Bundeskabinett beschließt Pestizidregeln: Ein bisschen Insektenschutz
Die Koalition will auf einigen Äckern den Pestizideinsatz einschränken. Doch es gibt viele Ausnahmen. Das Parlament könnte den Beschluss verwässern.
Sowohl Menge als auch Vielfalt der Insekten ist laut Umweltministerium stark zurückgegangen. Zu den wichtigsten Ursachen zählten, dass Arten ihre Lebensräume verlören, die Landwirtschaft weniger vielfältig werde, Pestizide die Tiere oder ihre Nahrungsgrundlage vernichteten. Zudem würden Insekten sterben, weil sie von künstlichen Lichtquellen angelockt werden. „Ohne Insekten kann der Mensch nicht leben. Allein für die Bestäubung von Obst müsste die Menschheit Unsummen aufbringen, wenn es keine Insekten gäbe“, sagte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Die Tiere haben auch beispielsweise als Beute für Vögel wichtige Funktionen im Ökosystem.
Deshalb will die Regierung nun in bestimmten Naturschutzgebieten Unkrautvernichtungsmittel und bestäuberschädliche Insektengifte verbieten. Vogelschutzgebiete sind davon nicht betroffen – ebenso wenig „Sonderkulturen“ wie Obst, Gemüse, Hopfen und Wein oder die Saatgutproduktion. Bei allen Kulturen dürfen die lokalen Behörden Ausnahmen genehmigen. Das Verbot betrifft laut Umweltministerium 4,9 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche. Davon sind ein Großteil Wiesen und Weiden, auf denen ohnehin nur in geringem Umfang Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. In 5 bis 10 Meter breiten Streifen an bestimmten Gewässern sollen alle Pestizide untersagt sein. Die Länder dürfen aber davon abweichen, wenn sie eigene Regelungen haben.
Künftig sollen auch artenreiches Grünland, Streuobstwiesen, Steinriegel und Trockenmauern gesetzlich geschützt werden. Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, in Naturschutzgebieten und Nationalparks die Neuerrichtung bestimmter Beleuchtung, die Insekten anzieht, grundsätzlich zu verbieten. Weiterhin wird eine Grundlage dafür geschaffen, den Betrieb von Himmelsstrahlern stark einzuschränken.
Vehemente Bauernproteste
Gegen das Insektenschutzprogramm hatten Tausende Bauern demonstriert, auch am Mittwoch gab es vielerorts Proteste mit Traktoren. Deshalb sperrte sich Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) lange gegen einen Kabinettsbeschluss.
Wegen der geplanten Regeln würden der Ernährung mindestens 8 Prozent der Agrarfläche verlorengehen, so die Bauernprotestbewegung „Land schafft Verbindung Deutschland“. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisierte, dass die Bauern keinen finanziellen Ausgleich bekämen und das Insektenschutzpaket nur einen kleinen Teil der Fläche betreffe. Der Naturschutzbund begrüßte den Beschluss lediglich als „ersten Schritt in die richtige Richtung“.
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft zeigte sich gelassen. „Die Biolandwirte können im Ackerbau so weitermachen wie bisher, wenn die Vorschriften zum Insektenschutz wie von der Bundesregierung geplant in Kraft treten. Bei Sonderkulturen kann es im Ausnahmefall eine Betroffenheit geben“, sagte Geschäftsführer Peter Röhrig der taz.
Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen. Agrarnahe Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion haben bereits Änderungsbedarf angemeldet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos