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Bürgermeistervorwahl in New YorkEin junger Linker gewinnt New York

Bei den Vorwahlen der Demokraten für die Bürgermeisterwahl in New York gewinnt der demokratische Sozialist Zohran Mamdani unerwartet deutlich.

Klarer Sieger: Zohran Mamdani mit begeisterten Anhängern am Wahlabend Foto: Heather Khalifa/ap

New York taz | Es war ein ungewöhnlicher Moment in der US-amerikanischen Politik, wo Wahlergebnisse bis zum allerletzten Moment angefochten werden und manchmal sogar noch Jahre später angezweifelt. Andrew Cuomo trat bereits um kurz nach 22 Uhr vor seine Anhänger und gab bekannt, dass er seinem Kontrahenten in der Vorwahl der Demokratischen Partei um das Bürgermeisteramt von New York, Zohran Mamdani, gerade eben gratuliert habe.

Dabei hatte Mamdani noch lange nicht die erforderlichen 50 Prozent der Erststimmen auf sich vereinigt, und die letztgültige Auszählung im komplizierten Rank-Choice-Verfahren der Stadt, bei dem der Wähler eine Rangfolge aufstellt, anstatt sich für eine einzige Person zu entscheiden, wird wohl erst in einer Woche abgeschlossen sein.

Doch Cuomo, der langjährige Gouverneur des Staates New York und mustergültige Vertreter des Partei-Establishments, wusste, dass er verloren hatte. Er wusste, dass nicht nur seine Person, sondern seine althergebrachte Art, Politik zu machen, ausgedient hatte. Er wusste, dass die Stadt und die Partei etwas anderes, etwas Neues wollen.

Die Wahl war zwar nur eine Parteivorwahl um einen Bürgermeisterposten, doch ihre Bedeutung ging weit darüber hinaus. Es war nicht nur die De-facto-Entscheidung über den nächsten Bürgermeister der größten Stadt der USA. Der demokratische Kandidat wird in New York mit großer Wahrscheinlichkeit auch in der Hauptwahl im November gewinnen. Es war vor allem auch eine Richtungswahl für die Demokratische Partei im großen Kampf darum, das Land von Trump und seiner MAGA-Gefolgschaft zurückzuerobern.

Demokratischer Sozialist mit hoher Symbolkraft

Der Gewinner Mamdani war sich dieser Symbolkraft seines Vorwahlsieges wohl bewusst. „Wir versuchen hier in New York eine neue Art der Politik, eine Politik der Gemeinsamkeit und der Aufrichtigkeit“, sagte er bei seiner Siegesrede, Arm in Arm mit seinem Rivalen, aber gleichzeitigen Freund und Verbündeten, dem Stadtkämmerer Brad Lander. Sein Blick war dabei auf seine eigene Partei, aber auch auf Washington gerichtet.

Mit Mamdani hat in New York der linke Flügel der Partei überlegen triumphiert. Zohran Mamdani nennt sich einen demokratischen Sozialisten – in den USA in vielen Ohren ein Schimpfwort. Zu seinen Fürsprechern gehören Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez, Leitfiguren der demokratischen Linken.

Mamdani hat sich die Sorgen der einfachen Leute zu eigen gemacht, im Zentrum seines Wahlkampfes standen arbeitende New Yorker. „Ich will ein New York für alle und nicht nur für die Wenigen“, wiederholte er gebetsmühlenhaft. Dass er damit Erfolg hatte, macht wiederum Hoffnung, dass die Demokratische Partei doch noch dazu fähig ist, die Arbeiterschicht von den Polemikern der Rechten zurückzugewinnen.

Dafür war der 33-jährige Sohn eines indisch-ugandischen Postkolonialismus-Forschers, den bis vor wenigen Wochen noch kaum jemand kannte, unermüdlich in der Stadt unterwegs. Man konnte meinen, er und sein Heer von 40.000 Freiwilligen hätten die Kunst der Omnipräsenz erlernt. In einem Moment lief Mamdani die ganze Länge der Insel Manhattan ab und schüttelte in allen Vierteln Hände, im nächsten war er in einer Late-Night-Talkshow, in einem HipHop-Podcast und vor dem New Yorker Einwanderungsgericht, um gegen Trumps Deportationen zu protestieren.

Neuer Politikertypus versus Wahlkampf alten Stils

Mut machte indes an Mamdanis Wahl auch, dass er seine harsche Kritik an Israel glaubhaft mit einer dezidierten Haltung gegen den Antisemitismus verband und die Wähler in der jüdischsten Stadt außerhalb Israels ihn dabei unterstützen. Dabei half ihm gewiss seine Freundschaft mit dem jüdischen Politiker Lander. „Zohran respektiert die Menschlichkeit von jedermann“, kommentierte die Justizministerin des Staates New York, Letitia James, die mehrfach erfolgreich Trump angeklagt hat.

Sein Gegenüber betrieb hingegen einen Wahlkampf des alten Stils. Es gab Galadinners mit Großspendern, zu denen nicht wenige Trump-Unterstützer, wie der Hegde-Fond-Manager Bill Ackman, gehörten. Er hielt Reden vor Gewerkschaftsversammlungen und gab TV-Interviews. Auf der Straße sah man ihn nicht.

Dass mit Mamdani ein neuer, charismatischer Politikertypus in der Demokratischen Partei heranwächst, hat man derweil auch in Washington mitbekommen. „Das Umfeld von Trump arbeitet bereits daran, ihn als Hassfigur aufzubauen“, kommentierte die Washington-Korrespondentin der New York Times, Maggie Habermann. Mamdani nimmt die Kampfansage an: „Wir werden uns unermüdlich gegen den Faschismus von Trump stemmen“, sagte er. Eine Botschaft, die vielen im Land in einer dunklen Zeit Mut macht.

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12 Kommentare

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  • Herr Moll ist sich sehr sicher, dass Herr Mamdani der nächste Bürgermeister von New York City sein wird, schliesslich ist er der offizielle Kandidat der Demokraten. Was aber nicht im Artikel steht: der jetzige Bürgermeister Herr Adams, ein (Ex-)Demokrat, wird wieder antreten, diesmal als unabhängiger Kandidat. Erinnert etwas an Tübingen und Herr Palmer... Und so sicher ist New York City als Erbhof der Demokraten auch nicht: von 1994 bis 2013 regierten mit Herrn Giuliani und Herrn Blomberg zwei Republikaner.

  • Ich bin gespannt, eigentlich dürfte der Law and Order Mann Curtis Sliva kein Konkurrenten sein aber Mamdani hat großes Potential zur Spaltung. Orthodoxe und andere Aiseael Treue Juden, Bodegabesitzer denen er mit kommunalen Supermärkten Konkurrenz machen will haben schon Widerstand angekündigt. Das wird ein spannender Wahlkampf

  • Das Meidas Touch Network (5 Mio. Abonnenten) hat in diesem Video ausführlich über seinen Wahlsieg, seine politischen Positionen und die Bedeutung des Wahlsiegs für die Entwicklung der demokratischen Partei berichtet.



    Die Linke in Deutschland könnte viel von ihm lernen.

  • Zohran Mamdani war vorher nicht unbekannt, er tat sich schon durch seine Weigerung hervor die Taten vom 7. Oktober zu kritisieren, also konkret Hamas. War auch bereits Abgeordneter in NYC 36sten Bezirk.

    Er hatte auch eine fehlgeschlagene Rap Karriere, in einem Film seiner Mutter (Nepo Baby?) trat er auf:



    "This was from the soundtrack to Queen of Katwe, a movie directed by his mom. He was the music supervisor on it and curated the soundtrack"



    www.youtube.com/watch?v=DZ1OblYm5YY

    Sein Vater, Professor an der Elite Universität Columbia (Privileged much?) unterstützte ihn, an der Universität Columbia war sein Vater auch bei Blockaden aktiv die Mitstudierende trafen, vornehmlich jüdische und sog. "Zionisten".

    Er ist durchaus daran interessiert demokratisch sozialistische Eigentumskämpfe in NYC auf zu machen, aber dafür opfert er jüdische und israelische Menschen. Um mehr Wähler*innenstimmen zu gewinnen.

    Politisch nachvollziehbar, aber wie der Schutz jüdischen Lebens dauerhaft in NYC gewährleistet werden soll ist fraglich. Sätze wie "Go with your Bagels back to Tel-Aviv!" sind zehntausendfach in Social Media geteilt worden nachdem er die Vorwahl gewonnen hat.

    • @ToSten23:

      „Das Umfeld von Trump arbeitet bereits daran, ihn als Hassfigur aufzubauen“. Offenbar nicht Trumps Umfeld.

  • Extreme Politik erzeugt immer eine Gegenbewegung.



    Es wird Zeit, dass die Demokraten-Partei alte Haudegen in die Rentenzeit entlässt und auch wieder einen Neubeginn wagt. Erstmal personell, und dann auch mit einem neuen Politikprogramm.

  • Cuomo= "mustergültige Vertreter des Partei-Establishments"- wenn man mehrfache Korruptionsvorwürfe und Vorwürfe über sexueller Gewalt gegenüber mehreren Angestellten als mustergültig bezeichnen will. Es steht ja auch immer noch eine Untersuchung des Justizministeriums aus, weil ihm vorgeworfen wird Falschaussagen im Kongress getroffen zu haben bezüglich der Covid-19 Toten in Pflegeheimen in New York und der Fälschung des Reports des New Yorker Gesundheitsministeriums. Ein Untersuchungsausschuss befand: "overwhelming evidence . . . proves that Mr. Cuomo reviewed, edited, and even drafted portions of a purportedly independent and peer-reviewed New York State Department of Health report that was used to combat criticism of his Administration’s pandemic-era nursing home policies" and that the resulting report "low-balled nursing home fatalities and blamed nursing home staff for causing excess COVID-19 deaths."



    Das er sich bei all seinen Skandalen überhaupt zur Wahl aufgestellt hat, zeigt seine Arroganz und Gleichgültigkeit gegen über dem Gesetz.



    Ich freue mich jedenfalls das Herr Mamdani gegen Cuomo gewonnen hat und hoffe er wird der nächste Bürgermeister.

  • "Mut machte indes an Mamdanis Wahl auch, dass er seine harsche Kritik an Israel glaubhaft mit einer dezidierten Haltung gegen den Antisemitismus verband" - Also das kann Nur ein schlechter Gag sein. Da hatte ich vom Autor mehr kritisches Hinsehen erwartet. Mamdani ist ein absolut radikaler Israelhasser, der keinerlei Problem mit "Globalize the Intifada" hat. Das finden nicht einmal liberalere Juden New Yorks allesamt spitze. Warum ein Bürgermeister in spe sich überhaupt permanent zu Außenpolitik respektive hier natürlich ausschließlich Israel/Palästina äußern muss, bleibt sein Geheimnis.

    • @Jewels&Iron:

      Es war die Presse die ständig von den Kandidaten verlangt hat sich außenpolitisch zu äußern. Immerhin wurde ja auch ein riesen Skandal daraus gemacht, als in einer Diskussionsrunde im Fernsehen die Kandidaten gefragt wurde: die erste Auslandsreise des Bürgermeisters ist ja immer so wichtig, wo würden sie hinreisen und warum? Was das mit den Aufgaben eines Bürgermeisters zu tun hat, frag ich mich da auch. Und ein Skandal wurde daraus gemacht, weil Mamdani als einziger sagte, das er nirgends hinreisen wird, sondern in New York bleibt um sich um die Probleme New Yorks zu kümmern.



      Und es ist schon komisch, das der von ihnen als Israelhasser dargestellte Mann, in Umfragen die zweithöchste Anzahl an Stimmen unter den jüdischen New Yorkern erhielt (20%), sogar noch vor dem jüdischen Kanditaten Lander (18%). und es ist auch merkwürdig, dass sich Mamdani und Lander gegeseitig "endorsed" haben und noch am Tag vor der Wahl zusammen bei Colbert aufgetreten sind und ein sehr harmonisches Bild abgegeben haben und auch in Zukunft zusammenarbeiten wollen. In America sollte man definitv nicht nur die Mainstream- Medien schauen.

    • @Jewels&Iron:

      Da übertreibst du aber glaube ich. Der wurde ja auch von einem anderen jüdischen Bürgermeisterkandidaten unterstützt, bzw als zweitwahl empfohlen, daher denke ich dass das nur Propaganda oder Übertreibung von kapitalistischen Medien ist.

  • Klingt ja erst einmal nach Heilsbringer. Eine genauere Beobachtung Mamdanis lohnt sich jedoch:

    Seine politische Agenda mag idealistisch wirken, doch sie spaltet. Statt Brücken zu bauen, provoziert Mamdani immer wieder bewusst. Seine Weigerung, Holocaust-Resolutionen zu unterzeichnen, löste in NY zu Recht Empörung aus (auch wenn er sich später auf interne Büroregeln berief). Erst recht wenn man seine radikale Haltung gegenüber Israels miteinbezieht: Er spricht von „Genozid“ und unterstützt die BDS-Bewegung, die vom Bundestag als antisemitisch bewertet wird. Auch indische Gruppen werfen ihm Antihinduismus vor, nachdem er den Ram Mandir als Symbol des „Faschismus“ bezeichnete. Hinzu kommt mangelnde Regierungserfahrung und der Vorwurf, populistische Versprechen zu machen, die kaum umsetzbar sind (gratis ÖPVN etc.). Mamdani polarisiert. Aber polarisierende Personen machen nicht unbedingt gute Politk für alle.

    • @Pawelko:

      Die Hindutva und ihr Symbol, der triumphalistische Ram Mandir, sind mit Sicherheit im Bereich des Faschismus einzuordnen - des Hindufaschismus, dem im Indien immer mehr Nicht-Hindus sowie säkulare Hindus zum Opfer fallen.

      Nichtsdestrotz sind Zohrans Einlassungen zu Israel und Hamas ebenfalls besorgniserregend, zumal gerade letztere ja wohl auch nicht ganz unfaschistoid ist.