufarbeitung angekündigt. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Bundesregierung noch an seine Worte erinnert, wenn es mühsam wird und etwas ­kostet.

Keine Gegenliebe für BuKa Scholz

Olaf Scholz war zwar auch in Afrika, aber in anderer Mission als Vergangenheitsbewältigung. Der Kanzler ist vollauf mit dem Versuch beschäftigt, das umzusetzen, was er seinerseits großspurig angekündigt hat, nämlich „endlich im großen Stil abzuschieben“: ein weniger sympathisches, aber laut Umfragen besonders dringliches Unterfangen, wozu ihn nicht nur AfD, Union und FDP angefeuert hatten, sondern auch die Grünen. Wahrscheinlich, damit Scholz es ja nicht vergisst, ließ Grünen-Parteichefin Ricarda Lang in dieser Woche wissen, dass die Bereitschaft zur Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland ihrer Beobachtung nach abnehme und deshalb „die Zahlen sinken müssen“.

Leicht gesagt, inzwischen offenbar auch für Grüne vom linken Flügel, aber schwergetan, wie Scholz schon bei seinem ersten Besuch eines der potenziellen Abschiebeziele feststellen musste. Die Begeisterung in Nigeria, die 12.000 Menschen wieder aufzunehmen, die Scholz gerne in großem Stil dorthin zurückschicken möchte, hielt sich vor Ort nämlich in engen Grenzen.

Mehr Fossile aus dem Süden

Immerhin scheint Scholz dafür erreicht zu haben, dass Deutschland noch mehr Flüssiggas im großen Stil importieren kann. Das dürfte auch Fossil­minister Christian Lindner freuen, dem derweil zu Hause einfiel, man könne doch den Kohleausstieg noch mal verschieben. Das Revival der klimaschädlichen Energien läuft bei der Ampel fast so gut wie das Revival der Beatles bei Spotify. Wie war das noch mal mit der Energiewende? Na ja, vielleicht bekommt sie ja nach den Kriegen wieder ein eigenes Habeck-Video. Und hoffentlich ist die Klimaschutzbewegung bis dahin noch da.

Die Fridays for Future um Greta Thunberg tun mit ihren antisemitisch angehauchten Parolen zwar gerade alles, um auch den Rest an Sympathien für die Klimabewegung wegzufegen, der nach den Aktionen der Letzten Generation noch übrig war. Aber der neue Deutschlandtrend kann Klimaschüt­zerInnen trotzdem Hoffnung machen: Einer ihrer größten Gegner ist noch unbeliebter, bei 4 Prozent! Nur noch ein klitzekleines Pünktchen, bis FDP endlich bedeutet: Fast drei Prozent. Okay, ein alter Witz, aber mir gefällt es trotzdem, wenn er wahr wird.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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