Bund will 80%-Anteil erwerben: Meyer-Werft wird Staatsbetrieb
Der Bund und das Land Niedersachsen wollen die Meyer-Werft zu 80 Prozent übernehmen. Investoren haben offenbar abgewunken.
Zur Rettung der angeschlagenen Meyer-Werft im Emsland wollen der Bund und das Land Niedersachsen die Werft mehrheitlich übernehmen. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) rechtfertigte das Engagement mit der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Werft, die ihr Hauptgeschäft mit Kreuzfahrtschiffen macht. 20.000 Arbeitsplätze in Deutschland hingen direkt und indirekt von der Werft ab, sagte Lies in einer Regierungserklärung am Mittwoch. Die Wettbewerbsfähigkeit und der Ruf des gesamten Schiffbaustandorts Deutschland stünden auf dem Spiel. „Der Staat kann dabei nicht Zuschauer sein“, sagte der Minister. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte schon bei einer Betriebsversammlung in der vergangenen Woche versichert: „Wir lassen die Werft nicht allein.“
Der Bund und das Land planen laut Lies, sich mit 400 Millionen Euro an der Werft zu beteiligen und damit rund 80 Prozent der Unternehmensanteile zu erwerben. Sie wollen außerdem Bürgschaften von insgesamt 2,6 Milliarden Euro gewähren, um den Weiterbetrieb zu sichern und eine Insolvenz abzuwenden.
Die restlichen 20 Prozent der Anteile soll die Familie Meyer behalten. „Wir haben nicht das Ziel, langfristig Mehrheitsgesellschafter zu bleiben“, versicherte Lies. Mit der Familie sei eine Rückkaufoption vereinbart.
Voraussetzung für die staatliche Geldspritze ist ein Test, der sicherstellen soll, dass sich ein ähnlich großer privater Investor zu denselben Konditionen bei dem Unternehmen engagieren würde.
Allerdings hat sich ein tatsächlicher privater Investor, der bereit wäre, zusätzlich Geld in das Unternehmen zu pumpen, nicht gefunden. Dabei hatte Ministerpräsident Stephan Weil vor einigen Wochen noch erklärt, die Suche nach einem privaten Investor habe Priorität.
Sichtbares Risiko eingegangen
Nach einem Bericht des NDR stößt eine reine Staatsfinanzierung allerdings auf Skepsis in Teilen der Bundesregierung. Der Sender zitiert ein Dokument, nach dem das „Einwerben eines privaten Investors mit mind. 30% EK-Beteiligung“ (EK für Eigenkapital) Voraussetzung für eine staatliche Beteiligung sein müsse.
Ökonomen sehen das Einbinden eines Privatinvestors skeptisch. „Das, was wirklich besorgniserregend ist, ist, dass hier ein Unternehmen in Schieflage gekommen ist, aber überhaupt kein privater Investor sich beteiligen will, trotz dieser großzügigen staatlichen Garantien“, sagte Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
Der Ökonom Heiner Flassbeck spricht von „Symbolpolitik mit Helm“, bezugnehmend auf den öffentlich wirksamen Besuch von Kanzler Scholz auf der Werft. Statt ein paar Tausend Arbeitsplätze zu retten, solle der Kanzler lieber etwas gegen die Talfahrt der gesamten Wirtschaft unternehmen, indem er etwa die Schuldenbremse lockere, sagt Flassbeck.
Der NDR verwies auch auf eine regierungsinterne Liste. Diese macht das Risiko sichtbar, das der deutsche Staat im Zusammenhang mit der Meyer-Werft eingegangen ist. Aus der gehe hervor, dass die 19 Milliarden Euro an Bürgschaften und Krediten an die Werft sowie die Reedereien, die bei Meyer Schiffe bestellt haben, ausgereicht haben. 15,4 Milliarden davon seien Bürgschaften für Kredite der Reedereien. Die Bundesministerien für Finanzen und Wirtschaft wollten die NDR-Angaben nicht kommentieren.
Zu rechtfertigen ist dieses Risiko nur, wenn damit tatsächlich eine vorübergehende wirtschaftlich schwache Lage der Werft überbrückt wird. Das Unternehmen erklärt diese mit der Coronapandemie, in der Schiffe unter Quarantäne gestellt, Reisen abgesagt und in der Folge Aufträge verschoben wurden. Dazu kamen stark steigende Materialpreise aufgrund von beeinträchtigten Lieferketten und gestiegene Energiepreise wegen des Ukrainekriegs.
Das Bundeswirtschaftsministerium betont die Bedeutung der Werft für das maritime Cluster Deutschlands. Auch für die Energiewende spiele sie eine Rolle. Deshalb werde eine Unterstützung geprüft.
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