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Brand in JVA KleveDie Aufklärung des „Suizids“ beginnt

Der Flüchtling Amad A. verbrannte im Gefängnis – die Suizidthese der Behörden ist unglaubwürdig. Jetzt kommt ein Untersuchungsausschuss.

Dort starb Amad A.: die Tür zur Zelle 143 in der Klever Justizvollzugsanstalt Foto: dpa

Düsseldorf taz | Im Fall des monatelang zu Unrecht inhaftierten und danach in seiner Zelle verbrannten syrischen Bürgerkriegsflüchtlings Amad A. soll ein Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags an diesem Donnerstag seine Arbeit aufnehmen.

Obwohl mit NRW-Justizminister Peter Biesenbach und Landesinnenminister Herbert Reul zwei Christdemokraten in dem Fall in politischer Verantwortung stehen, wird nach den Regeln des Düsseldorfer Parlaments ein Abgeordneter der CDU als stärkster Fraktion den Ausschuss leiten: Vorsitzender wird der Neusser Rechtsanwalt Jörg Geerlings.

De 26-jährige Amad A. war bei einem Brand in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Kleve am 17. September so schwer verletzt worden, dass er zwölf Tage später nach einer Lungentransplantation starb. Verbrannt waren auch mehr als 40 Prozent seiner Haut. Erst nach seinem Tod hatten die Minister Biesenbach und Reul bekannt gemacht, dass der Mann aus Aleppo als Opfer einer Verwechselung monatelang widerrechtlich eingesperrt worden war: Ein von der der Staatsanwaltschaft Hamburg gesuchter Afrikaner benutzte einen ähnlichen Tarnnamen.

Der Düsseldorfer Untersuchungsausschuss soll nicht nur klären, wie Justiz und Polizei den Syrer mit einem völlig anders aussehenden Mann aus Mali verwechseln konnten. Die Landtagsopposition aus SPD und Grünen will auch die genauen Umstände des Brandes untersuchen.

Offiziell ein Suizid

Nach offizieller Darstellung von Staatsanwaltschaft und Justizministerium soll Amad A. am Abend des 17. September gegen 19 Uhr selbst einen Haufen aus Decken, Bettlaken und seiner Matratze angezündet haben. Bei geschlossenem Fenster soll der Haufen dann etwa eine Viertelstunde gebrannt haben. Erst danach soll der junge Mann über die Gegensprechanlage der JVA um Hilfe gerufen haben. Für das Ministerium des Christdemokraten Biesenbach ist der Tod des Syrers ein tragischer, aber kaum zu verhindernder Suizid.

Brandgutachter, die diesen Ablauf im Auftrag des ARD-Fernsehmagazins Monitor überprüft haben, widersprechen: „Der Brand, so wie er beschrieben ist von der Staatsanwaltschaft, ist so nicht möglich“, sagt Korbinian Pasedag vom Institut für Brand- und Löschforschung. Ohne Luft- und Sauerstoffzufuhr sei ein derart heftiges Feuer nicht denkbar. Auch sei unglaubwürdig, dass Amad A. nach 15 Minuten in der völlig verqualmten, mit giftigen Gasen gefüllten Zelle überhaupt noch in der Lage gewesen sein soll, selbst Hilfe zu rufen.

Es steht zumindest der Verdacht der unterlassenen Hilfeleistung im Raum.

Genährt wird damit nicht nur der Verdacht, dass Fenster oder Tür der Zelle geöffnet gewesen sein müssen – und die Hilferufe des Bürgerkriegsflüchtlings eher zu hören waren als offiziell eingeräumt. Unklar bleibt auch, in welchem Zustand die Justizmitarbeiter den Schwerverletzten auffanden. In internen Protokollen heißt es offenbar, Amad A. sei aus dem Haftraum „gezogen“ worden. In einem späteren Bericht steht dagegen: „Der Gefangene taumelte den Bediensteten nach Aufschluss der Haftraumtür entgegen.“

Suizid-These wackelt

Damit wackelt die Suizid-These von Minister Biesenbach. Es steht zumindest der Verdacht der unterlassenen Hilfeleistung im Raum. Von einem „Polizei- und Justizskandal“ spricht der rechtspolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Stefan Engstfeld. Und SPD-Fraktionsvize Sven Wolf wirft den Behörden vor, Fehler „verdecken“ zu wollen.

Zweifelhaft bleibt, wie ernsthaft die Christdemokraten aufklären wollen. Erst nach massiven Protesten nahm die CDU den Vorschlag zurück, den Abgeordneten Günther Bergmann zu ihrem Sprecher im Untersuchungsausschuss zu machen – dabei sitzt Bergmann auch im Beirat der JVA Kleve und versteht sich offenbar als Interessenvertreter der Beschäftigten.

Auf seiner Homepage präsentiert Bergmann seit Montag stolz ein Foto, dass ihn mit einer „Delegation von Mitarbeitern aller Bereiche der Justizvollzugsanstalt Kleve“ zeigt, die ihn im Landtag besucht hat. „Zufällig“ zu dem Treffen stieß auch Justizminister Biesenbach. Ob und wie er dabei mögliche Zeugen beeinflusst hat, ist noch nicht bekannt.

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2 Kommentare

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  • Am einfachsten wäre einige arabisch sprechende Häftlinge, die kurz danach entlassen wurden, dazu zu befragen (Schade, dass die Journalisten sich dafür zu schade sind... ). Ich war z.B. 2014 in der JVA Moabit in Berlin, im Sommer flohen von dort zwei Männer - wir Häftlinge kannten mehr Einzelheiten, als später in der Presse zu lesen war (die Darstellungen waren nicht plausibel, da sie von der Anstaltsleitung aus Vertuschungsgründen falsch informiert wurden).



    Meine Mutmaßung zum Brand: Ein junger Mann kommt erstmalig in U-Haft (das alleine ist schon sehr traumatisch), und dies auch noch unschuldig! Natürlich hat er die Vollzugsbeamten und Sozialarbeiter ständig darauf aufmerksam gemacht... aus ihrer Sicht "genervt" - es gibt garnicht so wenig Beamte, die ihre Arbeit nicht "pflichtbewusst" machen, da sie keine Folgen fürchten müssen - sollte mal etwas Ernstes passieren, wird, wie auch oft bei der Polizei gerne vertuscht. Das ist auch im Interesse der Vorgesetzten. Dies setzte dem Syrer psychisch sicher noch mehr zu. Nun könnte noch folgendes eine Rolle gespielt haben: festgenommen wurde er fälschlicherweise wegen sexueller Beleidigung (lt. SZ). Nach Berichten über echte und vermeintliche massenhafte sexuelle Übergriffe von Flüchtlingen auf "weiße" Frauen in den letzten Jahren, könnten sich Vollzugsbeamte dazu berufen gefühlt haben, ihm das Leben aus diesem Grund zusätzlich schwerer zu machen - sie kennen die Haftgründe. Im Übrigen kommt es auch in anderen Situationen vor. Im Ganzen gehe ich tatsächlich vom Selbstmordversuch aus, auf den Seitens des diensthabenden Beamten nicht reagiert wurde. Amad hatte es sich wohl wieder anders überlegt, und betätigte den Ruf-Knopf. Die Beamten haben aber ab 18h nicht mehr den "Elan" sich viel zu bewegen, weil in dieser Schicht (bis 6h) Nachtverschluss ist - also eine "easy" Schicht, und kaum Zeugen, da der Vollzugsdienst da eine kleinere Besetzung vorsieht. Da kann man fernsehen, lesen, pennen... kein Witz

  • Die Frage der Brandursache muss ebenfalls geklärt werden, wie z.B. ob Brandbeschleuniger eingesetzt wurde und damit ein Mord geschah, wie schon im Fall von Oury Jalloh in Dessau. Rassistische Energien gibts in Polizei und Justiz zu Hauf.