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Bremerhaven soll abhängiger werdenKleine Schwester unter der Fuchtel

Bremen will mehr Kontrollrechte über den Bremerhavener Haushalt: Wenn der nicht rechtskonform ist, soll das Land über die Finanzen entscheiden dürfen.

Der Tourismus kann das Haushaltsloch nicht stopfen: Segelveranstaltung in Bremerhaven Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Es ist ein bisschen unglücklich für Bremerhaven, dass ausgerechnet jetzt Bremens Landeshaushaltsordnung geändert wird; die Änderung dort steht an, um die Lockerung der Schuldenbremse im Grundgesetz auch im Landesrecht zu verankern. Aber ausgerechnet jetzt? Jetzt, da im Bremer Finanzressort noch sehr präsent ist, was Bremerhaven diesen Spätsommer abgezogen hat?

Bremerhaven hatte nach der Sommerpause einen ziemlich späten Haushalt für das Jahr 2025 vorgelegt, der nicht gedeckt war. Pflicht-Ausgaben wurden unrealistisch gering geschätzt; und nur, weil die Stadt sich zusätzliche 42,8 Millionen Euro als „Steuerkraftausgleich“ vom Land in den Haushalt schrieb, gingen Einnahmen und Ausgaben überhaupt auf. Doch diese Millionen waren nicht abgesprochen und nicht bewilligt.

Das Land Bremen lehnte den Haushalt der Stadt ab, zum ersten Mal seit Bestehen des Zwei-Städte-Staates. Am Ende einigte man sich: Echtes Geld gab es nicht – aber Bremerhaven verpflichtete sich, noch härter zu sparen, als zuvor geplant; vor allem im Bereich Personal sollen bis 2027 rund 35 Millionen Euro gespart werden. Das Land erlaubte der Stadt außerdem, sich über rund 40 Millionen Euro zusätzlich zu verschulden, ausnahmsweise.

Am Donnerstag wurde nun unter den neuen Vorzeichen erneut über den Haushalt in Bremens Stadtverordnetenversammlung (SVV) beraten. Wenn alles gut geht, wird er laut SVV-Mitglied Thorsten Raschen (CDU) in drei Wochen beschlossen – Ende November also, das Haushaltsjahr ist dann fast um.

Bremen könnte Bremerhaven reinregieren

So etwas soll nicht mehr passieren, heißt es aus Bremens Finanzressorts: Schließlich haftet im Zweifel das Land für Bremerhavens Finanzmisere; und der Stabilitätsrat im Bund gewährt Bremen zwar eine Konsolidierungshilfe von 400 Millionen Euro – aber nur, wenn sowohl das Land als auch die beiden Städte ihre Sanierungsverpflichtungen einhalten.

Die Landeshaushaltsordnung soll nun ergänzt werden um ein paar Paragrafen, die das sicherstellen. Die Stadt soll, so weit, so unproblematisch, ein vom Magistrat unabhängiges Rechnungsprüfungsamt einrichten. Wie auch bisher behält das Land die Möglichkeit, Haushalte zu genehmigen oder abzulehnen.

Für den Fall aber, dass trotz allem kein rechtskonformer Haushalt verabschiedet wird, will der Senat neue Rechte bekommen – und im Zweifel am Schluss die Kontrolle über den Bremerhavener Haushalt. Da fast jede politische Maßnahme Geld kostet, würde das eine Entmachtung der Bremerhavener Politik bedeuten.

Die Aufregung aus Bremerhaven versteht man in Bremen nicht – Sinn ergebe sie nur, wenn die Stadt plane, fachlich nicht korrekte Haushalte aufzustellen und die Fehler nicht zu korrigieren. Ungewöhnlich ist eine derartige Letztkontrolle der Kommunen durch das Land auch nicht: Allerorten fallen Gemeinden unter die sogenannte Kommunalaufsicht.

In der Landesverfassung Bremens steht etwas von gleichwertigen Lebensbedingungen

Doch in Bremen liegen die Dinge anders, so die Kritik aus Bremerhaven – historisch und strukturell. „Ihr regiert euch da, wir uns hier“, hätten die Gründungsväter des einzigen Zwei-Städte-Staats verabredet, so das Grüne SVV-Mitglied Claudius Kaminiarz. Er war einer der größten Kritiker des ungedeckten Bremerhavener Haushalts für 2025 – und gehört jetzt zu den Stimmen, die sich am meisten gegen eine erweiterte Aufsicht für das Land stellen.

In der Landesverfassung Bremens steht etwas von „gleichwertigen Lebensbedingungen“ in beiden Städten. Doch das, so findet Kaminiarz, sei schon jetzt nicht die Regel: Schließlich habe die Stadt Bremen schon lange ganz andere Möglichkeiten, an Landesmittel zu kommen.

Die Lan­des­se­na­to­r*in­nen sind in Personalunion auch für die Angelegenheiten der Stadt Bremen zuständig. „Wenn es in der Stadt Probleme gibt, greift der Finanzsenator in die Landeskasse“, sagt Kaminiarz. So sei etwa die Bremer Krankenhausgesellschaft Gesundheit Nord in der Vergangenheit immer mit ein paar Millionen aus dem Landesbudget gerettet worden.

Formell steht auch die Stadt Bremen im neuen Gesetzentwurf unter der Finanzaufsicht des Landes. Doch wie das praktisch funktionieren soll, ist nicht klar: Soll der Finanzsenator des Landes, Björn Fecker (Grüne), den Stadtkämmerer der Stadt Bremen, Björn Fecker, rügen?

Ein wichtiger Punkt für Kaminiarz: Das Land Bremen, das sich nun zum Wächter des Bremerhavener Haushalts aufschwinge, sei nun selbst nicht gerade als vorbildlicher Haushälter bekannt geworden; nicht nur die höchste Pro-Kopf-Verschuldung eines Landes zeige das. Auch das jüngste Urteil des Staatsgerichtshofs weise darauf hin: Das Verfassungsgericht des Landes hatte nach einer Klage der CDU vor einer Woche die Haushalte für 2023 und 2024 als nicht verfassungsgemäß abgelehnt.

Und schließlich, so Kaminiarz, sei die erweiterte Aufsicht auch gar nicht notwendig. Gerade erst habe man ja gesehen, dass auch das bisherige schärfste Mittel, die Ablehnung des Bremerhavener Haushalts, ausreiche, um den Magistrat zum Sparen zu bringen.

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