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Brandenburgs Agrarminister Axel VogelGrüner bei rechtsoffenen Bauern

Brandenburgs Agrarminister kooperiert mit den Freien Bauern. Die Gruppe toleriert eine rechtsextreme Parole und Fahnen einer antisemitischen Bewegung.

… wird Sturm ernten: Am Brandenburger Tor in Berlin demonstrierten die „Freie Bauern“ im Januar auch Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Brandenburgs grüner Agrarminister Axel Vogel arbeitet mit Bauernlobbyisten zusammen, deren Verhalten gegenüber Rechtsextremen umstritten ist. Der Politiker habe bei einem Hofbesuch „mit ebenfalls vertretenen Vorstandsmitgliedern des Bauernbundes Brandenburg übereinstimmende Positionen zur angepassten klimafreundlichen Grünlandnutzung auf Moorstandorten festgestellt und auch öffentlich kommuniziert“, teilte sein Ministerium auf Anfrage der taz mit. Vogel habe auch an Mitgliederversammlungen des Verbands teilgenommen.

Der Bauernbund ist aber nach eigenen Angaben „Herz“, „treibende Kraft“ und Gesellschafter der nicht gemeinnützigen Lobbyfirma Freie Bauern Deutschland GmbH. Die gemeinnützige Londoner Denkfabrik Institute for Strategic Dialogue wirft den Freien Bauern in einer im Februar veröffentlichten Studie zum Beispiel ihre Position zur schwarzen Fahne mit weißem Pflug und blutroten Schwert der gewalttätigen Landvolk-Bewegung aus den 1920er Jahren vor. „Die Bewegung und das Emblem stehen historisch betrachtet für eine nationalistische ‚Blut und Boden‘-Ideologie, die antisemitische und antidemokratische Haltungen propagiert“, so die Analyse. Dennoch erklärten die Freien Bauern 2020, wenn heute bei Bauernprotesten die Landvolkfahne gezeigt werde, brauche sich „niemand dafür zu schämen“.

Das Institut kritisierte auch „populistische und verschwörungsideologische Gesinnungen“ auf einer Kundgebung der Freien Bauern in Berlin. Anthony Lee, Sprecher des Vereins Landwirtschaft verbindet Deutschland (LSV) und Europawahlkandidat der Freien Wähler, habe in seiner Rede bei der Versammlung im Januar die deutsche Gesellschaft als „krank“ bezeichnet und die Medien beschuldigt, „Hetze“ gegen Landwirte zu schüren. „Er wiederholte Weltuntergangsszenarien, die typisch für rechtspopulistische Rhetorik sind,“ so die ExpertInnen. Die taz hatte bereits berichtet, dass Lee bei der Demonstration wahrheitswidrig behauptete, Deutschland zahle „10 Milliarden Euro für den Aufbau eines Katasteramts in Kolumbien“. Das Entwicklungsministerium hatte das dementiert.

Verschwörungsideologien und „Klimaskepsis“

Bei einer Veranstaltung unter führender Beteiligung von bekannten Freien Bauern im September 2023 mit radikalen Rechten wie Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und dem Autor Markus Krall wurden Verschwörungsmythen propagiert und der menschengemachte Klimawandel geleugnet. Bei einer unter anderem von den Freien Bauern organisierten Kundgebung in Hannover am 7. Februar durfte auch ein AfD-Politiker eine Rede halten. Mehrmals ließ sich der Verband von der zumindest in großen Teilen rechtsextremen Partei als Sachverständiger zu Bundestagsanhörungen holen.

Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) Foto: Frank Hammerschmidt/dpa

Ein führender Mitarbeiter des Bauernbunds und der Freien Bauern, Reinhard Jung, tolerierte auch, dass bei einer Demo der Freien Bauern im Januar in Berlin zwei Protestierende ein Banner mit der rechtsextremen Aufschrift „Eure Demokratie ist unser Volkstod“ zeigten. Dazu befragt, sagte Jung der taz vor Ort: „Wenn da ­irgendein Hansel mit einem Plakat rumsteht … Ich werde ja jetzt nicht jedes Plakat kontrollieren.“

In Niedersachsen weigerten sich die Freien Bauern mehr als 6 Wochen lang, eine Erklärung zu unterzeichnen, die Proteste mit Galgen und vor Politiker-Privathäusern verurteilt. Erst nach öffentlichem Druck, unter anderem durch den niedersächsischen Ministerpräsidenten Ste­phan Weil (SPD), unterschrieben sie die Erklärung schließlich. Die ökologisch orien­tierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisierte das als „unglaubwürdig“.

Zudem stellten die Freien Bauern agrarpolitisch radikale Forderungen auf wie die „Rücknahme aller Dünge-, Pflanzenschutz- und Tierhaltungsregeln, die uns seit 2017 ideologisch bevormunden“. Jung kritisierte als Bauernbund-Geschäftsführer angeblichen „Ökoterror“.

Ministerium fordert Demokratiebekenntnis

Zu solchen Vorwürfen von der taz befragt, argumentiert das Agrarministerium in Potsdam, es arbeite nicht mit „dem Bundesvorstand“ der Freien Bauern zusammen. „Anders ist es mit dem Bauernbund Brandenburg“.

Doch die Freien Bauern können als GmbH gar keinen „Bundesvorstand“ haben, wie man ihn von Vereinen kennt. Die Firma hat laut Handelsregister nur Geschäftsführer.

In Wirklichkeit sind Bauernbund Brandenburg und Freie Bauern kaum zu unterscheiden: Bauernbund-Präsident Marco Hintze ist ebenfalls Geschäftsführer der Freien Bauern. Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung zieht bei den Freien Bauern als „Referent für Politik und Medien“ sowie als Gesellschafter die Strippen. Das Agrarministerium in Potsdam hatte in seiner Einladung zu besagtem Treffen zum Moorschutz Ende Juni 2023 denn auch geschrieben, dass Vogel „gemeinsam mit den Freien Bauern den Hof“ besuchen werde. Er werde dort zusammen mit „dem Präsidenten der Freien Bauern Brandenburg, Marco Hintze, für Statements zur Verfügung“ stehen. Vom Bauernbund war keine Rede.

Wohl deshalb verteidigte das Brandenburger Agrarministerium seine Kooperation mit dem Bauernbund auch damit, dass ebenfalls andere Verbände (Ampel-)Galgen und „Die Ampel muss weg“-Plakate verharmlost und relativiert hätten. Allerdings habe sich der Landesbauernverband nach einer entsprechenden Äußerung später von gewalttätigen und bedrohlichen Aktionen distanziert. „Wir erwarten auch vom Bauernbund Brandenburg und der in Brandenburg ebenfalls aktiven Organisation ‚Land schafft Verbindung‘, sich klar und eindeutig Gewalt, Nötigung und Gefährdung entgegenzustellen und so zu dokumentieren, dass sie auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen“, schrieb das Ministerium.

Die Freien Bauern sind zwar mit nach eigenen Angaben rund 1.900 Mitgliedern eine Splitterorganisation – der Deutsche Bauernverband vertritt seinen Zahlen zufolge knapp 90 Prozent der 255.000 Agrarbetriebe hierzulande. Aber die Freien Bauern sind etwa bei den jüngsten Bauernprotesten gegen die Streichung der Agrardieselsubventionen von Medien mehrmals zitiert worden. Sie sind bei vielen Demonstrationen aufgetreten und tragen durch einen sehr offensiven Stil zur Radikalisierung mancher Bauern bei.

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10 Kommentare

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  • Auch die FREIEN BAUERN dürfen demonstrieren. Aber unbewaffnet.



    Ein Unding, daß eine radikale Minderheit, besser ausgerüstet als die Verteidiger der Demokratie (hier die Polizei) unbehelligt aufmaschierien darf.



    Die vermummen sich sich nicht.



    Richtig.



    Aber haben auch nichts zu befürchten. Das ist der springende Punkt.



    Nazis sind Nazis. Auch wenn sie sich als Bauern verkleiden.

  • Zu diesen aktuellen Entwicklungen der letzten Jahre kann ich nicht viel sagen. Wir haben aber früher bei den Anti-Monsanto Kampagnen mit dem Bauernbund zusammengearbeitet.

    Axel Vogel habe schon ich als Leiter des BR Schorfheide-Chorin kennengelernt und halte ihn für einen durchaus integren Menschen, grünes Urgestein.

    Was die Übernahme eines Ministerpostens für einen Menschen bedeutet weiss ich auch nicht. Fest steht, dass es einfacher ist Leserbriefe zu schreiben als ein Ministerium zu leiten. Dort wird er mit Menschen und Gruppen reden müssen, um Kompromisse zu finden für seine Ziele.

    Die Liste der Menschen und Gruppen mit denen "man" eigentlich nicht reden sollte, wird in Deutschland und weltweit immer länger. Der Einfluss unserer demokratischen Normen und Werte reziprok immer kleiner.

    "Schmuddelkinder" ausgrenzen ist eine feine Sache...wenn sie sich dadurch nicht vermehren. Ich selbst halte es jetzt auch so, weil ich mir die Belastung der Konfrontation erspare, die mir jedes Mal die Laune verdirbt.

    Allerdings bin ich weit davon entfernt zu glauben, dass das der richtige Weg ist.

    Die Parolen und Aussagen, die hier von Jost Maurin zitiert werden finde ich zum k..... Ich fürchte nur diese Rattenfänger greifen die Sehnsucht vieler Menschen nach einfachen Lösungen geschickt auf, und müssen ja auch keine stringenten Lösungen für allerlei lästige Probleme anbieten.

  • „wenn heute bei Bauernprotesten die Landvolkfahne gezeigt werde, brauche sich niemand dafür zu schämen“ – sagen Traktornazis.



    „Sie verwenden Flaggen, um erst die Hirne der Leute luftdicht einzuwickeln und echtes Nachdenken zu ersticken und dann, um sie als feierliche Leichentücher über die verstümmelten Toten zu breiten“ – sagt Arundhati Roy.



    Aber das verstünden die ersteren nicht.

  • Ja was ist jetzt schlauer, diese Gruppe von Bauern ignorieren, den Kontakt abbrechen und sie rechten Parteien überlassen, sie sich noch mehr radikalisieren lassen? Oder vielleicht mit ihnen Reden und sie vielleicht von etwas anderem Überzeugen, ihnen zeigen, dass ihr Hass auf Grüne vielleicht unbegründet ist, sie vielleicht sogar von mehr Umweltschutz überzeugen?



    Ich würde die zweite Variante bevorzugen

  • Rücktritt sofort!

  • Die wichtigste Fahne der antisemitischen Bewegung habt ihr aber vergessen. Diese ist im Bild zu sehen.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Lesen Sie mal nach, welche Flaggen im dritten Reich geweht haben und welche nicht.

      • @Fairchild670:

        Ist ja nicht so, als ob Antisemitismus nur auf das Dritte Reich beschränkt ist. Wenn ich aber rechte Bauern aus dem 21. Jahrhundert sehe, die ihre Traktoren mit Schwarz, Rot und Gold verzieren, und keiner sagt etwas dagegen, wird es mir mulmig.

        • @Troll Eulenspiegel:

          Gegen diese Bauern wird wahrlich nicht zu wenig gesagt und geschrieben. Sie hatten sich allerdings nur auf die schwarz-rot-goldene Fahne bezogen. Ich bin gespannt auf Ihre Erklärung, warum diese per se für Antisemitismus steht.

          • @Fairchild670:

            Gerne.

            Nach den Gräueltaten der Nazis sollte es eine Mindestentschädigung sein, dass jüdische Menschen wieder frei in Deutschland leben dürfen. Auslebung der Religion, Tragen von jüdischen Symbolen in der Öffentlichkeit, usw.

            Ja, die Synagogen standen wieder. Aber Religion wurde lieber hinter verschlossenen Türen gelebt. Kein sichtbares Tragen der Kippa. Keine Talmud-Verkäufer in den Fußgängerzonen. Der Fall war klar: Noch immer zuviel Antisemitismus. Noch immer zuviele Anfeindungen. Alles unter Schwarz, Rot und Gold. Der Staat hat versagt, den Bürger philosemitisch zu erziehen.