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Braunschweiger Neonazis machen weiterMorddrohung an der Haustür

Erneut wurde der Sprecher des Braunschweiger Bündnisses gegen Rechts David Janzen von Rechtsextremen mit dem Tod bedroht.

Neben ihre Morddrohung klebten die Täter einen Sticker der Gruppe „Adrenalin Braunschweig“ Foto: Bündnis gegen Rechts

Hamburg taz | Die unmissverständliche Drohung steht auf der Glasscheibe der Eingangstür des Mehrfamilienhauses, in dem David Janzen mit seiner Familie lebt: „Wir töten dich! Janzen“. In Braunschweig haben Rechtsextreme dem Sprecher des Bündnisses gegen Rechts erneut damit gedroht, ihn zu ermorden.

In der Nacht zum Sonntag wurden zudem Aufkleber der rechtsextremen Kampf- und Sportgemeinschaft „Adrenalin Braunschweig“ angebracht. Erst vor wenigen Tagen war Janzen in Anlehnung an die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) in sozialen Netzwerke bedroht worden. „Heute Walter, morgen Janzen“, hatte der stadtbekannte Rechtsextremist Lasse Richei bei Instagram gepostet.

„Die Neonazis machen also weiter wie bisher“, sagt Janzen, der sich nicht einschüchtern lassen will. „Diese Szene möchte uns schon immer lieber tot als lebendig sehen“, betont er gegenüber der taz. Janzen weiß, warum er seit Jahrzehnten zur Szene in Niedersachsen recherchiert und das Braunschweiger Bündnis mitrepräsentiert. Die direkten Morddrohungen seien die logische Konsequenz eines solchen politischen Aktivismus, sagt er.

Die Sicherheitsbehörden seien allerdings „offensichtlich nicht in der Lage, die andauernden Bedrohungen gegen mich und andere zu beenden“, sagt der 47-Jährige. Die Beamten, die die Schmierereien aufgenommen hätten, hätten diese „zunächst nicht besonders ernst“ genommen: Sie machten ein Foto und waren weg. Erst Stunden später kam die Polizei erneut, um Spuren zu sichern und mögliche Zeugen zu befragen, berichtet Janzen. Er wirft Polizei und Justiz vor, nicht konsequent gegen die rechtsextremen Akteure vor Ort vorzugehen.

Rechte Kampfsportler

Die Hauptakteure der Szene in der Stadt sind bekannt. Seit etwa 2015 tritt die Gruppe „Adrenalin Braunschweig“ äußerst aggressiv auf. Nach dem ersten Post gegen Janzen löste sich die Gruppe um Lasse Richei und Timo Büllesbach jüngst selbst auf. Der Name ist weg – die Personen nicht.

Aus diesem Kreis, der regelmäßig Kampfsport trainiert, wurden im Netz und auf der Straße immer wieder Menschen, die sie als ihre politischen Gegner ausmachten, bedroht und angegriffen.

Eine Überwachungskamera zeichnete den Angriff auf Christopher Krauß auf. Der ehemalige Bildungsreferent des sozialistischen Kinder- und Jugendverbandes „Die Falken“ hatte beobachtet, wie Richei und Pierre Bauer am Gebäude des Büros der Gruppe Aufkleber mit rechten Parolen anbrachten. Er ging hinaus, um die Aktion zu fotografieren. Sofort wurde er angegriffen, erst als eine Kollegin zu Hilfe kam, ließen die Angreifer ab. Im darauffolgenden Prozess wurden bei Bauer mehrere Straftaten in einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren zusammengefasst, das Verfahren gegen Richei wurde eingestellt.

Trotz der Anzeigen und der Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung, Hausfriedensbruch und Körperverletzung agiere die Gruppe weiter ungebremst, sagt Janzen. Viele der Betroffenen stellten schon „gar keine Anzeige“, „weil sie Angst haben, dass dann die Neonazis an ihre Adresse kommen“. Denn selbst nachdem einer der Rechtsextremen, der bereits wegen eines brutalen Angriffs auf Schüler eines Braunschweiger Gymnasiums unter Bewährung stand, wieder einmal zugeschlagen hatte, erhielt er wegen einer „guten Sozialprognose“ eine Haftstrafe, die erneut zur Bewährung ausgesetzt wurde. Seine Kumpanen verließen den Gerichtssaal feixend, sagt Janzen.

Militantes Auftreten

Auf ihrer Facebook-Seite dokumentierten die rechtsextremen Kampfsportler ihr militantes Auftreten selbst. Bei den rechten Ausschreitungen Ende August in Chemnitz war auch Richei in der ersten Reihe dabei. Vor wenigen Monaten verurteilte das Amtsgericht Braunschweig Richei, der früher Kader der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten war, zu einer Woche Dauerarrest und 60 Arbeitsstunden, da er einem Türsteher das Handgelenk gebrochen hatte.

Die Kritik des Bündnisses gegen Rechts möchte die Polizei nicht gelten lassen. „Wir nehmen jede Straftat ernst!“, sagt Stefan Weinmeister, Pressesprecher der Polizei Braunschweig dem NDR. Die Polizei ermittelt mittlerweile wegen der Bedrohung gegen einen der polizeibekannten Rechtsextremen. Die Beamten untersuchten dessen Wohnung und stellten Beweismaterial sicher. Der 20-Jährige soll sich nicht geäußert haben.

Janzen lässt sich nicht entmutigen und erfährt breite Solidarität. Nach der ersten Morddrohung gab es Zuspruch auch aus dem Landtag. „Aber ich glaube, das muss oft noch viel mehr sein“, sagt Janzen.

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels haben wir versehentlich einen falschen Namen genannt. Diesen Fehler haben wir nun verbessert. Wir bitten, dies zu entschuldigen.

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6 Kommentare

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  • Wie viele Tote werden wir noch akzeptieren müssen?!



    Was muss noch alles passieren, bis die staatlichen Stellen (alle!) endlich die Gesetze auch anwenden und konsequent umsetzen?!



    Langsam fehlen mir die Worte, was hier an Schlamperei, Wegsehen, Beweisignorierung, Rechtsbeugung, Verfolgungsverschleppung und rechtsextremer Unterstützung abgeht.



    Die Justiz ist nicht auf dem rechten Auge blind (die Polizei m. E. sowieso), sondern die sind alle schon längst total-erblindet. Und zwar ohne Augen-Binde – die bei Justitia ja mal einen Sinn hatte. Hatte … …

  • Die Strafgerichte weigern sich konsequent, die Gesetze gegen gewalttätige Rechtsextremisten anzuwenden. Bewährung, Bewährung, Bewährung, und die Nazis lachen sich kaputt.

    Die Voraussetzungen einer Strafaussetzung zur Bewährung sind in den Absätzen 1 und 2 des § 56 Strafgesetzbuch geregelt. Diese Absätze lauten:



    "(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.



    (2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen."

    Voraussetzung jeder Aussetzung einer Strafaussetzung zur Bewährung ist also, dass zu erwarten ist, dass der Täter keine Straftaten mehr begeht. Das ist die sogenannte "günstige Sozialprognose". Bei Strafen von mehr als einem Jahr müssen noch "besondere Umstände" hinzukommen.

    Von einer günstigen Prognose kann bei solchen Überzeugungstätern aber grundsätzlich keine Rede sein. Nur wenn ein glaubhaftes Sich-Abwenden von der Neonaziszene vorliegt, kann man ernsthaft an Bewährung denken.

    Aber die Gerichte setzen trotzdem routinemäßig fast alles, was nicht über 2 Jahre geht, zur Bewährung aus. Fast. Bei linken Militanten fährt schon mal einer ein, jedenfalls in der 1 Instanz.

  • Ich habe selber lange in BS gelebt und unter dem ex NPD Mann und dann CDU Bürgermeister Hoffmann ist die ganze kommune massiv auf rechtstolleranz getrimmt wurden und dieses erbe besteht noch heute. Habe die absurdesten Anzeigen von der Polizei bekommen nur weil Hoffmann als das bezeichnet habe was er war. Einfach mal googln dann weiss man woher der wind dort weht.

  • Zitat: „Aber ich glaube, das muss oft noch viel mehr sein“

    Nichts gegen "Zuspruch". Er kann Leute ermutigen, weiter zu machen, auch wenn die Widerstände groß sind. Aber gegen Morddrohungen gibt es nicht umsonst Gesetze. (Den § 241 StGB etwa, der auch greift, wenn angeblich alles nur „ein Spaß“ gewesen ist.) Und für deren Umsetzung sind nicht der Landtag zuständig, die taz und/oder eine irgendwie geartete Öffentlichkeit, sondern Polizei und Gericht. Wenn die nicht gewillt oder/und nicht in der Lage sind zu handeln, kann Zuspruch lebensgefährlich sein. Er kann nämlich in eine Eskalation führen. Die aber werden dann höchstwahrscheinlich nicht die Rechtsextremen mit ihrem Leben bezahlen, sondern ihre Gegner. Die Rechtsextremen heißen nämlich deswegen so, weil sie extrem brutal sein können.

    Übrigens: § 13 (1) StGB kennt ein „Begehen durch Unterlassen“. Im Gesetz heißt es wörtlich: „Wer es unterlässt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz [...] dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.“ Man könnte also sagen: Wenn Polizei und Staatsanwaltschaft die Morddrohung nicht ernst nehmen, und aus der Drohung eine Tat wird, weil die Verantwortlichen den Möchtegern-Mörder nicht rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen haben, machen sie sich strafbar.

    Aber was soll‘s – wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter. Jedenfalls noch nicht. Denn nach den Schuldigen muss ja auch hierzulande und heutzutage immer erst dann gefragt werden, wenn das Kind schon im Brunnen liegt. Dann aber kann‘s immer noch Strafmilderung geben (§ 13 Abs. 2 StGB). Kein Grund also für die Bremer Polizei und die lokale Staatsanwaltschaft, ihre gepflegte Ruhe zu verlieren. Wer hat dem Aktivisten auch gesagt, dass er die Nazis ärgern soll?

  • Bei Rechts motivierten Mordaufrufen sollte sofort die Bunsestaatsanwaltschaft ermitteln denn das ist ein organisierter Angriff auf die Innere Sicherheit von bundesweit vernetzten Gewalt- und Terrornetzwerken. Diese Netzwerke konnten sich ungestört entwickeln weil lokale Staatsanwaltschaften und Gerichte die Organisierte Politische Gewalt von Rechts nicht wahrnehmen will oder kann. Das wurde besonders deutlich nach dem Lübcke Mord der alle überraschte außer zivilhesellschaftlichen Initiativen welche seit langrm vor rechten bestens organisierten Netzwerken warnen. Wer rechte Gewalt (androhumg) weiter als Bagatelldelikt behandelt ist mit verantwortlich fùr jeden weiteren Mord von Rechts.

  • Na ja, auch bei dieser Gruppe kennen wir nicht die echte Story. Warum kommen die vor Gericht so gut davon? Na klar, wenn sie unter 18 sind oder besonders schwach und unter 21 dann zeigt das Recht eher Milde. Allerdings agieren die hier nicht nur geplant und damit mit Vorsatz, sondern die handeln vor allem dezidiert politisch. Es macht für mich durchaus einen Unterschied, ob ein U 18-jähriger ein Fahrrad klaut oder in der Disko bei einer Rempelei sich prügelt, als ob jemand zu einem Büro geht und dort eine aggressive und illegalge Aktion startet, die dann in eine Schlägerei mündet. Insofern ist das interessant, dass Braunschweig eher soft mit diesen Neonazis umgeht.



    Übrigens wurde Adolf Hitler in Braunschweig eingebürgert, die Stadt sollte anders agieren und aus der Vergangenheit lernen.