Brasiliens Ex-Präsident aus Haft entlassen: Lula ist frei
Luiz Inácio Lula da Silva darf sein Berufungsverfahren nun in Freiheit abwarten – einen Freispruch von der Korruption bedeutet seine Entlassung aber noch lange nicht.
Der frühere Staatschef wurde von zahlreichen Anhängern begeistert empfangen, als er an der Seite seiner Anwälte und der Vorsitzenden seiner Arbeiterpartei (PT), Gleisi Hoffmann, aus dem Tor der Polizeizentrale trat. „Lula ist frei, Lula ist frei“, skandierte die Menge. Er streckte eine geballte Faust zum Himmel und umarmte viele Menschen.
„Der verfaulte Teil des brasilianischen Staates, der Justiz, der Abgeordneten, der Staatsanwaltschaft und der Polizei versucht die Linke, die Arbeiterpartei und Lula zu kriminalisieren“, sagte er in seiner Rede. Er dankte seinen Anhängern, die 19 Monate vor dem Polizeipräsidium von Curitiba ausgeharrt und seine Freiheit gefordert hatten. „Ihr wart die Nahrung der Demokratie, die mich hat durchhalten lassen“, rief er den Menschen zu.
Zuletzt hatte der Oberste Gerichtshof entschieden, dass in erster und zweiter Instanz verurteilte Straftäter bis zur Ausschöpfung aller möglichen Rechtsmittel auf freiem Fuß bleiben dürfen. Weil die Unschuldsvermutung bis zur Ausschöpfung aller Rechtsmittel gelte, sei eine vorzeitige Inhaftierung unzulässig, urteilten die Richter. Damit machten sie den Weg frei für die Freilassung von Tausenden Verurteilten – darunter auch Lula.
Lula galt als Lichtgestalt der Linken
Wegen Korruption verbüßt der frühere Staatschef derzeit eine achtjährige Freiheitsstrafe. Er soll von dem Bauunternehmen OAS die Renovierung eines Luxus-Appartements im Küstenort Guarujá angenommen haben und der Firma im Gegenzug Auftrage des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras in Aussicht gestellt haben. Lula dementiert die Anschuldigungen und spricht von einer politischen Verschwörung gegen ihn.
Lula galt lange Zeit als Lichtgestalt der lateinamerikanischen Linken. Mit Sozialprogrammen holte er Millionen Menschen aus der bittersten Armut. Auch wirtschaftlich boomte Brasilien während seiner Amtszeit (2003-2010). Allerdings blühte unter seiner Präsidentschaft auch die Korruption in der größten Volkswirtschaft in der Region.
Im Zuge der Ermittlungen zum größten Korruptionsskandal Lateinamerikas, „Lava Jato“ (Autowäscherei), um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras wird in Brasilien gegen Dutzende Politiker, Funktionäre und Unternehmer ermittelt
Aufgrund seiner Verurteilung konnte Lula im vergangenen Jahr nicht an der Präsidentenwahl teilnehmen, bei der der populäre Linkspolitiker laut Umfragen gute Chancen auf eine Rückkehr ins höchste Staatsamt gehabt hätte. Stattdessen zog der ultrarechte Ex-Militär Jair Bolsonaro in den Präsidentenpalast ein. Zu seinem Justizminister machte er Sérgio Moro – jenen Richter, der Lula hinter Gitter gebracht hatte.
„Ich gehe hier ohne Hass. Mit 74 Jahren ist in meinem Herzen nur Platz für die Liebe, denn die Liebe wird in diesem Land siegen“, sagte Lula. „Dem Minister Moro will ich sagen: Sie haben keinen Mann festgenommen, sondern versucht, eine Idee zu töten. Aber diese Idee verschwindet nicht und ich möchte weiter für sie kämpfen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?