Bröckelnde Pandemie-Disziplin: Aufsteiger müsste man sein
Lange hatte man mitwirken wollen an der Pandemieeindämmung. Aber das fällt zunehmend schwer angesichts mancher erfolgreich Lobbyarbeitenden.

H aben Sie es auch bemerkt? Dieses allmähliche Nachgeben, dieses Bröckeln der Motivation, der nämlich, mitzuwirken an der Pandemieeindämmung? Man war ja nun wirklich keiner dieser Aus-Prinzip-dagegen-Seienden, die allesamt 1989 schon mal ein Regime wegdemonstriert haben wollen. Fiel auch nicht rein auf abgehalfterte Kinderärzte oder „führende Aerosolforscher“ mit ihren längst nicht immer auf Fakten fußenden abweichenden Sichtweisen.
Nein, man fühlte sich vertrauensvoll gut aufgehoben in den – mutmaßlich so trockenen wie kühlen – Händen der Naturwissenschaftler*innen in charge, denen der Doctores Merkel und Tschentscher: dieses Unaufgeregte, während allerorten die Provinzfürsten um die Wette krawallten.
Gut – das mit der Ausgangssperre, die in Hamburg noch etwas strenger ausfiel als in weniger von befreiender Stadtluft durchwehten Landstrichen, das war schwierig. Hatte sich das Rathaus da nicht ein wenig verrannt? Gibt es wirklich so einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Unterbinden nächtlicher Spaziergänge und der sinkenden Inzidenz? Oder war da nicht doch eine einzelne, leicht zu verstehende Maßnahme ergriffen worden – in der trügerischen Hoffnung auf Effekte, zu denen nur ein gut abgestimmtes Bündel führt?
Alles wieder vorbei
Alles halb so wild, mag manche*r einwenden: Ist ja wieder vorbei. An der Alster haben sie sogar schon die paar nicht ohnehin demolierten Maskenpflichthinweisschilder eingesammelt. Dass Abstandsregeln weiter gelten und Versammlungsrecht immer noch recht lapidar ausgehebelt wird? Nun gut, das wurmt schon; ist halt so die Kategorie von Rechten, an denen der Staat dann rühren darf, wenn er das Seine getan hat. Aber hat er das wirklich – Stichwort: Impfen?
Wie gesagt: Man war ja besten Willens, immer noch. Aber so eine Nachricht? „Im Saisonendspurt um einen der beiden begehrten Aufstiegsplätze in die Handball-Bundesliga kann das Heimspiel des HSV Hamburg am 28. Mai gegen Eisenach in der Barclaycard Arena vor 1.000 Zuschauern stattfinden.“
Und das ärgert dann doch: Dass die Vernunft der Verantwortlichen oft nur reicht, bis sie gegen das nächste hinreichend mit guten Drähten ausgestattete Interessengrüppchen stößt – und sei es eines, das seine Wünsche mit der Druckluftfanfare äußert.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart