Brandenburgs Agrarminister Axel Vogel: Grüner bei rechtsoffenen Bauern
Brandenburgs Agrarminister kooperiert mit den Freien Bauern. Die Gruppe toleriert eine rechtsextreme Parole und Fahnen einer antisemitischen Bewegung.
Der Bauernbund ist aber nach eigenen Angaben „Herz“, „treibende Kraft“ und Gesellschafter der nicht gemeinnützigen Lobbyfirma Freie Bauern Deutschland GmbH. Die gemeinnützige Londoner Denkfabrik Institute for Strategic Dialogue wirft den Freien Bauern in einer im Februar veröffentlichten Studie zum Beispiel ihre Position zur schwarzen Fahne mit weißem Pflug und blutroten Schwert der gewalttätigen Landvolk-Bewegung aus den 1920er Jahren vor. „Die Bewegung und das Emblem stehen historisch betrachtet für eine nationalistische ‚Blut und Boden‘-Ideologie, die antisemitische und antidemokratische Haltungen propagiert“, so die Analyse. Dennoch erklärten die Freien Bauern 2020, wenn heute bei Bauernprotesten die Landvolkfahne gezeigt werde, brauche sich „niemand dafür zu schämen“.
Das Institut kritisierte auch „populistische und verschwörungsideologische Gesinnungen“ auf einer Kundgebung der Freien Bauern in Berlin. Anthony Lee, Sprecher des Vereins Landwirtschaft verbindet Deutschland (LSV) und Europawahlkandidat der Freien Wähler, habe in seiner Rede bei der Versammlung im Januar die deutsche Gesellschaft als „krank“ bezeichnet und die Medien beschuldigt, „Hetze“ gegen Landwirte zu schüren. „Er wiederholte Weltuntergangsszenarien, die typisch für rechtspopulistische Rhetorik sind,“ so die ExpertInnen. Die taz hatte bereits berichtet, dass Lee bei der Demonstration wahrheitswidrig behauptete, Deutschland zahle „10 Milliarden Euro für den Aufbau eines Katasteramts in Kolumbien“. Das Entwicklungsministerium hatte das dementiert.
Verschwörungsideologien und „Klimaskepsis“
Bei einer Veranstaltung unter führender Beteiligung von bekannten Freien Bauern im September 2023 mit radikalen Rechten wie Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und dem Autor Markus Krall wurden Verschwörungsmythen propagiert und der menschengemachte Klimawandel geleugnet. Bei einer unter anderem von den Freien Bauern organisierten Kundgebung in Hannover am 7. Februar durfte auch ein AfD-Politiker eine Rede halten. Mehrmals ließ sich der Verband von der zumindest in großen Teilen rechtsextremen Partei als Sachverständiger zu Bundestagsanhörungen holen.
Ein führender Mitarbeiter des Bauernbunds und der Freien Bauern, Reinhard Jung, tolerierte auch, dass bei einer Demo der Freien Bauern im Januar in Berlin zwei Protestierende ein Banner mit der rechtsextremen Aufschrift „Eure Demokratie ist unser Volkstod“ zeigten. Dazu befragt, sagte Jung der taz vor Ort: „Wenn da irgendein Hansel mit einem Plakat rumsteht … Ich werde ja jetzt nicht jedes Plakat kontrollieren.“
In Niedersachsen weigerten sich die Freien Bauern mehr als 6 Wochen lang, eine Erklärung zu unterzeichnen, die Proteste mit Galgen und vor Politiker-Privathäusern verurteilt. Erst nach öffentlichem Druck, unter anderem durch den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD), unterschrieben sie die Erklärung schließlich. Die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisierte das als „unglaubwürdig“.
Zudem stellten die Freien Bauern agrarpolitisch radikale Forderungen auf wie die „Rücknahme aller Dünge-, Pflanzenschutz- und Tierhaltungsregeln, die uns seit 2017 ideologisch bevormunden“. Jung kritisierte als Bauernbund-Geschäftsführer angeblichen „Ökoterror“.
Ministerium fordert Demokratiebekenntnis
Zu solchen Vorwürfen von der taz befragt, argumentiert das Agrarministerium in Potsdam, es arbeite nicht mit „dem Bundesvorstand“ der Freien Bauern zusammen. „Anders ist es mit dem Bauernbund Brandenburg“.
Doch die Freien Bauern können als GmbH gar keinen „Bundesvorstand“ haben, wie man ihn von Vereinen kennt. Die Firma hat laut Handelsregister nur Geschäftsführer.
In Wirklichkeit sind Bauernbund Brandenburg und Freie Bauern kaum zu unterscheiden: Bauernbund-Präsident Marco Hintze ist ebenfalls Geschäftsführer der Freien Bauern. Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung zieht bei den Freien Bauern als „Referent für Politik und Medien“ sowie als Gesellschafter die Strippen. Das Agrarministerium in Potsdam hatte in seiner Einladung zu besagtem Treffen zum Moorschutz Ende Juni 2023 denn auch geschrieben, dass Vogel „gemeinsam mit den Freien Bauern den Hof“ besuchen werde. Er werde dort zusammen mit „dem Präsidenten der Freien Bauern Brandenburg, Marco Hintze, für Statements zur Verfügung“ stehen. Vom Bauernbund war keine Rede.
Wohl deshalb verteidigte das Brandenburger Agrarministerium seine Kooperation mit dem Bauernbund auch damit, dass ebenfalls andere Verbände (Ampel-)Galgen und „Die Ampel muss weg“-Plakate verharmlost und relativiert hätten. Allerdings habe sich der Landesbauernverband nach einer entsprechenden Äußerung später von gewalttätigen und bedrohlichen Aktionen distanziert. „Wir erwarten auch vom Bauernbund Brandenburg und der in Brandenburg ebenfalls aktiven Organisation ‚Land schafft Verbindung‘, sich klar und eindeutig Gewalt, Nötigung und Gefährdung entgegenzustellen und so zu dokumentieren, dass sie auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen“, schrieb das Ministerium.
Die Freien Bauern sind zwar mit nach eigenen Angaben rund 1.900 Mitgliedern eine Splitterorganisation – der Deutsche Bauernverband vertritt seinen Zahlen zufolge knapp 90 Prozent der 255.000 Agrarbetriebe hierzulande. Aber die Freien Bauern sind etwa bei den jüngsten Bauernprotesten gegen die Streichung der Agrardieselsubventionen von Medien mehrmals zitiert worden. Sie sind bei vielen Demonstrationen aufgetreten und tragen durch einen sehr offensiven Stil zur Radikalisierung mancher Bauern bei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite