Bürgermeisterwahl in Landeshauptstadt: Kiel ist nicht mehr rot
Nach der Oberbürgermeisterwahl in Kiel stehen sich ein Grüner und ein Kandidat von CDU und FDP gegenüber. Der SPD-Anwärter schaffte es nicht mal in die Stichwahl.
Neun Bewerber:innen wollten Ulf Kämpfer als Oberbürgermeister:in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel beerben – der Sozialdemokrat tritt nach zwei Amtszeiten nicht mehr an. Nach dem ersten Wahlgang am Sonntag ist das Feld geschrumpft: In einer Stichwahl stehen sich nun Gerrit Derkowski, der von CDU und FDP unterstützt wird, und der Grüne Samet Yilmaz gegenüber.
Wer von den beiden die Wahl am 7. Dezember gewinnt, kann auch Einfluss auf die geplante Stadtbahn haben – ein Kieler Streitthema. Für die SPD ist das Ergebnis eine erneute Niederlage in ihrer früheren Hochburg.
Aufgerufen waren rund 190.000 Wahlberechtigte. Knapp die Hälfte der Kieler:innen ging am Sonntag an die Urnen, deutlich mehr als bei der Oberbürgermeisterwahl 2019. Von denen stimmten 28,7 Prozent für Gerrit Derkowski, den Kandidaten von CDU und FDP. Dahinter folgt Samet Yilmaz (Grüne) mit 24,8 Prozent.
Der SPD-Kandidat Ulf Daude kam auf 23,3 Prozent, die SPD, die in Kiel lange regiert hat, nimmt damit zum ersten Mal nicht einmal an der Stichwahl teil. Mit Abstand folgt Björn Thoroe (Linke) mit 8,1 Prozent. Der AfD-Bewerber Hubert Pinto de Kraus landet mit 5,8 Prozent auf Platz fünf. Dahinter liegen Viola Ketelsen (Volt), Marcel Schmidt (SSW), Florian Wrobel (Die Partei) und Ansgar Stadtler (Die Basis).
Wahlkampf war von Streit über Stadtbahn geprägt
Ulf Daude und die Kieler SPD hätten einen „tollen Wahlkampf mit bestem Programm“ auf die Beine gestellt, sagte die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatlı. Leider sei es nicht gelungen, genügend Menschen von diesem Kurs zu überzeugen. Der Wahlkampf sei „von Scharmützeln geprägt“ gewesen. Zudem habe die CDU die Entscheidung über die Rathausverwaltung zu einer Abstimmung über die Stadtbahn verzerrt.
Der Neubau einer Stadtbahn ist eigentlich seit Jahren beschlossen, auch die CDU hatte zugestimmt. Seit mehreren Monaten aber stellt sie die Pläne infrage, vor allem aus finanziellen Gründen. Gerrit Derkowski hatte ein eigenes Verkehrskonzept vorgestellt und lehnt die Stadtbahn ab.
Der in Flensburg geborene Journalist arbeitet seit 1998 als freier Mitarbeiter beim NDR und hat unter anderem die Tagesschau moderiert. Er tritt mit einem wirtschaftsfreundlichen Programm an, das einen „pragmatischen Klimaschutz“ und eine Rückgabe des ehemaligen Geländes des Marinefliegergeschwaders 5 in Kiel-Holtenau an die Bundeswehr fordert. Die knapp 29 Prozent für Derkowski im ersten Wahlgang seien ein „großartiges Ergebnis“, freute sich Lukas Kilian, Generalsekretär der CDU Schleswig-Holstein. „Nach zwölf Jahren Stillstand unter Ulf Kämpfer haben sich die Bürgerinnen und Bürger für einen Richtungswechsel statt einem Weiter-so entschieden“, sagte Kilian. Die CDU werde Gerrit Derkowski bis zur Stichwahl in drei Wochen tatkräftig unterstützen.
Derkowskis Gegenkandidat Samet Yilmaz nannte das Ergebnis ein „starkes Signal“. Es zeige, dass sich die Kieler:innen eine „sozial gerechte, wirtschaftlich starke und ökologisch nachhaltige Stadt“ wünschen. Gut schnitt der Politik- und Islamwissenschaftler, der im Kieler Innenministerium tätig ist, vor allem in den gutbürgerlichen Stadtteilen rund um die Förde sowie im Brennpunkt-Viertel Gaarden ab.
Grüne stolperten über AfD und Graue Wölfe
Während der heißen Wahlkampfphase sorgten die Kieler Grünen zweimal für Negativschlagzeilen. So kam ein Antrag der Grünen im Bauausschuss mit einer AfD-Stimme durch – ein Fehler, wie die Fraktion zerknirscht zugab.
Yilmaz selbst geriet vor wenigen Wochen in den Verdacht, er habe die türkisch-nationalistische Gruppe „Graue Wölfe“ unterstützt – Hintergrund war ein Anruf, den der Kommunalpolitiker von einem Mitglied der Gruppe erhielt, es ging um den Abbau von Buden und Bühnen nach einem behördlich genehmigten Fest.
Yilmaz, der beim Landesverfassungsschutz gearbeitet hatte, verlor den Posten nach diesem Anruf. Die SPD brachte das Thema in den Innenausschuss des Landtags. Obwohl Grüne und SPD in der Kieler Ratsversammlung kooperieren, kündigte Ulf Daude an, er werde keine Wahlempfehlung für Samet Yilmaz aussprechen.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert