Bundesbank-Präsident legt Rücktritt nahe: Sarrazin unter Druck
Thilo Sarrazin erntet für sein Interview auch SPD-intern harsche Kritik, Parteigenossen fordern seinen Ausschluss. Inzwischen ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung.
BERLIN taz | Ausgerechnet in Istanbul erreichten Bundesbankchef Axel Weber die verbalen Entgleisungen seines Vorstandsmitglieds Thilo Sarrazin. Der frühere Berliner SPD-Finanzsenator hatte sich in der Zeitschrift Lettre International abfällig über Türken und Araber geäußert. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung.
Nun geht auch Weber auf Distanz - und legte Sarrazin am Wochenende indirekt den Rücktritt nahe: "Der Bundesbank ist ein Reputationsschaden entstanden, der schnell wieder korrigiert werden muss."
"Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate", hatte Sarrazin in einem mehrseitigen Interview auf die Fragen von Lettre-Chefredakteur Frank Berberich zum Titelthema "Berlin auf der Couch" geantwortet. Und weiter: "Das würde mir gefallen, wenn es osteuropäische Juden wären, mit einem 15 Prozent höheren IQ als dem der deutschen Bevölkerung." Nicht aber, wenn es sich um unterdurchschnittlich intelligente Türken und Araber handele. "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Das gilt für 70 Prozent der türkischen und für 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin."
Der SPD-Politiker Vural Öger sagte: "Ich bin entsetzt. Seine Worte sind beschämend, widerlich und skandalös." Öger fordert den Parteiausschluss Sarrazins: "So ein Mensch kann nicht ein SPD-Mitglied sein."
Beantragt hat den Ausschluss bereits der Berliner SPD-Ortsverband Alt-Pankow. Zuständig ist allerdings Sarrazins eigener Kreisverband im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Dort soll sich noch in dieser Woche die Schiedskommission mit dem Fall beschäftigen. Kreischef Christian Gaebler, ein Vertrauter des Berliner SPD-Vorsitzenden Michael Müller, hat die Marschroute bereits vorgegeben: Sarrazin müsse sich überlegen, "ob er zu den Grundwerten der SPD steht oder nicht". Seine Äußerungen seien "indiskutabel".
Wenn stimmt, was Spiegel Online berichtet, wird es diesmal eng für den Dauerprovokateur. Bundesbankchef Weber soll das Interview nämlich vor Drucklegung gekannt und seine Veröffentlichung untersagt haben. Sarrazin habe sich dieser "Zensur" widersetzt und den Text zum Abdruck freigegeben. Allerdings sind auch Weber die Hände gebunden. Er selbst kann Sarrazin nicht entlassen. Die Vorstände der Bundesbank werden von der Politik nominiert und vom Bundespräsidenten ernannt.
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