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Bruch des Kirchenasyls in BremenWenn Rote braune Stimmen wollen

Alexander Diehl
Kommentar von Alexander Diehl

Nach dem Bruch des Kirchenasyls sagt Bremens Innensenator, er habe keinen Spielraum gehabt. Steckt hinter der neuen Linie schlicht alte SPD-Angst?

Blick nach rechts: Bremens SPD-Innensenator Ulrich Mäurer (l.) und sein Hamburger Amts- wie Parteikollege Andy Grote 2023 Foto: Daniel Löb/dpa

W enn Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sagt, beim soeben knapp verhinderten Bruch des Kirchenasyls – also der knapp verhinderten Abschiebung des Somaliers ­Ayoub I. nach Finnland – habe Bremen nun mal keinen Spielraum gehabt, dann lässt sich das erst mal nicht widerlegen. Mäurer argumentierte, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sich der Einschätzung aus der Kirchengemeinde nicht anschließe, wonach eine besondere Härte drohe, dann müsse man das als Land umsetzen – also „rückführen“ dorthin, wo der Asylantrag gestellt wurde.

So weit, so Papier. Was der Senator damit ebenso wenig erklärt hat, wie vor einiger Zeit in ganz ähnlichem Zusammenhang sein Hamburger Amts- wie auch Parteikollege Andy Grote: Dissens zwischen Bamf und den Obdach gewährenden Kirchen gibt es immer wieder. Aber längst nicht in jedem solchen Fall wird tatsächlich abgeschoben. Der neulich in Hamburg und nun in Bremen zu verzeichnende Kurswechsel, das Vorgehen mit neuer (oder ganz alter) Härte – dafür müssen sie sich vor Ort entschieden haben.

Oder kam der Anstoß sehr wohl aus Berlin, wo das Bamf zwar nicht seinen Hauptsitz hat, aber das Kanzleramt? Denn mit der Forderung nach mehr Drastik beim Loswerden von Menschen hat sich unlängst ja ein gewisser Olaf Scholz zu profilieren versucht – noch ein Sozialdemokrat. Dass der eine Ecke früher als geplant um seine Wiederwahl bangen muss, macht diesen Bundeskanzler sicher nicht weniger anfällig für Einflüsterungen, was man so alles tun müsse, um rechts und noch weiter rechts bloß keine potenziellen Wäh­le­r:in­nen zu verprellen.

Die SPD sei „treibende Kraft einer unmenschlichen Migrationspolitik geworden“: Das hat dieser Tage nicht irgendwer gesagt – es kam aus den Reihen der Bremer Jusos. Noch vor dem nächtlichen Polizeieinsatz in der Bremer Zionskirche übrigens: Den bezeichnete der Juso-Co-Vorsitzende Aaron Thatje als „beschämend“.

Die SPD als treibende Kraft einer unmenschlichen Migrationspolitik: Das hat nicht irgendwer gesagt – es waren die Bremer Jusos

Der eigene Nachwuchs entlässt auch SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte nicht aus der Verantwortung: Dessen Schweigen „spricht Bände“, erklärte man. Da nimmt es sich ja fast zurückhaltend aus, wenn die Grüne Jugend am Mittwoch nur den Rücktritt Mäurers verlangt hat.

Der wird so wenig kommen, wie der Bürgermeister wackelt, dafür werden die erwachseneren Koalitionsfraktionen Sorge tragen. Zu befürchten ist umso mehr, dass sich Law-and-Order-Fantasien eher öfter als seltener einen Weg bahnen ins weitere sozialdemokratische Regierungshandeln – auf Kosten Betroffener, die hierzulande ja nicht wählen dürfen.

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Alexander Diehl
Redakteur taz nord
Wollte irgendwann Geisteswissenschaftler werden, ließ mich aber vom Journalismus ablenken. Volontär bei der taz hamburg, später auch mal stv. Redaktionsleiter der taz nord. Seit Anfang 2017 Redakteur gerne -- aber nicht nur -- für Kulturelles i.w.S.
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9 Kommentare

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  • Ich bin selbst Mitglied der Kirche und halte es prinzipiell nicht für schlecht, wenn es Dinge gibt, die auf Tradition und religiöser Überzeugung basieren, aber letztlich nicht rational begründbar sind. Dazu gehört auch das Kirchenasyl.

    Dennoch halte ich es für Heuchelei, wenn das Kirchenasyl - das nicht mal christlichen Ursprungs ist, sondern seine Wurzeln in der Antike hat - als ein heiliges, unantastbares Tabu verteidigt wird von Menschen, die ansonsten ganz selbstverständlich gegen Kirchensteuer und Tanzverbot am Karfreitag sind oder die die Abschaffung christlicher Feiertage zugunsten weltlich begründeter Extra-Ferientage fordern.

    Es ist eine wohlmeinende Heuchelei, aber es bleibt Heuchelei.

    Im übrigen frage ich weiterhin, warum es eigentlich kein Moscheen-, Synagogen-, Gurdwara- oder Hindutempelasyl gibt. Was genau macht das Asyl in christlichen Kirchen zu etwas in so einzigartiger Weise der Sphäre des Rechtes Enthobenen?

  • Abschiebungsanträge werden individuell bearbeitet. Eine Generalisierung ist daher nicht gewünscht. Man sollte sich die Argumente der Kirche des BaMF in jedem Fall gründlich anschauen.

  • Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem Pfaffen bestimmen, was Recht und Gesetz zu sein hat.

  • Man bedenke, daß "Kirchenasyl" weder rechtlich gedeckt, noch ein Rechtsinstitut ist.



    Es hat juristich keinerlei Grundlage.

  • Eine erstaunliche Verdrehung der Tatsachen: Hier müssen Regierung und Behörden plötzlich rechtfertigen, dass geltendes Recht umgesetzt wird und ein Kirchenasyl ohne jede Rechtsgrundlage wird zur unantastbaren Institution erklärt.

    • @wintermute:

      Das ist doch aber typisch für die komplette Migrationsdebatte.

      Die einen inszenieren sich als harte Hünd_innen und sagen:"Jetzt werden wir das Gesetzt mal wirklich anwenden."

      Die anderen antworten reflexhaft: "Unmenschlich. Wie könnt Ihr nur..."

  • Was genau ist unmenschlich daran, wenn jemand nach Finnland abgeschoben wird? Hier geht es ja nicht um eine Rückführung nach Somalia

    • @Ahnungsloser:

      Man sieht, wo unser Niveau des Schutzes für Asylbewerber bereits ist.

      Früher sollten die Leute im Kirchenasyl in ihre Heimatländer abgeschoben werden.

      Heute geht es um Finnland oder Schweden.