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Bundeskartellamt ermitteltAmazons Marktplatz im Visier

Das Bundeskartellamt untersucht, ob Amazon seine Marktposition zu Lasten der Händler ausnutzt. Ein Missbrauchsverfahren wurde eingeleitet.

Hat er oder hat er nicht? Nun schaut sich das Bundeskartellamt Amazon genauer an Foto: ap

Das Bundeskartellamt hat ein Missbrauchsverfahren gegen den Online-Händler Amazon eingeleitet. Der Verdacht: Das Unternehmen könnte seine Marktposition zu Lasten der Händler auf der Plattform Amazon Marketplace ausnutzen. „Die Doppelrolle als größter Händler und größter Markplatz birgt das Potential für Behinderungen von anderen Händlern auf der Plattform“, erklärt Kartellamts-Präsident Andreas Mundt.

Amazon zufolge nutzten im vergangenen Jahr „zehntausende“ kleine und mittlere Unternehmen aus Deutschland die Plattform Amazon Marketplace. Der Vorteil für die Unternehmen: Sie erreichen direkt eine höhere Reichweite als bei dem Verkauf über die eigene Website.

Doch immer wieder gibt es Beschwerden darüber, dass Amazon sich den Händlern gegenüber nicht immer nachvollziehbar verhält. So berichten Händler unter anderem über plötzlich gesperrte Konten, die die Verkaufszahlen rapide einbrechen lassen – was teilweise existenzbedrohend sein kann. „Aufgrund der vielen uns vorliegenden Beschwerden werden wir prüfen, ob Amazon seine Marktposition zu Lasten der auf dem Marktplatz tätigen Händler ausnutzt“, sagt Mundt. Im Zentrum der Ermittlungen stehen laut Bundeskartellamt möglicherweise „missbräuchliche Geschäftsbedingungen“ und damit verbunden etwa Sperrungen von Händlerkonten und das Zurückhalten von Zahlungen.

Johann Mitterbauer hat das selbst zu spüren bekommen. Seit knapp 25 Jahren betreibt er in Jena einen Plattenladen und verkauft auch über Amazons Marktplatz. Vor zwei Jahren wurde dann quasi über Nacht ein Teil seines Sortiments gesperrt – Tonträger, die den Großteil der dort von ihm verkauften Artikel ausmachten. „Ich habe das sofort wirtschaftlich gespürt, die Umsätze sind um 85 bis 90 Prozent zurückgegangen“, erzählt Mitterbauer heute. Einen seiner beiden Mitarbeiter habe er entlassen müssen, das lukrative Weihnachtsgeschäft verpasst.

Knapp drei Monate habe die Sperrung gedauert, erst durch das Einschalten der Presse sei Bewegung in den Fall gekommen. Trotzdem sagt Mitterbauer heute: „Es gibt keine ernstzunehmende Alternative zu Amazon Marketplace.“ Das liege auch daran, dass Kunden des Amazon-Spezialdienstes Prime, der unter anderem kostenlose Lieferungen bietet, für stationäre Händler verloren seien – „vielleicht bis auf Supermärkte und Tankstellen“.

Amazon selbst wollte die Ermittlungen auf Anfrage mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht kommentieren. Man werde „vollumfänglich“ mit der Behörde kooperieren.

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1 Kommentar

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  • Das beschriebene Problem ist nur eine Spitze des Eisbergs. Amazon wurde vom kleinen Online-Buchhändler zum größten Versandhaus der Welt und stellt außerdem nennenswert IT-Infrastruktur bereit. Gleichzeitig sind sie massiv in Big Data und KI unterwegs. Mit den Alexa-Tonnen vergrößern sie ihren extrem üppigen und aussagekräftigen Datenbestand mittels Datenwanzen im Wohnzimmer, und trainieren mit den so gewonnenen Daten ihre KIs.

    Onlineshops, speziell, wenn sie ein so breites Sortiment haben wie Amazon, werden notorisch unterschätzt, was ihre Datenmacht angeht. Die BaFin hat kürzlich eine Studie veröfffentlicht, die beschreibt, wo wir uns hinbewegen und warum es so wichtig für die großen Player ist, möglichst viele Daten abzusaugen. Wer die meisten Daten hat, kann ALLE anderen Bereiche dominieren und tut es zunehmend. Es ist ein Horrorszenario und trockene Literatur, aber augenöffnend: www.bafin.de/Share...l_bdai_studie.html. Dort wird beschrieben, dass Läden wie Google, Apple oder Amazon durch ihre Datenmacht das Potential haben, den Finanzsektor aufzurollen, das Gesundheitswesen, Versicherungswesen, Politik, alles, obwohl sie branchenfremd sind. Da sind die kleinen Onlinehändler Peanuts, abhängige Anhängsel, Folklore. Wer nicht genug Daten hat, verliert. Deswegen sind die auch alle so gaga auf Daten, Geld ist demgegenüber zweitrangig. Deswegen gibt es Uhren mit Fitnesstrackern und Android und Windows 10 mit "Telemetriefunktionen", die selbst Fachleute nicht vollständig abschalten können. Deswegen gibt es "Smart" phones, TVs, cars, homes und IoT. Deswegen hat Facebook WhatsApp gekauft und Instagram. Deswegen lässt sich die Übermittlung der Standortdaten nicht deaktivieren. Und gibt es keinen IT-Unterricht ab der 5. Klasse, damit weiterhin zu wenige durchblicken?

    Die Wucht, die diese Läden einbringen können und anwenden, ist bisher nur wenigen klar. Und wo die Reise hingehen soll, erst recht nicht. Das wär aber mal dringend nötig.