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Bröckelnde Brandmauer in ThüringenCDU-Testballon in Thüringen

Einfacher wird das Regieren nicht: Trotz Schulterschluss von CDU, AfD und FDP strebt die RRG-Minderheitsregierung einen Haushalt mit der CDU an.

AfD-Fraktion zeigt nach der Abstimmung über die Grunderwerbssteuer im Thüringer Landtag zufrieden Foto: Martin Schutt/dpa

Dresden taz | Das triumphierende Grinsen schwand einfach nicht aus dem Gesicht des Thüringer CDU-Landtagsfraktionschefs Mario Voigt beim MDR-Interview. Am Donnerstagabend nach dem Abstimmungscoup mit AfD und FDP zur Senkung der Grunderwerbsteuer lobte er die Entlastung junger Familien und tadelte die „Parteitaktik“ der rot-rot-grünen Minderheitskoalition. Deren Vertreter wie Linken-Fraktionsvorsitzender Steffen Dittes aber sprechen von einem „elementaren Präzedenzfall“. Die Frage ist, wie das bisherige Arrangement mit der CDU zur Mehrheitsfindung im Landtag noch fortgeführt werden kann.

Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt ist am Vormittag jenes „schwärzesten Tages seiner parlamentarischen Laufbahn“, wie Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow formulierte, auch der Entwurf des Landeshaushalts 2024 ins Parlament eingebracht worden. Drei Jahre lang hatten sich Linke, SPD und Grüne in quälenden Haushaltsverhandlungen Kompromisse abringen lassen, weil ihnen vier Stimmen zur Mehrheit fehlen. Der Zeitpunkt des Zusammengehens von CDU, AfD und FDP war also pointiert gewählt. Und wohl abgestimmt, wie mehrere Quellen bestätigen.

Für Steffen Dittes handelt es sich deshalb nicht um eine Bagatelle, wie eine ähnliche Machtdemonstration der Opposition beim Spielhallengesetz. „Wir können den Haushalt mithilfe von AfD und FDP auch gegen die Regierung gestalten“, sei die Botschaft der Union. Das komme einer „Quasi-Koalitionsbildung“ gleich. „Wer aber übernimmt dann die Verantwortung?“, fragt Dittes. Mit Blick auf das Wahljahr 2024 sei Thüringen nun ein Testballon für eine mögliche Tolerierung einer CDU-Minderheitsregierung durch die AfD oder gar eine Koalition mit ihr.

Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Hey reagierte mit Unverständnis auf das Vorgehen der CDU. „Trotz des Angebots, das Thema Familienförderung bei Wohneigentum während der Haushaltsverhandlungen miteinander zu klären, hat die CDU noch vor der ersten Lesung des Haushaltes schon im Ausschuss und nun im Parlament die Mehrheit rechts der Mitte genutzt“, kritisiert er.

Dass die Union „lieber mit Björn Höcke“ abstimme, habe er bis zum Schluss nicht glauben wollen. „Die AfD hat nun erstmals in einem deutschen Parlament Gestaltungsmacht über den Landeshaushalt bekommen“, konstatiert Hey. Neben dieser Enttäuschung sei es besonders verstörend, dass nach der Abstimmung breitbeinig verkündet wurde, es folge „jetzt jeden Monat so ein Knaller“.

„Krasse Beschleunigung des Rechtsrucks“

Madeleine Henfling, Parlamentarische Geschäftsführerin der kleinen Fraktion der Bündnisgrünen, hat das CDU-Vorgehen nicht überrascht, wohl aber, wie eiskalt sie es durchgezogen hat. Denn die „krasse Beschleunigung des Rechtsrucks“ der Union insgesamt sei seit Monaten offenkundig. Obschon sich RRG „bis zum Erbrechen kompromissbereit“ gezeigt habe, werde das Aushandeln konkreter Vorhaben immer schwieriger.

Henfling und Dittes erklären dies mit „Verzweiflung, gar Panik“ einer Thüringer CDU, die in Umfragen bei 20 Prozent stagniert. Deshalb stecke in der keineswegs geschlossenen Landespartei auch kein Abweichler den Kopf heraus.

Die Grüne hält die strategische Liaison mit der AfD für einen schweren Fehler, der „Mythos Rückgewinnung von AfD-Wählern“ werde nur die Rechtsradikalen stärken. Der vergangene Donnerstag habe gezeigt, dass die CDU sie zu einem Machtfaktor aufgewertet hat, resümiert der Linke Steffen Dittes.

Verdrossen, aber konsequent und auch alternativlos will die Minderheitskoalition dennoch das bisherige Verfahren bei den anstehenden Haushaltsberatungen fortsetzen, also erneut auf die CDU zugehen. Das dafür erforderliche Minimalvertrauen sei schwer gestört, aber nicht zerstört, schätzt Steffen Dittes ein.

Wie die CDU ihre Forderungen finanzieren will, die sich laut Koalition auf eine Dreiviertelmilliarde summieren, muss sie noch erklären. Eine Sabotage des Haushalts könne sie sich wegen der im kommenden Jahr gleichfalls anstehenden Kommunalwahlen aber nicht leisten, meint Madeleine Henfling.

Während die Thüringer CDU den Rückhalt der Bundespartei und von Friedrich Merz genießt, bleibt ihr Partner FDP auf sich allein gestellt. Die Bundesliberalen haben bekräftigt, dass sie den Wahlkampf von Thomas Kemmerich & Co 2024 nicht unterstützen werden.

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5 Kommentare

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  • Man fragt sich schon, warum nicht RRG dem Antrag auch zugestimmt hat, nachdem klar war: er kommt eh durch. Mich beschleicht der Verdacht, dass RRG aus Prinzip die CDU alt aussehen lassen wollte. Kluge Politik sieht anders aus.

  • Nein, die CDU hat sich nicht mit der AfD vorher abgesprochen. Es ist noch viel schlimmer. Sie hat von der AfD abgeschrieben, also deren Politik übernommen! Ich zitiere aus der Drucksache 6066 des Thüringer Landtages (6.Wahlperiode): "Gesetzentwurf der Fraktion der AfD" vom 22.8.2018. Dort steht unter B. Lösung nur ein einziger Satz: "Die Grunderwerbsteuer für selbstgenutztes Wohneigentum wird von 6,5 Prozent auf fünf Prozent gesenkt." Die Tatsachen sind also eindeutig. Nicht die AfD hat sich der CDU, sondern die CDU der AfD angeschlossen. Wer etwas anderes behauptet, belügt den Wähler. Und genau davon habe ich in der Tat die Schnauze voll. Wer sich für 200 000 Euro eine Wohnung kauft, spart 3000 Euro. Dieser Betrag entscheidet für keine kleine Familie, ob sie sich die Wohnung leisten kann oder nicht. Wer aber 5 Millionen geerbt hat und in Immobilien anlegen möchte, der spart 75 000 Euro. Dieses Gesetz ist keine Familienförderung, sondern macht nur die Reichen effektiv reicher. Und das ist unisono die Politik der CDU und der AfD.

    • @Anddreas Penselin:

      Wer im Begriff ist, 5 Millionen Euro zu erben, gründet zuvor eine Stiftung und zahlt überhaupt keine Grunderwerbsteuer. Und selbst wenn er es versäumt, wäre es prozentual dasselbe wie bei den 200.000€-Käufern.

      • @Linnemice:

        Es geht Anddreas nur darum das der 5 Mio. Euro-Käufer genauso von der Steuerminderung profitiert wie der 200 000 Euro-Käufer. Der eine spart 2000 Euro und wird nicht reicher, der andere 75 000 Euro und wird dadurch noch viel viel reicher. Sprich dem einen steht die Minderung zu, dem anderen nicht, der müsste eigentlich mehr Grundsteuer zahlen....weil er so unheimlich reich ist.

        *Zwinker Zwinker*

        • @SeppW:

          Es geht nicht um die Erbschaft und auch nicht um die Grundsteuer, sondern die Grunderwerbsteuer.



          D.h. konkret: Die CDU hat gemeinsam mit gesichert Rechtsextremen unter einem Faschisten all denen 75.000€ geschenkt (zulasten z.B. der politischen Bildung im Land und der Bekämpfung des Rechtsextremismus), die sich für ihre „Anastasia“- und ähnlichen Bestrebungen mal ein bisschen Land für fünf Millionen kaufen wollen. Und das besonders deswegen, weil sie mit den „Kommunisten“ von der Linkspartei nicht zusammenarbeiten wollen.



          Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Weil man mit der Regierung unter Bodo Ramelow, gegen den der Maaßen-VfS nichts finden konnte, aufgrund eines Unvereinbarkeitsbeschlusses keinen Kompromiss eingehen will, schreibt die CDU einen Antrag der Rechtsextremen und Faschisten (das ist bei Höcke gerichtsfest!) ab und tut ganz unschuldig, wenn die zustimmen!



          Kann man machen, dann sollte man aber bitte nicht mehr mit irgendwelchen Sophistereien über Zusammenarbeit oder Nicht-Zusammenarbeit mit den Rechten kommen. Voigt und Merz betreiben Höckes Geschäft; aber profitiert die CDU davon in den Umfragen?