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Bundeskanzlerin erwartet LoyalitätDemonstrationsfreiheit gilt für alle

Angela Merkel ruft Bundesbürger mit türkischen Wurzeln zu Loyalität gegenüber Deutschland auf. Sie warnt vor gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Teilnehmer nationalistisch-türkischer Demos sind neuerdings auch Rocker der Gruppe Osmanen Germania Foto: dpa

Dortmund epd | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert von türkischstämmigen Bürgern in Deutschland, loyal zur Bundesrepublik zu stehen. „Von den Türkischstämmigen, die schon lange in Deutschland leben, erwarten wir, dass sie ein hohes Maß an Loyalität zu unserem Land entwickeln“, sagte Merkel den Dortmunder Ruhr Nachrichten. „Dafür versuchen wir, für ihre Anliegen ein offenes Ohr zu haben und sie zu verstehen.“ Und dafür halte man auch engen Kontakt mit den Migrantenverbänden.

Mit Blick auf innertürkische Konflikte mahnte Merkel die Türkischstämmigen zu Besonnenheit: „Die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit gilt in Deutschland für alle, die hier leben, aber natürlich müssen alle ihre Meinungsverschiedenheiten friedlich austragen“, sagte die Kanzlerin.

Merkel verteidigte den Flüchtlingspakt mit der Türkei und kündigte weitere Abkommen dieser Art an. „Das Abkommen mit der Türkei ist nach wie vor richtig. Wir sollten dafür arbeiten, dass es Bestand hat“, sagte sie. „Ähnliche Abkommen werden wir noch mit anderen Ländern abschließen müssen, etwa in Nordafrika, um auch die Fluchtrouten über das zentrale Mittelmeer besser in den Griff zu bekommen.“

Solche Absprachen seien auch im Interesse der flüchtenden Menschen, fügte Merkel hinzu. „Bedenken Sie, in welche Not sie sich auf der Flucht begeben, dass sie ihr letztes Geld an Schlepper geben und oft sogar ums Leben kommen. Für sie hat es sicherlich auch viele gute Gründe, wenn sie in der Türkei in der Nähe ihrer Heimat bleiben können, wo die kulturellen und sprachlichen Barrieren geringer sind.“

Mit Blick auf die Debatte über die Visafreiheit für Türken sagte Merkel, die EU werde die Zusagen einhalten, „aber für die Visafreiheit gelten auch klare Bedingungen – und die sind noch nicht erfüllt.“

Die EU und die Türkei hatten am 18. März einen Pakt zur Lösung der Flüchtlingskrise geschlossen. Demnach nimmt die Türkei alle Flüchtlinge von den griechischen Inseln zurück, wenn sie in der EU kein Asyl bekommen. Im Rahmen dieses Abkommens wurden bereits Hunderte Flüchtlinge in die Türkei zurückgebracht. Im Gegenzug sollten türkische Bürger spätestens ab Ende Juni und damit früher als ursprünglich geplant ohne Visa in die EU reisen dürfen.

Die Visa-Liberalisierung war grundsätzlich schon vor dem Flüchtlingspakt geplant gewesen. Sie war aber stets an 72 Bedingungen geknüpft. Von ihnen sieht die EU weiterhin fünf als nicht erfüllt an. Im Zentrum steht dabei die Antiterrorgesetzgebung in der Türkei.

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9 Kommentare

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  • Es hat gar nichts mit türkisch oder deutsch zu tun. Wenn jemand einen Undemokraten wie Erdogan oder Trump oder Putin bejubelt, zeigt sie oder er damit an, dass sie oder er politisch unreif und potenziell gefährlich für die Demokratie ist. Der Liberalismus ist ein zartes Pflänzchen.

  • Man kann ganz gewiss von den türkisch-deutschen Bürgern die Loyalität verlangen in dem Land, in dem sie leben. Ansonsten sollten sie sich entscheiden, ob sie lieber in die Türkei zurückgehen möchten. Viele tun das ja auch, wenn sie Rentner sind.

    Eine Loyalität sehe ich bei vielen nicht, oder würden sonst so viele Türken Erdogan bejubeln? Die es nicht tun, sollten öffentlich einmal Stellung beziehen; ich finde, dass man das erwarten darf.

  • Na, da weiß man doch wenigstens wieder, wozu das Gefälle gebraucht wird, das hierzulande immer noch besteht zwischen dem Volk und seinen Führern!

     

    Wer "oben" ist - in diesem Fall die Kanzlerin - der darf Loyalität einfordern. Wer "unten" ist - in dem Fall sind das wohl "die Türken", die nicht einmal wählen dürfen, wenn sie nicht grade (noch) den sogenannten Doppelpass besitzen - der darf loyal sein, weiter nichts. Und zwar auch dann, wenn er von "oben" keinerlei Loyalität empfängt, sondern lediglich ein schwammiges Versprechen darauf, dass man "versuchen" will, ein "offenes Ohr" zu haben und auch zu "verstehen".

     

    Wie oft Versuche schon gescheitert sind an den Realitäten, wissen wir. Und wie oft selbst noch das Versprechen des Versuches schon gebrochen wurde, ist auch hinlänglich bekannt.

     

    Merke: Friedlich bleiben müssen immer nur die, die keine Macht haben. Alle anderen dürfen ihre Macht notfalls gewaltsam sprechen lassen.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    "Merkel verteidigte den Flüchtlingspakt mit der Türkei und kündigte weitere Abkommen dieser Art an."

     

    Der Merkel kann das Elend der Welt ins Gesicht scheissen und sie bleibt auf Raute. Das, was man Standing nennt? Oder das, was man Land ohne Opposition nennt? Nichts geht mehr. Der traurigste Witz dieser Tage, dass, ob es so weitergeht oder die AFD es aufsprengt, beides der totale Horror ist.

    • @24636 (Profil gelöscht):

      Was genau würden Sie denn tun an ihrer Stelle? Würde mich interessieren.

      • 2G
        24636 (Profil gelöscht)
        @Mustardman:

        Bezogen auf den Flüchtlingspakt würde ich an einer Koalition der Willigen in Europa arbeiten. Programm wäre ein Konzept, dss Flüchtlinge nach einem Prior-System verteilt (auch die der Betroffenen kämen darin vor). Ich würde sichere Fluchtrouten etablieren und das Schleppersystem beenden. Ich würde fair und offen mit den Menschen im Elend kommunizieren. Gerade dann, wenn ich anfangen müsste zwischen dem Elend Differenzen einzupflegen. Den Anspruch auf eine für die Betroffenen rechtssichere Prüfung würde ich durch Rechtsbeistand gewährleisten. Schließlich würde ich ein Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen mit einem fairen Schlüssel- und Lossystem. Das alles würde ich mir vom UNHCR begleiten und kontrollieren lassen.

         

        Keinesfalls würde ich Erdogan und andere Potentaten mit Milliarden füttern und mich von denen abhängig machen lassen. Und ich würde auch mit den BürgerInnen offen kommunizieren.Ich würde mich rechtfertigen, warum ich so handele und wie ich es zu finanzieren gedenke. Ich würde über Lasten diskutieren und nicht die Ärmsten der Armen gegeneinander ausspielen. Ich würde mich dem Hass entgegenstellen, weil ich nicht anders könnte und würde versuchen um Glaubwürdigkeit und Solidarität unter allen BürgerInnen zu kämpfen. Auch über den Wandel und die Geschichte, über (europäische und globale) Verantwortung und Verteilung würde ich diskutieren. Ich würde außerdem wissen, was "Opfer" bedeutet, wenn ich andere dazu zwinge, sie zu erbringen.

         

        Würde man das in einen Satz fassen, dann würde ich für einen verantwortungspolitische Option einstehn. Das wäre mein Plan. Und ich bin überzeugt davon, dass er in der deutschen Bevölkerung seine Chance hätte. Nicht bei allen, aber die Hälfte der Menschen in diesem Land halte ich dafür empfänglich.

        • @24636 (Profil gelöscht):

          Endlich mal einer der richtig gut ist und die Welt retten will!

          • 2G
            24636 (Profil gelöscht)
            @A. Müllermilch:

            Vielmehr einer der sich fragt, wo der bzw. die deutsche Sanders/Corbyn bleibt. Merkel oder Gabriel verköpern als Symbolpolitiker eine Alternativlosigkeit zu der ich mir endlich eine Option erwarte. Und während die AFD für ihre Prozente das Land in Stücke hauen würde, glaube ich durchaus, dass es für einen Verantwortungspolitiker immer eine Mehrheit gibt, dass den meisten Menschen an Versöhnung (nicht naiv verstanden, sondern im Sinne Adornos) und sozialem Frieden gelegen ist.

            • 1G
              12294 (Profil gelöscht)
              @24636 (Profil gelöscht):

              Stellen Sie sich mal vor, Bernie Sanders hätte seine Zeit damit verschwendet, seine brillanten Ideen im Kommentarbereich von USAtoday zu verhökern, anstatt Politik zu machen. Dann würde er sich auch fragen, wo er denn bliebe, der amerikanische Corbyn.