Britischer Justiz-Skandal: Ein sehr spätes „Sorry“ von Fujitsu
Wegen fehlerhafter Software wurden mehr als 700 Menschen zu Unrecht verurteilt. Der Konzern stritt lange seine Schuld ab.
Fujitsus Europachef Paul Patterson sprach am Dienstag vor einem Parlamentsausschuss von der moralischen Verantwortung seines Konzerns, sich an der Entschädigung der über 4.000 geschädigten Personen zu beteiligen. Die Regierung hatte letzte Woche umgerechnet über eine Milliarde Euro dafür bewilligt.
Zudem sollen per Gesetz alle diesbezüglichen Urteile für nichtig erklärt werden. Fujitsus „Sorry“ kam erst, nachdem andere Regierungsaufträge des Konzerns in Milliardenhöhe zunehmend hinterfragt wurden und 10 Downing Street Fujitsus Beteiligung an der Entschädigung gefordert hatte.
Fujitsu hatte mit Horizon mehr als drei Milliarden Euro eingenommen. Doch bereits 2019 wurde gerichtlich festgestellt, dass die Software Probleme hatte, die wahrscheinlich zur Verurteilung der Postfilialleiter geführt habe. Patterson gestand, dass sich Fujitsu dieser Probleme seit Einführung des Systems 1999 bewusst gewesen sei.
Prozessende 2025 erwartet
Doch Fujitsu hatte jahrelang behauptet, das Programm sei fehlerfrei. Zu Jahresbeginn hatte eine Serie des Senders ITV dem Skandal breite Aufmerksamkeit beschert. Das führte dazu, dass die Regierung den Betroffenen eine Entschädigung zusagte.
Der derzeitige Postminister der britischen Regierung, Kevin Hollinrake, gab an, dass man erst nach Abschluss der öffentlichen Untersuchung zum Skandal mit Fujitsu über die Entschädigung verhandeln werde. Die Anhörungen laufen mindestens bis Sommer 2024 weiter und ein Endbericht wird frühestens 2025 erwartet. Nur eine kleine Minderheit hat bisher eine Entschädigungssumme erhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Titel Thesen Sexismus
Warum Thilo Mischke nicht TTT moderieren sollte