Nach Sarrazins Beschimpfungen: Bodyguards am Bosporus
Viel Wirbel gab es in den türkischen Medien, nachdem Sarrazin Türken und Araber beschimpfte. Zum IWF-Treffen in Istanbul musste Bundesbank-Präsident Weber deshalb mit Bodyguards anreisen.
ISTANBUL dpa | Bundesbank-Präsident Axel Weber ist eigentlich ein Mann leiser Töne, der sich im Kreis der Weltfinanzexperten wohl fühlt. Der angesehene Ökonomie-Professor ist eher kein Fall für erhöhten Personenschutz und besondere Sicherheitsvorkehrungen.
In Istanbul sah man aber an der Seite von Deutschlands oberstem Notenbanker einen Leibwächter. Nicht ohne Grund: Hatte doch Webers neuester Kollege im Bundesbank-Vorstand, Berlins sozialdemokratischer Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin, mit seinen abfälligen Bemerkungen über Ausländer nicht nur bei türkischen Verbänden in Deutschland für Entrüstung gesorgt, sondern auch für Wirbel in der türkischen Presse.
Am Bosporus drohten die Wogen besonders hoch zu schlagen. Holte Sarrazin doch ausgerechnet unmittelbar vor dem Jahrestreffen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Istanbul zu seinem neuesten Rundumschlag aus - diesmal gegen Türken, Araber, Unterschichten, Arme und andere Berliner.
Der Empörung und einem Rüffel durch die Bundesbank folgte zwar die schnelle Entschuldigung Sarrazins - wie nach früheren Entgleisungen. Die Bundesbank aber, zu der Sarrazin auf Beschluss der Politik nach strengen Proporz-Regeln erst im Mai gestoßen ist, kommt nicht aus den für sie ungewohnten Negativ-Schlagzeilen heraus.
Weber ist daher sichtlich genervt. Auch in Istanbul - eigentlich sollte es dort um globale Finanzmärkte, die Weltwirtschaft und die künftige Rolle des IWF gehen - kommt der Bundesbank-Chef nicht an Sarrazins umstrittenem Interview in der Zeitschrift "Lettre International" vorbei. Weber kämpft um den Ruf der Bundesbank, einer über die Landesgrenzen hinaus angesehenen seriösen Institution.
Die hatte sich bereits in ungewöhnlich deutlicher Form distanziert von Sarrazins diskriminierenden Äußerungen. In der türkischen Millionen-Metropole wollte Weber daher zunächst nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Es gehe nicht um Personen, sondern um die Glaubwürdigkeit der Bundesbank, meinte er zurückhaltend. "Es ist vollkommen klar geworden, dass Dr. Sarrazin sich distanziert hat von seinen Bemerkungen" Die Entschuldigung sei notwendig und angemessen gewesen, bemühte sich Weber weiter um Schadensbegrenzung.
Die Entwicklung sei dennoch bedenklich, Sarrazins Verhalten entspreche nicht dem Kodex der Bundesbank und schade der Reputation, legte er dann schärfer nach. Der Verantwortung müsse sich jeder - "vom einfachen Bargeldbearbeiter und Chauffeur bis hin in die Spitze der Bank" - bewusst sein. Auf erneutes Nachfragen wurde Weber dann noch deutlicher: Jeder müsse "mit sich selbst ins Gericht gehen, ob die Beiträge, die er liefert", der Bundesbank dienen.
Die diplomatisch verpackte, aber wenig verklausulierte Botschaft: Sarrazin sollte doch noch einmal in sich gehen. Weber legte dem 64-Jährigen Konsequenzen nahe. Auch wenn in der Bundesbank-Delegation in Istanbul niemand bestätigen wollte, dass damit ein Rücktritt gemeint war. Gemessen aber an den sonst eher zurückhaltenden und äußerst behutsamen Formulierungen von Notenbankern war die Ansage Webers ziemlich klar.
Mehr machen kann der Bundesbank-Präsident nicht. Weber kann Sarrazin nicht einfach aus der Bundesbank schmeißen, der dort für Risikocontrolling und Bargeldumlauf zuständig ist. Über die Besetzung der Instituts-Führung entscheidet die Politik, Vorstände können nicht mal eben abberufen werden. Die Bundesbank-Spitze kann beim Bundespräsidenten die Entlassung eines Vorstandes beantragen - wenn dieser die Voraussetzung für das Amt nicht mehr erfüllt oder bei schwerwiegenden Verfehlungen.
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