Bündnis will Gipfel im Kanzleramt: Zukunft des Gesundheitswesens
Pflegebedürftige werden mehr, Fachkräfte immer weniger. Ein breites Bündnis aus Verbänden der Gesundheitsberufe drängt auf ein Treffen im Kanzleramt.
Ein breites Bündnis aus 40 Gesundheitsverbänden fordert einen nationalen Gesundheitsgipfel im Kanzleramt. „Das Gesundheitswesen ist in einem kritischen Zustand“, sagte die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, bei der Vorstellung einer gemeinsamen Erklärung am Donnerstag in Berlin.
„Wir steuern auf eine demografische Krise zu, die bereits in den nächsten drei bis fünf Jahren zu tiefen Einschnitten des Leistungsniveaus führen kann“, heißt es in der Erklärung. Mit steigendem Durchschnittsalter wachse der Behandlungsbedarf der Bürgerinnen und Bürger. Gleichzeitig schieden viele Beschäftigte im Gesundheitswesen altersbedingt aus.
Das Bündnis aus Ärztinnen, Apothekern, Pflegekräften und Physiotherapeutinnen, das über 4 Millionen Beschäftigte vertritt, sieht dringenden Handlungsbedarf in drei Bereichen: Fachkräftemangel, patientengerechte Versorgungsstrukturen und nachhaltige Finanzierung. Konkrete Maßnahmen sollten in einem offenen Dialog mit der aktuellen und zukünftigen Regierung erarbeitet werden. „Es ist klar, die Vorschläge sind nicht in einem Jahr realisierbar“, so Hannelore König, Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe.
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer
Das Schreiben richtet sich ausdrücklich an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die politischen Schlüsselressorts. Für eine Neuausrichtung der Gesundheitspolitik müssten alle Politikbereiche einbezogen werden, so die Verbände. „Das Gesundheitsministerium kann diese Herausforderungen nicht allein stemmen“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt. Für die Gesundheitsvorsorge in Deutschland gebe es ein enormes Potenzial in den Bereichen der Bildungs-, der Umwelt-, der Verkehrs- sowie der Arbeits- und Sozialpolitik.
Regierung: „Haben Forderungen zur Kenntnis genommen“
Im Rahmen der derzeitigen Gesundheits- und Krankenhausreformen gab es immer wieder Kritik von Krankenkassen, Fachgesellschaften und der Krankenhausgesellschaft, die mangelnde Einbeziehung beklagten. Als Kritik an der Arbeit des Bundesgesundheitsministeriums unter Karl Lauterbach (SPD) will das Bündnis ihren Vorstoß jedoch nicht verstanden wissen. Die Arbeit mit dem Gesundheitsministerium sei sehr konstruktiv, betonte Ärztekammerpräsident Reinhardt.
Das Gesundheitsministerium äußerte sich auf Nachfrage der taz nicht zu den Forderungen des Bündnisses und verwies auf das Kanzleramt. Von dort hieß es am Donnerstagnachmittag gegenüber der taz, die Herausforderungen, vor denen unser Gesundheitssystem stehe, seien der Bundesregierung bekannt. „Die Forderungen des Bündnisses haben wir zur Kenntnis genommen“, hieß es von einem Regierungssprecher.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen bekräftigte auf Nachfrage der taz den Bedarf nach einer grundlegenden Strukturreform. Aber „ein Gipfel allein würde daran nichts ändern“, so Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands. Der erste Schritt zu Verbesserungen müsse die Bereitschaft zu echten Veränderungen bei allen Akteuren und Akteurinnen sein, so Lanz. „Leider erschöpfen sich die Reformvorschläge häufig darin, mehr Geld für den jeweils eigenen Aufgabenbereich, die eigene Interessengruppe zu fordern.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen