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Bürgerkrieg in SyrienChristen fliehen vor dem IS

Die Dschihadisten rücken nach Westen vor und greifen mehrere Orte in der Provinz Homs an. Hunderte sollen wieder entführt worden sein.

Angehörige der christlichen und jesidischen Minderheiten sind in Syrien und im Irak besonders bedroht. Foto: reuters

BEIRUT/BERLIN ap/taz | Angriffe der Extremisten des Islamischen Staats (IS) auf mehrere Dörfer in der Provinz Homs haben eine Massenflucht dort lebender assyrischer Christen ausgelöst. Der Leiter des Christlichen Assyrischen Netzwerks für Menschenrechte in Syrien, Osama Edward, sprach von „Hunderten Familien“, die sich von ihrer Stadt Sadad in die 60 Kilometer entfernte Provinzhauptstadt Homs und das 100 Kilometer entfernte Damaskus aufgemacht hätten.

Sadad war bereits 2013 einmal von der mit al-Qaida verbundenen Nusra-Front erobert worden, kurz darauf aber von Regierungstruppen vertrieben worden. „Die Menschen in der Gegend leben in Angst“, sagte Edward. Viele Christen befürchteten ein ähnliches Schicksal wie das der Jesiden im Irak, die von den Extremisten vor die Wahl gestellt wurden, zu fliehen, zum Islam zu konvertieren oder umgebracht zu werden.

Der Aktivist Bebars al-Talawi berichtete am Samstag von schweren Kämpfen in dem 25 Kilometer von Sadad entfernten Ort al-Karjatain, der vom IS am Donnerstag eingenommen wurde. In den vergangenen Tagen wurden Aktivisten zufolge 230 Einwohner al-Karjatains vom IS verschleppt, darunter viele Christen. Einige seien freigelassen worden, das Schicksal der anderen sei nicht bekannt. Unter den Entführten sollen viele Frauen und Kinder sein.

Religiöse Würdenträger in Syrien haben inzwischen keinen Kontakt mehr nach al-Karjatain, wie die assyrische Nachrichtenagentur Aina berichtete. Die Telefon- und Mobilfunkverbindungen seien gekappt.

Vormarsch Richtung Küste

Al-Karjatain liegt in der Mitte eines Dreiecks, das die syrischen Städte Homs, Palmyra und Damaskus bilden. Nach Angaben von Aktivisten hat der Ort eine gemischte Bevölkerung aus etwa 40.000 sunnitischen Muslimen und Christen sowie Tausenden Vertriebenen, die aus Homs geflohen sind. Sadad ist ein überwiegend von Christen bewohnter Ort mit mehreren Tausend Einwohnern. Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, fanden am Samstag heftige Kämpfe zwischen Kämpfern des IS und jenen des syrischen Regimes statt, das auch die Luftwaffe einsetzte.

Die Gefechte in der Region zeigen, dass der IS seit der Eroberung der Wüstenstadt Tadmor/Palmyra Ende Mai weiter westlich in Richtung Homs und der zentralen Nord-Süd-Autobahn vordringt. Der Verkehrsknotenpunkt Homs verbindet die Küste, die Hochburg des Regimes, mit der Hauptstadt Damaskus.

Unterdessen hat der UN-Sicherheitsrat am Freitagabend beschlossen, die Verursacher von Giftgaseinsätzen in Syrien zu ermitteln. Die fünfzehn Mitglieder des Gremiums votierten einstimmig für eine entsprechende Resolution, die von den USA und Russland eingebracht worden war. Demnach wird die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) mit den Vorbereitungen betraut. Sollten die Verantwortlichen festgestellt werden, könnte der Sicherheitsrat auch Sanktionen erlassen.

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2 Kommentare

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  • "Die Gefechte in der Region zeigen, dass der IS seit der Eroberung der Wüstenstadt Tadmor/Palmyra Ende Mai weiter westlich in Richtung Homs und der zentralen Nord-Süd-Autobahn vordringt. "

     

    Die Gefechte in der Region zeigen auch, dass von dem türkisch-amerikanischen Ideen zur Bekämpfung des 'Islamischen Staat's nix zu halten ist, denn der IS ist stark und angriffslustig. Offenbar hat er nicht mal Probleme mit so mächtigen Gegnern wie den USA und der Türkei. Oder darf der IS in Zentralsyrien randaliieren? Schließlich gehören die Leute dort ja irgendwie zum Regime, nun vielleicht nicht wirklich, aber eben doch theoretisch?

     

    Ich glaube, die USA und die Türkei haben den Zynismus im Syrien-Konflikt nochmals steigern können. Und das soll was halten, schließlich hat die Türkei mit ihrer Syrien-Politik Millionen Syrer auf eine Wanderung gezwungen und die ehemalige Wirtschaftsmetropole in ein Leichenschauhaus verwandelt. Nun klar, nicht die Türkei alleine, der Iran, Russland und Nord-Korea haben dem Regime auch mit Waffen und entsprechenden Material geholfen, aber es ist doch offensichtlich, dass Syrien so bald keinen Frieden sehen wird. Die Menschen in Zentralsyrien bekommen jetzt eine Steigerung zu sehen: Es geht noch schlimmer als Bashar al-Assad. Da kommt man ja mit Passivität und Klappe-Halten durch. Beim ISIS läufts dann anders. Das ist ein Gruselfilm im Life-Action-Modus.

  • Wie schon den Irak haben Deutsche Unternehmen auch das Regime in Syrien mit Bauteilen und Stoffen für Waffenfabriken beliefert. Das zeigt nach Informationen von SZ und NDR ein vertraulicher Bericht der Organisation für das Verbot chemischer Waffen.

    Doch die Verantwortlichen dafür wurden bis heute nicht belangt.

    Und das wird auch das Ergebnis dieser Resolution sein.