piwik no script img

Bundesbank fordert höhere LöhneInflation soll die Wirtschaft retten

Die Bundesbank plädiert für höhere Löhne. Dahinter steckt nicht der Wunsch nach mehr Gerechtigkeit, sondern die Angst vor einer Deflation.

Mit mehr Geld können Leute mehr kaufen – was der Inflation auf die Sprünge hilft. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Bundesbank legt eine Kehrtwende hin: Ihr Chefökonom Jens Ulbrich fordert höhere Löhne in Deutschland. Bisher war die Bundesbank dafür bekannt, dass sie ständig warnte, es könnte die Inflation anheizen, wenn die Einkommen steigen. Doch was früher gefürchtet war, soll jetzt die Rettung bringen. Die Bundesbank will eine Geldentwertung.

Das Kalkül der Bank ist ganz einfach: Wenn die Gehälter zulegen, steigen automatisch die Kosten der Unternehmen. Also werden die Firmen versuchen, ihre Preise anzuheben.

Die Bundesbank will eine Inflation herbeizwingen, weil momentan das Gegenteil droht: eine Deflation, bei der die Preise permanent fallen und die Wirtschaft in einer Rezession verharrt. Im Juni stiegen die Preise im Euroraum nur noch um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie das europäische Statistikamt in der vergangenen Woche mitteilte. In Deutschland lag die Inflation zwar bei 1,0 Prozent, aber dafür gaben die Preise in den europäischen Krisenstaaten besonders stark nach.

Eine Deflation ist extrem gefährlich, weil die Konsumenten dazu neigen, ihre Anschaffungen zu verschieben. Nach dem Motto: Nächsten Monat ist es bestimmt noch billiger. Gleichzeitig fehlen die Investitionen. Wenn die Preise sinken, fallen auch die Umsätze, sodass sich jeder Firmeninhaber ausrechnen kann, dass er Kredite nicht zurückzahlen könnte. Das Wachstum stockt.

Die Gefahr einer Deflation ist inzwischen so groß, dass die Europäische Zentralbank im Juni radikale Maßnahmen beschloss: Der Leitzins wurde auf nur noch 0,15 Prozent gesenkt – und außerdem müssen die Banken jetzt einen Strafzins von 0,1 Prozent zahlen, wenn sie ihr Geld bei der EZB parken.

Analytisch uninteressant, politisch relevant

Doch bisher sind die EZB-Maßnahmen wirkungslos verpufft, wie die niedrige Inflationsrate im Euroraum zeigt. Die Geldpolitik ist längst machtlos, die nur bei den Zinsen für die Banken ansetzt. Deswegen interessiert sich die Bundesbank neuerdings für die Löhne.

Der Zusammenhang zwischen Löhnen und Preisen ist allerdings so banal, dass die Bundesbank keineswegs die erste Institution ist, die steigende Gehälter fordert – sondern die allerletzte. Der Internationale Währungsfonds und die OECD haben bereits im vergangenen Jahr verlangt, dass Deutschland seine Löhne anhebt.

Die Kehrtwende der Bundesbank ist daher analytisch nicht interessant, aber politisch relevant. Sie ist ein Zeichen, dass selbst die neoliberale Speerspitze am deutschen Sonderweg zu zweifeln beginnt.

Zu diesem Sonderweg gehörte bisher, die Gehälter rigoros zu drücken. Die deutschen Reallöhne sind in den vergangenen 15 Jahren nicht gestiegen, sondern liegen um 0,7 Prozent niedriger als zur Jahrtausendwende.

Nicht mehr im Geldbeutel

Die Tariflöhne wurden zwar in dieser Zeit offiziell um 8,2 Prozent angehoben, aber davon kam bei vielen Beschäftigten nichts an. Der Grund: Zahlreiche Betriebe haben keine Tarifbindung mehr, oder es wurden „Öffnungsklauseln“ vereinbart, die es einzelnen Firmen erlauben, von den Tarifvereinbarungen abzuweichen.

Ob es 2014 besser wird, bleibt abzuwarten. Die tariflichen Grundgehälter werden zwar in diesem Jahr um knapp zwei Prozent steigen, wie die Hanns-Böckler-Stiftung ausgerechnet hat. Aber dies heißt noch lange nicht, dass auch ein Plus von zwei Prozent bei den Beschäftigten ankommt.

Während die Reallöhne stagnierten, ist die deutsche Wirtschaft weiter gewachsen. Doch von diesem Plus profitierten nur die Kapitalbesitzer. Ihre Gewinn- und Vermögenseinkommen sind überproportional gestiegen.

Es wäre also nicht nur ökonomisch sinnvoll, die Löhne anzuheben – sondern auch gerecht. Allein im Jahr 2013 haben die deutschen Arbeitnehmer ungefähr 110 Milliarden Euro verloren, weil ihre Reallöhne in den vergangenen 15 Jahren stagnierten und sie nicht mehr vom Wachstum profitierten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Wenigsten einer, der für die Arbeitnehmer höhere Reallöhne fordert.

  • Die Angst der EZB vor der geringen Inflation.

     

    Bei der EZB macht man sich Sorgen wegen der geringen Inflationsrate.

    Ich kann diese Sorge nicht verstehen. Meiner Meinung nach ist es gut wenn wir eine geringe oder keine Inflation habe.

    In den Lehrbüchern der Ökonomie steht es aber anders: Geringe Inflationsraten sind schlecht für die Wirtschaft, weil die Verbraucher ihre Käufe dann verschieben und warten bis die Preise weiter sinken.

    Ist dies jemals empirisch überprüft worden?

    Ich habe mal VWL als Nebenfach studiert und glaube, daß die meisten volkswirtschaftlichen Theorien mit der Realität nichts zu tun haben. Es werden schöne Modelle gebaut, teilweise mit sehr viel Mathematik. Nur mit der Realität hat das sehr wenig zu tun.

    Alter Spruch: „Wirtschaft ist mindestens zu 50% Psychologie.

    Jetzt zur Sorge der EZB wegen der geringen Inflation: Die EZB könnte doch Geld drucken und dieses an arme Mitbürger, z.B. Harz4 Empfänger verteilen. Diese würden das Geld sicherlich sehr schnell in den Konsum stecken.

    Nach dem was in den Lehrbüchern der Ökonomie steht, würde sich dann die Inflation erhöhen und die EZB hätte Ihr Ziel erreicht.

    Möglicherweise würde das aber so gar nicht funktionieren und die Preise bleiben weiter stabil. Auch nicht schlecht. Ein erhöhter Konsum würde für steigende Beschäftigung sorgen.

    Also nur Mut. Einfach mal probieren.

    • @Uwe Buchholtz:

      Der EZB ist es im Normalfall gesetzlich verboten, Geld direkt an Staaten (oder Menschen) auszugeben. Sie stellt lediglich den privaten Banken Geld zur Verfügung, die dann wiederum Geld an Staaten verleihen.

      Zur Inflation: diese ist ja eine Geldentwertung, die dazu animieren soll, das Geld nicht zu horten (zu sparen), sondern wieder auszugeben und damit dem Geldkreislauf zurückzuführen. Geld entsteht ausschließlich aus Kredit, und Kredite müssen bedient (also zurückgezahlt) werden. Sparen verhindert dieses Zurückzahlen, Geld ausgeben ermöglicht das Zurückzahlen.