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Bürgerkrieg in MyanmarDer Widerstand ist unerwartet stark

Ein Sieg des bewaffneten Widerstands gegen die Junta ist keine abwegige Vorstellung mehr, doch fehlt es an Waffen. Das Militär setzt auf Luftangriffe.

Bewaffnete Rebellen schützen am 7. September einen Protest gegen die Junta in der Region Sagaing Foto: Foto: afp

BANGKOK taz | Myanmars Militärjunta ist in der Defensive und verliert an Boden. Zu diesem Fazit kommt das Special Advisory Council for Myanmar (SAC-M), das aus ehemaligen UN-Myanmar-Experten besteht, in einem kürzlich vorgelegten Report.

„Man kann noch nicht von befreiten Gebieten sprechen“

Tony Davis, Militärexperte

Demnach habe das Militärregime nur noch 17 Prozent von Myanmar unter seiner Kontrolle. Die im Untergrund operierende Gegenregierung National Unity Government (NUG) und die mit ihr verbündeten bewaffneten Widerstandsgruppen der ethnischen Minderheiten kontrollierten hingegen 52 Prozent des Landes.

Der Rest sei umkämpfter Raum, so SAC-M, und oft Ziel von willkürlichem Beschuss und Brandstiftung durch die Armee. So hätte laut SAC-M das Militär bisher etwa 28.000 Gebäude niedergebrannt.

Seit der Kriegserklärung der NUG am 6. September 2021 an die Junta und der Gründung ihrer Volksverteidigungskräfte (PDFs) wurden über 20.150 Junta-Soldaten getötet, mehr als 7.000 verwundet und mehr als 90 ihrer Stellungen erobert, verkündete Duwa Lashi La, amtierender NUG-Präsident, zum ersten Jahrestag der Kriegserklärung laut dem Exilportal Irrawaddy. Eigene Verluste gab er mit nur 1.500 getöteten Widerstandskämpfern an.

Vorwürfe an Facebook

Amnesty International fordert vom Facebook-Mutterkonzern Meta Entschädigungen für verfolgte Rohingya aus Myanmar. Facebooks Algorithmen hätten wesentlich zu den Gräueltaten des Militärs gegen die ethnische Minderheit im August 2017 beigetragen, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation. Sie bekräftigt damit seit Jahren erhobene Vorwürfe, dass Hass und Hetze gegen die Rohingya auf Facebook nicht gestoppt wurden.

Die Armee hatte im mehrheitlich buddhistischen Myanmar unter dem Vorwand einer Antiterrormission eine Offensive gegen Rohingya begonnen, bei der Tausende getötet wurden und 700.000 nach Bangladesch flohen.

Das Vorgehen des Militärs damals ähnelt der heutigen Zerstörung von Dörfern des antidiktatorischen Widerstands. Laut dem Bericht wusste Facebook von der Wirkung seiner Algorithmen, blieb aber untätig. (epd)

Das Militär muss einen Mehrfrontenkrieg kämpfen

Unabhängig überprüfbar sind diese Zahlen nicht. Aber eine Bewertung der Lage durch Juntachef Min Aung Hlaing scheint diese Tendenz zu bestätigen.

In einer Rede vor Offizieren bezeichnete der General den „unstrategischen Einsatz von Truppen und der Platzierung von Stützpunkten, falsche Berichte über Stützpunktstandorte […], schlecht geplante Fortschritte bei Räumungsoperationen und die Unfähigkeit der Truppen, sich an taktischen Kämpfen zu beteiligen“, als Probleme.

Das berichtete das Nachrichtenportal Myanmar Now kürzlich auf Basis des Redetextes, den die Redaktion von einer Gruppe desertierter Soldaten erhalten hatte. Verlustzahlen nennt die Junta bisher nicht.

Das Militär kämpft in Myanmar einen Mehrfrontenkrieg und zwar in den Regionen Rakhine, Chin, Kachin, Teilen des Shan Staates, Kayin und Kayah sowie in Magwe und Sagaing in Zentralbirma. Seit dem Militärputsch am 1. Februar 2021 fanden laut dem Institute for Strategy and Policy – Myanmar mehr als 6.600 Gefechte zwischen Armee und bewaffneten Widerstandsgruppen statt.

Militärexperte: Noch keine befreiten Gebiete

Sicherheits- und Politikexperten sind sich einig, dass der Widerstand gegen die Junta überraschend erfolgreich ist. „Man kann aber noch nicht von befreiten Gebieten sprechen“, warnte Tony Davis, Analyst des Militärmagazins Jane’s bei einer Veranstaltung in Bangkok des Instituts für Security and International Studies (ISIS) zur Lage in Myanmar.

Die Bodentruppen der Junta stünden nach Einschätzung der Podiumsteilnehmer in den ländlichen Gebieten derzeit auf verlorenem Posten. „Deshalb setzt die Junta auf die Luftwaffe. Mit russischen und chinesischen Kampfjets bombardiert sie Stellungen der Widerstandstruppen, aber auch ganze Dörfer“, so Davis. Russland habe sich inzwischen zum wichtigsten Waffenlieferanten der Junta entwickelt.

Den bewaffneten Widerstand der ethnischen Minderheiten, die schon seit über sieben Jahrzehnten für Autonomie kämpfen, hatte Min Aung Hlaing bei seinem Putsch einkalkuliert. Doch überrascht wurde er von der Gründung der Volksverteidigungskräfte (PDFs), die vor allem in Magwe und Sagaing ­erfolgreich sind.

Diese Regionen sind das Kernland der ethnischen Mehrheit der buddhistischen Bama (Birmanen) und auch das wichtigste Rekru­tierungsgebiet der von dieser Ethnie dominierten Tatmadaw, wie sich Myanmars Armee nennt.

Das Kernland der Birmanen steht nicht hinter der Junta

„Die Tatmadaw hat nicht verstanden, dass auch die Bama bei den Wahlen mehrheitlich für die Nationale Liga für Demokratie und Aung San Suu Kyi gestimmt haben“, sagt Bo Kyi. Der Gründer der renommierten Menschenrechtsorganisation Assistance Association for Political Prisoners (AAPPB) fügt hinzu: „Sie haben die Freiheit kennengelernt und die wollen sie sich nicht mehr nehmen lassen.“

Das Militär rüstet sich derweil für eine Großoffensive mit seiner Luftwaffe. ISIS-Expertin Gwen Robinson hält drei Szenarien für möglich: „Das Land zerfällt. Die Städte werden von der Armee gehalten, die ländlichen Regionen vom Widerstand. Option zwei ist eine noch massivere Unterstützung der Junta durch Russland und zu einem geringeren Grad durch China. Oder aber der Widerstand siegt. Das ist plötzlich keine abwegige Vorstellung mehr.“

Doch dem Widerstand fehlt es an Waffen und den dezentralen PDFs an einer einheitlichen Kommandostruktur. Mit massiven Waffenlieferungen aus dem Ausland wie für die Ukraine kann der Widerstand nicht rechnen.

„Jede größere Waffenlieferung würde eine Reaktion Chinas provozieren“, sagt Davis. Das ist auch Nyantha Maw Lin klar. „Das Volk von Myanmar hat das Vertrauen in die internationale Gemeinschaft verloren“, sagt der myanmarische Analyst im Bangkoker Exil: „Wir sind auf uns selbst gestellt.“

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