Bremer Enquete-Kommission Klimaschutz: Klima verbal fast gerettet
Nächste Woche beginnt die Bremer Enquête-Kommission Klimaschutz ihre Arbeit. Umweltverbände halten sie für Zeitverschwendung.
Dass Bremen seine Klimaziele krachend verfehlen wird, ist längst klar. Statt wie der auch auf Bundesebene geplanten und ebenso verfehlten 40 Prozent, wird das Bundesland seine Emissionen bis 2020 nur um 16 bis 20 Prozent im Vergleich zu 1990 senken können.
Das geht so nicht, sagten deshalb alle fünf Bürgerschaftsfraktionen Ende Januar und beschlossen daher Bremens erste ressortübergreifende Enquete-Kommission. „Klimaschutzstrategie für das Land Bremen“ heißt sie und wird mit je neun Abgeordneten und Sachverständigen besetzt. Man wolle lokal den größtmöglichen Beitrag zum Klimaschutz leisten, heißt es in dem gemeinsamen Antrag.
Das Klimaziel soll mit konkreten Handlungsempfehlungen für die einzelnen Sektoren versehen werden. Auch eine Einschätzung der nötigen finanziellen Ressourcen werden die Expert:innen vornehmen.
Verkehrspolitik ist ein kommunales Schwerpunktthema
Eine der eingesetzten Sachverständigen ist Philine Gaffron, Oberingenieurin am Institut für Verkehrsplanung und Logistik der Technischen Uni Hamburg. „Im Bereich Verkehr haben Kommunen viel Handlungsspielraum“, sagt sie. Nach aktuellen Erhebungen habe Bremen bereits einen recht hohen Rad- und Fußverkehrsanteil. „Ausbaupotenzial gibt es auf jeden Fall im Bereich ÖPNV.“ Laut Mobilitätsbefragung von 2018 macht der ÖPNV hier 14 Prozent aus – in Hamburg sind es 22, in Berlin sogar 25 Prozent.
„Vor allem die Menge der Autos auf den Straßen muss weniger werden“, so Gaffron. Stellschrauben seien dafür nicht nur Veränderungen bei Netz und Fahrplänen sowie leistbare Tarife für alle, sondern auch Parkraumbewirtschaftung, Zufahrtsverbote und autoarme Zonen. Um konkrete Maßnahmen für Bremen zu entwickeln, brauche es aber erst einmal eine genaue Betrachtung der Situation vor Ort.
Das sagt auch Wiebke Zimmer, stellvertretende Leiterin am Öko-Institut im Bereich Ressourcen und Mobilität. „Welche Wege werden genutzt, wie weit sind diese, wie sind die Pendlerverkehre?“
Am 29. Januar hat die Bürgerschaft die Einsetzung der Enquête-Kommission Klimaschutz beschlossen. Sie soll lokale Klimaschutzziele zwecks Einhaltung des Pariser Abkommens entwickeln.
Dabei soll sie Aspekte der sozialen Gerechtigkeit mit bedenken.
Die Enquête-Kommission besteht aus 18 Mitgliedern: je neun Abgeordneten und von den Fraktionen nach Proporz benannten Sachverständigen.
Abgeordnete in der Kommission sind Martin Michalik (Vorsitz), Jens Eckhoff und Silvia Neumeyer (CDU), Carsten Sieling und Janina Brünjes (SPD), Philipp Bruck und Maurice Müller (Grüne) sowie Ingo Tebje (Die Linke) und Magnus Buhlert (FDP).
Als Experten wurden berufen auf Vorschlag der CDU Hans Erhorn, Wiebke Zimmer, Felix Matthes, auf SPD-Wunsch Jutta Günther, Cornelia Rösler, von den Grünen Patrick Graichen und Philine Gaffron, für Die Linke Bernhard Stoevesandt. Die FDP hat Benjamin Wagner vom Berg benannt.
Am 20. März treffen sich die Mitglieder zur konstituierenden Sitzung. Die Kommission soll monatlich tagen und öffentlich sein.
In 18 Monaten soll die Kommission der Bürgerschaft ihren Abschlussbericht vorlegen. Eine Option auf Verlängerung ist aber möglich.
Zimmer sitzt auf Vorschlag der CDU in der Kommission, deren klimapolitischer Sprecher Martin Michalik (CDU) den Vorsitz des Gremiums übernehmen soll. Er betont: „Wir wollen Ziele, die unser Klima schützen und gleichzeitig wirtschaftlich und sozialverträglich sind.“ Es werde „oft so dargestellt, als widerspreche sich das“, sagt Zimmer dazu. „Ich bin davon überzeugt, dass das zumindest im Verkehrssektor nicht so ist.“
Und in anderen Bereichen? „Mit Innovationen wird genau dieser Spagat zwischen wirtschaftlicher und sozialer Verträglichkeit funktionieren“, sagt Michalik. Neben Verkehr sind auch Sanierung und Bauen sowie Energiepolitik einige der zentralen Themen – da sind sich Michalik, Carsten Sieling (SPD) und Philipp Bruck (Grüne) einig.
Für die Bereiche, die kommunal und auf Landesebene beeinflussbar sind, „dürfen und müssen die Ergebnisse der Kommission total radikal sein“, so Bruck, klimapolitischer Sprecher seiner Fraktion. Dadurch, dass einige „Promis“ für die Kommission gewonnen werden konnten und alle fünf Fraktionen hinter ihr stehen, hofft er, dass gemacht wird, „was nötig ist“.
Was das ist, sei schon längst klar, halten Umweltverbände dagegen. „Es wird suggeriert, dass man erst einmal tagen muss“, kritisiert Klaus Prietzel, Vorsitzender des BUND Bremen. Dabei sei vielmehr ein höheres Tempo beim Umsetzen der Maßnahmen nötig.
Auch Yann Guillouet, Sprecher von Greenpeace Bremen, möchte endlich „mehr Taten“ sehen. Er bedauert zudem, dass die Umweltschutzbewegung nicht Teil der Kommission ist. Das findet Sönke Hofmann, Geschäftsführer des Nabu Bremen, dagegen ganz gut: „Ich bin gar nicht beleidigt, dass ich nicht eingeladen wurde, das sind nicht meine Kreise.“
Überhaupt sei die Kommission nicht entstanden, so Hofmann weiter, weil die CDU plötzlich Klimaschutz für sich entdeckt hat – der ursprüngliche Antrag wurde Ende 2019 von CDU und FDP eingereicht −, sondern weil sie Rot-Grün-Rot „vor sich hertreiben“ wollen. Er befürchtet nun eine „reine Sabbelrunde“ ohne greifbare Ergebnisse. „Was wir jetzt machen müssen, ist, den Menschen erklären, weshalb schmerzhafte Einschnitte gemacht werden“, sagt Hofmann.
Eben dies, so Grünen-Politiker Bruck, sei mit der breit aufgestellten Kommission aber leichter: „Nur mit so einem Gremium haben wir die Chance, bestimmte Maßnahmen durchzusetzen.“ SPDler Sieling, designierter stellvertretender Kommissionsvorsitzender, ergänzt: „Der politische Auftrag geht außerdem über die aktuelle Legislaturperiode hinaus.“
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