Bremer Ultras im Clinch mit ihrem Verein: Bei Werder brennt die Hütte
Normalerweise halten Verein und Fußballfans zusammen. Nun nicht mehr: Die Ultras von Werder Bremen fühlen sich im Stich gelassen.
BREMEN taz | Der SV Werder und seine Fans, das ist normalerweise eine besondere, geradezu harmonische Beziehung. Wenn es dem Verein schlecht geht, macht der Anhang mobil. Doch jetzt bekommt das Verhältnis des Vereins zu seinen Anhängern Risse. Genauer: zu einem Teil seiner Anhänger, zu den Ultras.
Noch vor sieben Monaten sah das ganz anders aus: Der Klassenerhalt in der vergangenen Saison, gesichert durch einen Heimsieg gegen Eintracht Frankfurt am letzten Spieltag, wäre nach allgemeinem Dafürhalten nicht möglich gewesen ohne den Zusammenhalt zwischen dem Klub und seinem Publikum. Spieler und Verantwortliche betonten in den dramatischen Tagen im Frühjahr bei jeder Gelegenheit, wie wichtig die Unterstützung der Fans sei.
Dass nun ein Riss durch das Verhältnis zwischen Verein und Fans geht, hat mit den Ereignissen beim Nordderby gegen den HSV vor knapp zwei Wochen und beim jüngsten Heimspiel gegen Ingolstadt zu tun: Die Partie in Hamburg fand ohne einen Großteil der Ultras statt. Sie waren bereits auf der Anreise von der Polizei gestoppt und wieder nach Hause geschickt worden, weil es im Zug zu Sachbeschädigungen gekommen sein soll. Die Polizei fand Böller und Sturmhauben.
Die Ultras fühlten sich ungerecht behandelt. Sie hatten den Eindruck, die Polizei habe nur nach einem Vorwand gesucht, ihnen die Fahrt zum Spiel zu verwehren. Auch das Bremer Fan-Projekt war empört über das Vorgehen der Polizei, beklagte Kollektivstrafen und Generalverdacht.
Werder kündigte an, den Vorfall beim Nordderby aufzuarbeiten und zu bewerten, was nach Informationen der taz auch passiert ist. Teile der Fan-Szene hätten sich eine Stellungnahme des Klubs und kritische Worte in Richtung Polizei gewünscht, doch eine solche Stellungnahme blieb aus – und wird wohl auch nicht mehr kommen. Das lässt darauf schließen, dass der Verein am Verhalten der Polizei nichts zu beanstanden hat.
Beim Spiel gegen Ingolstadt zündeten einige Fans Pyrotechnik und zeigten ein Plakat, das als Reaktion auf die Vorfälle eine Woche zuvor zu deuten ist: „Bullenschweine“ stand darauf. Nach dem Spiel soll ein Polizeiwagen beworfen und ein Polizist mit Worten bedroht worden sein. Die Polizei ermittelt wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und Beleidigung.
Diesmal handelte Werder schnell. Zwei Tage nach der Partie brachte der Klub eine Mitteilung auf den Markt, in der Geschäftsführer Hubertus Hess-Grunewald „das Verhalten der Täter scharf“ verurteilte und Maßnahmen ankündigte, um solche Vorkommnisse künftig zu verhindern. Konkret könnte das ein Verbot sogenannter Blockfahnen bedeuten. Diese Fahnen werden oft genutzt, um sich darunter umzuziehen oder zu vermummen, bevor Pyrotechnik gezündet wird. Den Vorschlag zum Verbot von Blockfahnen hatte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer gemacht.
„Verwunderung ist noch das harmloseste Wort. Viele Leute sind auf 180“
Dass sich Politik und Ultras auf Konfrontationskurs befinden, ist nicht neu. Doch dass der SV Werder gar nicht erst versucht, den eigenen Anhang in Schutz zu nehmen oder zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln, irritiert den harten Kern der Fans. „Verwunderung ist noch das harmloseste Wort. Viele Leute sind auf 180“, sagt jemand aus der Bremer Ultraszene. Er hat Verständnis dafür, dass der Verein Pyrotechnik und die Beleidigung von Polizisten verurteilt, hätte sich gleichzeitig aber eine differenziertere Betrachtung gewünscht. Eine Betrachtung, die auch die Vorfälle beim Nordderby berücksichtigt. So aber fühlen sich viele Ultras im Stich gelassen.
Der Klub will sich zu alldem nicht weiter äußern und verweist auf die Stellungnahme nach dem Ingolstadt-Spiel. „Wir machen uns gegen Pauschalverurteilungen stark“, hatte Geschäftsführer Hess-Grunewald in dieser Mitteilung noch gesagt. Viele Ultras halten das im Moment für einen Witz.