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Buch über zeitgenössische ComicsWerk eines Begeisterten

Timur Vermes gibt in „Comicverführer“ eine umfangreiche Übersicht über die zeitgenössische Comiclandschaft. Auch Kenner des Genres lernen noch was.

Liebt Comics: Timur Vermes stellt in seinem Buch jüngere kanonische Comics für Erwachsene vor Foto: Alexander Pohl/imago

Für „Anfänger, Wiedereinsteiger und Fortgeschrittene“ soll dieses Buch tauglich sein. Ein hoher Anspruch, den Timur Vermes – dies sei gleich gesagt – nicht völlig einlösen kann. Allerdings hat der Autor der Hitler-Satire „Er ist wieder da“ seinen Bestsellerruhm nicht dazu genutzt, schnell mal ein weiteres Buch auf den Markt zu werfen. Der „Comicverführer“ ist das Werk eines aufrichtig Begeisterten, der andere für das Medium, das er liebt, entflammen will.

Vermes, geboren 1967, richtet sich primär an Menschen jenseits der 40, die in ihrer Kindheit gerne Comics gelesen, dann aber damit aufgehört haben, als in der Pubertät neue Interessen aufkamen. Sie will er überzeugen, es erneut mit der Lektüre zu versuchen – weil es jenseits von „Lucky Luke“ und „Asterix“, von „Clever & Smart“ und „Leutnant Blueberry“ viel zu entdecken gibt. Vermes spricht sein Publikum direkt an, als säße es ihm gegenüber. Sein Stil ist sehr rhetorisch und der gesprochenen Sprache angenähert; vor Zuspitzungen und flapsigen Formulierungen scheut er nicht zurück.

Die oben genannten Klassiker und ihnen verwandte Titel spielen kaum eine Rolle. Vermes geht davon aus, dass sie denen, die zu seinem Buch greifen, vertraut sein dürften. Jüngere kanonische Comics für Erwachsene stellt er dagegen vor: Will Eisners „Ein Vertrag mit Gott“, Frank Millers „Batman – Die Rückkehr des Dunklen Ritters“, Alan Moores und Dave Gibbons’ „Watchmen“ und Art Spiegelmans „Maus“. Zu diesem Holocaust-Comic ist ja eigentlich alles gesagt, aber Vermes macht eine kluge Beobachtung zur Erzählkunst Spiegelmans: Dass dieser nämlich nicht sofort mit Auschwitz, sondern mit einer aus dem Familienleben gegriffenen Rahmenhandlung beginnt, um so den Einstieg in den Band zu erleichtern.

Der Aufbau des „Comicverführer“ orientiert sich im Wesentlichen an Genres und Themen: Western, Crime, Horror, Science-Fiction und Humor, der Darstellung von Sex und Gewalt, von älteren Leuten, von Kindern und romantischer Liebe. Graphic Novels und Reportage-Comics kommen zu ihrem Recht und auch Mangas – trotz der einleuchtenden Vorbehalte, die Vermes gegen deren häufige Schablonenhaftigkeit hegt. Eingestreut sind allgemein informierende Kapitel, etwa zu der törichten „Schmutz und Schund“-Kampagne gegen Comics in den 1950ern, zu comicspezifischen Fachbegriffen oder zu der heiklen Frage, woran sich denn nun festmachen lässt, ob man einen guten oder schlechten Comic in den Händen hält.

Drastische Urteile

Angesichts von über 250 Comics, die auf rund 300 Seiten abgehandelt werden, darf man keine genauere Analyse erwarten. Meistens wird kurz der Inhalt referiert, darauf folgt eine Bewertung. Auf visuelle Aspekte wird nur wenig eingegangen, und wo Vermes diese lebhaft anschaulich schildert, bedauert man, dass das Buch zu jedem Comic oft nur ein überwiegend kleinformatiges Einzelbild enthält. Eine großzügigere Illustration hätte dem „Comicverführer“ sehr gutgetan.

Das Buch

Timur Vermes: „Comicverführer“, Harper­Collins Verlag, Hamburg 2022, 320 Seiten, 25 Euro.

Aus seiner Subjektivität macht Vermes keinen Hehl. Drastisch sind seine Urteile, wenn Comics ihm missfallen. Der seit einigen Jahren von Jean-Marc Ferri und Didier Conrad reanimierte Asterix ist für ihn „ein wandelnder Leichnam“. Dass die Einnahme eines kindlichen Blicks auf die iranische Revolution in „Persepolis“ von Marjane Satrapi „zugleich entschärfend und verschärfend“ wirkt, stellt er sehr pointiert fest. Schön auch die Formulierung, dass Joann Sfar in „Die Katze des Rabbiners“ zwischen „Ernst, Spaß und Nachdenklichkeit“ so leichtfüßig „herumspringt wie die Katze über die nächtlichen Dächer“. An solchen Stellen besitzt das Buch auch für diejenigen, denen die meisten hier vertretenen Comics bekannt sind, einen Nährwert.

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