piwik no script img

Britische Avancen an die EUBrüsseler Rosinenpickerei

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Den Briten geht es durch den Brexit schlechter als zuvor. Trotzdem will Premier Keir Starmer sein Land nicht zurück in die EU holen. Das ist gut so.

Keir Starmer als Gast beim EU-Gipfel in Brüssel am 4. Februar Foto: Olivier Hoslet/Pool/epa/dpa

F ür viele in Deutschland steht fest: Der Brexit war Quatsch, jetzt merken die Briten es endlich und kommen angekrochen. Auch in Großbritannien sehen das manche so. Aber die Regierung ist vernünftiger. Labour-Premierminister Keir Starmer mag einst gegen den EU-Austritt gewesen sein, aber er ist nicht lebensmüde. Er will den Brexit nicht rückgängig machen und damit eine Endloskrise eröffnen, er will sich auch nicht der EU unterwerfen und sich damit lächerlich machen.

Er spricht von einem „reset“, also einem „Neustart“ der Beziehungen: Das Vereinigte Königreich und die Europäische Union sollen sich angesichts der Herausforderungen aus Moskau, Peking und Washington auf gemeinsame Sicherheitsinteressen besinnen.

Dafür ist Keir Starmer am Montag nach Brüssel gereist. Es gäbe viel zu klären. Europas bedrohte Sicherheit kann keine reine EU-Angelegenheit sein. Je schneller man das in Brüssel anerkennt, desto besser. Und Starmer ist ein verlässlicherer Partner als die herrschenden Egomanen in Washington und Ankara.

Ein schrilles Warnsignal

Brüssels Entscheider aber hadern immer noch mit dem Brexit. Sicherheitsabkommen mit Großbritannien werden an Konzessionen geknüpft. Frankreich will, dass Großbritannien seine Fischereipolitik der EU unterwirft. Ganz ernsthaft schlagen EU-Diplomaten vor, dass London nur noch mit Erlaubnis der EU in britischen Gewässern Fangquoten festlegen, die schädliche Schleppnetzfischerei verbieten oder Meeresschutzgebiete ausweisen können soll. Fischerei ist einer von vielen Bereichen, wo schmale Lobbyinteressen in der EU bei jeder Gelegenheit Rosinenpickerei und eine Absenkung von Standards betreiben.

Wer so etwas als Preis für eine Sicherheitspartnerschaft fordert, hat von der Welt nichts begriffen – und treibt die Briten bloß in die Hände derer, die Starmer jetzt schon Ausverkauf unterstellen. Pünktlich zu Keir Starmers Brüssel-Besuch stieg Nigel Farages rechtspopulistische Partei „Reform UK“ erstmals auf den ersten Platz in einer britischen Meinungsumfrage. Das ist ein schrilles Warnsignal. Auch für die EU.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Klar, es wäre politischer Selbstmord, wenn Starmer wieder eine EU Mitgliedschaft anstreben würde.



    Ähnlich wie Trump scheint auch Farage mit bloßen Lügen erfolgreich zu sein.



    Die aktuelle lautet ja, dass die schwierige Lage in GB nicht am Brexit, sondern an Labour liegt.



    Soweit, so doof.



    Aber das macht auch nichts, wenn eine Mehrheit dumm genug ist, das zu glauben.



    Was Strategien für die Zukunft betrifft, so ist fraglich, ob die gesamte EU als Partner betrachtet werden können.



    Die Konservativen arbeiten mit den Rechten zusammen und der Trend nach rechts ist ungebrochen.



    Unter einer neuen Allianz zwischen GB, Deutschland, Polen, Frankreich und Italien ist derzeit nur eine rechte Regierung.



    Wir werden zukünftig wieder auf solche kleineren Bündnisse bauen müssen, wenn wir strategisch vorankommen wollen.

  • Die UK Regierung hat viele Optionen, nur sie muss dafür was tun. Natürlich kommt jeder Idiot von einem Verband in Brüssel an und übt Druck gegenüber der Kommission aus, dass London dies oder das tut oder eben nicht. Das ist die Dynamik dieses System.



    Großbritannien ist in der NATO und im UN_Sicherheitsrat, dazu noch atomar bewaffnet. Damit ist das Land ein Anker im Sinne einer westlichen Sicherheitsarchitektur. Und hier kann der Premier schon was tun und sich vor allem innerhalb der NATO abstimmen.



    In die EU zurück geht es nicht, kann es nicht. Der Fehler bleibt. Wir der Fehler gestaltet werden kann, ist nicht einfach zu sagen, immerhin arbeitet er daran. Ob da jetzt was bei rauskommt. Wahrscheinlich nicht.

  • Das ist vernünftig. Rache ist kein guter Ratgeber. Wenn dann haben die Briten die Konsequenzen, nicht die EU. Wozu nachtreten?