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Brasiliens neuer Präsident und FußballÜber rechts außen

Der rechtsextreme Präsident Jair Bolsonaro tritt sein Amt an. Dabei kann er auf die Unterstützung prominenter Fußballer wie Ronaldinho zählen.

Jair Bolsonaro gibt sich als Macho, als Nationalist Foto: ap

Anfang Dezember feierte Palmeiras São Paulo seinen zehnten Meistertitel. Auf dem Rasen umarmte der künftige Präsident die jubelnden Spieler. Jair Bolsonaro trug ein Palmeiras-Trikot, auf dem Rücken die Nummer 10. Er küsste das Wappen, schickte Triumphgesten an die Fans, hob den Pokal in die Luft.

Der rechtsextreme Bolsonaro fühlt sich im Fußball wohl, sagt Antonio Leal, Gründer des brasilianischen Fußballfilmfestivals Cinefoot: „Die meisten Spieler in Brasilien denken an sich. Sie verdienen nicht so viel Geld wie in Europa und halten sich mit politischen Aussagen zurück.“ Die Spieler des südbrasilianischen Vereins Atlético Paranaense liefen einmal sogar mit T-Shirts mit einer Parole von Bolsonaro auf den Rasen.

An diesem Dienstag tritt Jair Bolsonaro die Präsidentschaft Brasiliens an. Der ehemalige Fallschirmjäger ist mit rassistischen, homophoben und frauenfeindlichen Aussagen aufgefallen. Die Stichwahl Ende Oktober gewann er auch mit dem Versprechen, gegen Korruption und Kriminalität vorzu­gehen. Bei seinen prominenten Unterstützern stechen vor allem Fußballprofis heraus. Der Sport ist für ihn einer der wichtigsten Kommunika­tionskanäle zur Bevölkerung.

Jair Bolsonaro gibt sich als Macho, als Nationalist. Seine polarisierenden Aussagen scheinen im Fußball gut anzukommen, wo Provokationen eine wichtige Rolle spielen, ebenso wie Patriotismus und Männlichkeit. Der Palmeiras-Spieler Felipe Melo machte den Anfang und unterstützte Bolsonaro weit vor dem ersten Wahlgang. Es folgten mehr als zwei Dutzend Profis, darunter ehemalige Nationalspieler wie Rivaldo, Cafu oder Carlos Alberto, auch Volleyballspieler und der zweimalige Formel-1-Weltmeister Emerson Fittipaldi.

Feudaler Rassismus der weißen Oberschicht

Einer der bekanntesten Unterstützer ist Ronaldinho, Fußball-Weltmeister von 2002. „Er ist schon früh der Partei von Bolsonaro beigetreten“, erzählt die Journalistin und Kulturmanagerin Fátima Lacerda. Der FC Barcelona distanzierte sich von seinem ehemaligen Spielgestalter und PR-Botschafter.

Viele Anhänger von Jair Bolsonaro tragen bei Kundgebungen das kanariengelbe Trikot des brasilianischen Fußball-Nationalteams, auch als Abgrenzung zum Rot der Arbeiterpartei des früheren Präsidenten Lula. In Brasilien erwarte man von den meist dunkelhäutigen Fußballern keine gesellschaftspolitischen Kommentare, schrieb Philipp Lichterbeck auf Zeit Online, hinter dieser herablassenden Haltung stecke auch der „feudale Rassismus der weißen Oberschicht“.

Einer der bekanntesten Unterstützer ist Ronaldinho, Fußball-Weltmeister von 2002

Doch es gab in der brasilianischen Geschichte auch Spieler, die sich gegen Machthaber aussprachen: Sócrates hatte zum Beispiel während der Militärdiktatur Anfang der 1980er bei seinem Verein Corinthians São Paulo ein System der Selbstverwaltung geprägt. Ob Spieler, Platzwart oder Funktionäre: alle konnten sich einbringen.

Die Mitglieder dieser Democracia Corinthiana setzten sich für freie Wahlen ein. Anstelle von Sponsorenlogos trugen sie auf ihren Trikots Wahlaufrufe. „Meine Freunde und ich waren damals Anfang zwanzig – Sócrates hat uns Mut gemacht“, sagt der Kulturschaffende Antonio Leal. Sócrates ist 2011 gestorben. „Er würde sich heute bestimmt gegen Bolsonaro starkmachen.“

Als redegewandter Kinderarzt ist Sócrates in die Popkultur eingezogen, in Filmen, Theaterstücken, Büchern. Vor wenigen Wochen stand er im Zentrum einer Filmvorführung in der brasilianischen Botschaft in Berlin. Es ist fraglich, ob solche kritischen Veranstaltungen nach der Amtsübergabe noch stattfinden können. Jair Bolsonaro hat die Militärdiktatur verherrlicht und Folteropfer wie die ehemalige Präsidentin Dilma Rousseff verhöhnt. Er bezeichnete einige Künstler als Schmarotzer.

Angriffe und Drohungen

Die in Berlin lebende Journalistin Fátima Lacerda organisiert seit Jahren Filmabende. „Wir stehen vor der Bedrohung, dass das Kulturministerium abgeschafft wird“, sagt sie. „Für ein Land wie Brasilien mit seiner regionalen Vielseitigkeit wäre das eine Katastrophe.“ Die Angriffe auf und Drohungen an kritische Künstler haben zugenommen. Im Oktober wurde der Musiker Moa do Katendê von einem Bolsonaro-Anhänger erstochen. Müssen Andersdenkende nun wieder ins Exil wie in Zeiten der Militärdiktatur?

„Ob Theater, Musik oder Film: wir sind alle unsicher“, sagt Antonio Leal, der unter den 300 brasilianischen Filmfestivals das einzige mit Fußballbezug leitet. „Die staatliche Unterstützung kann über Nacht gestrichen werden. Doch gerade unser Festival ist darauf angewiesen. Wir möchten unsere Vorführungen auch künftig kostenfrei anbieten. So erreichen wir Kinder und Jugendliche, die sich sonst keine Kinokarte leisten können.“

Im September soll Cinefoot in Brasilien zum zehnten Mal stattfinden. Ob sich Antonio Leal und seine Mitstreiter weiter für Minderheiten starkmachen können? Er hofft, dass sich mehr Fußballer gegen Bolsonaro posi­tio­nieren. So wie Juninho, der acht Jahre in Lyon gespielt hatte. Antônio Leal hat in einigen Ländern über den Fußballdemokraten Sócrates diskutiert, auch während der WM in Russland. Er findet, dass diese Debatte in seiner Heimat stattfinden muss. Damit die Diktatur ein Kapitel der Geschichte bleibt.

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3 Kommentare

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  • Brasilien: Bolsonaros Minister



    Dem Abholzen und dem Einsatz von Gift in der Landwirtschaft haben die alten Regierungen auch nicht viel entgegengesetzt. Schon der linke Populist Lula da Silva hatte seine recht grüne Umweltministerin Marina Silva entlassen, weil sie ihm zu “ineffizient” war. Der Staat bleibt da also weiterhin inaktiv, dass das so weitergeht ist wirklich tragisch. Ein bisschen Hoffung macht da vielleicht die für Minderheiten zuständige Ministerin, die erstmals Indios als gleichwertige Menschen anerkennt. Früher waren das ja nur Reservatbewohner.







    Der neue Justizminister ist aber weder Militär noch ultrarechts, sondern ein Nationalheld, ein mutiger Bundesrichter, der den grössten Korruptionsskandal der Geschichte aufgedeckt hat. Milliarden fliessen zurück in die Staatskassen, und zum ersten Mal sitzen endlich auch Mitglieder der weissen Elite hinter Gittern, Chefs der grössten Konzerne. Korrupte Politiker sind leider vom Gesetz her sehr geschützt, aber auch denen geht es an den Kragen.



    Der Minister für Sicherheit war lange Chef der UN-Friedenstruppen in Haiti. Er ist auch nicht rechts, sondern ein Profi-Peacekeeper. Und viel besser als Haiti ist es in Brasilien nicht: Die Gewalt ist ungefähr 100 mal schlimmer als in Deutschland, mit über 60.000 Morden pro Jahr. In Frankreich hatte man schon wegen des Bataclan Attentats den Ausnahmezustand ausgerufen, und das war ein Kinderspiel im Gegensatz zu dem, was hier vor sich geht. Es ist tragisch, dass die demokratischen Regierungen Milizen und Drogensyndikate tolerieren, oder wie in Rio de Janeiro, sogar mit ihnen zusammenarbeiten, um Geld und Stimmen zu bekommen.



    In Rio de Janeiro hat das Militär während der WM und den olympischen Spielen für Sicherheit gesorgt und 2018 endlich die Sicherheit für die Stadt aus den Händen korrupter Verwalter und Polizeichefs übernommen. Niemand hat sich beschwert.

  • Deutschland hat ja auch kein Bundeskultusministerium, oder? Österreich auch nicht, da ist das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. In Brasilien werden inzwischen jeden Tag so viele Menschen ermordet, wie in Deutschland in 100 Tagen. Kultur in Rio bedeutet leider auch, dass Gangster im Internet sich mit ihren Machinengewehren zur Schau stellen. Da könnte man doch ruhig mal die Bildungs- und Kulturpolitik ein bischen überdenken. Einige von denen, die da jammern, haben natürlich recht, ihre Pfründe trocknen aus, weil das Land pleite ist. Das ist aber nicht die Schuld der nächsten Regierung, sondern der der letzten 16 Jahre! Und überhaupt, Fussball! Die WM hat Milliarden gekostet die zu einem grossen Teil in den Taschen korrupter Politiker gelandet sind. Der letzte Gouverneur von Rio de Janeiro sitzt in Untersuchungshaft, der vorletzte ist zu gesamt 180 Jahren Haft verurteilt.In Frankreich hatte man Ausnahmezustand wegen des Bataclan-Attentats, das aber nur einen winzigen Bruchteil der Opfer gefordert hat. Die Idee ist völlig demokratisch. Bei der WM und der Olympiade in Rio deJaneiro musste das Militär für Sicherheit sorgen, in de letzten Monaten gab es auch eine Art Ausnahmezustand in Rio, das Militär hat die Kontrolle über die korrupten Polizeieinheiten aus den Händen der korrupten Politiker übernommen. Die Kriminalität ging erstmals ein bischen zurück. Als Deutscher bin ich total gegen Nationalismus, aber Brasilien ist in unzählige Stämme und Parteien gespalten, die alle nur auf ihr eigenes Wohl aus sind. Da würde es wohltun, etwas mehr an die Nation zu denken, also im demokratischen Sinne, überparteilich.

  • Na, dann wird es mal Zeit, dass sich die Sportredaktion dahinterklemmt, was denn die brasilianischen Spieler der Bundesliga so denken über ihren neuen Staatschef.