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Bombardierte Gaza-FreiheitsflottilleConscience treibt im Mittelmeer vor Malta

Ein Schiff mit Nahrung für den abgeriegelten Gazastreifen wurde mit Drohen attackiert. Die Freedom Flotilla Coalition macht Israel verantwortlich.

Die beschädigte „Conscience“ ankert vor Malta Foto: Darrin Zammit Lupi/Reuters

Beirut taz | Israels Militär blockiert seit über zwei Monaten lebenswichtige Essenslieferungen nach Gaza und hungert die Bevölkerung systematisch aus. Menschen aus über 20 Ländern haben sich deshalb zusammen getan, um mit Schiffen selbst Essen in den Küstenstreifen bringen. Am Freitag wurde ein solches Schiff Ziel eines Drohnenngriffs.

Die Freedom Flotilla Coalition (FFC) hatte vergangenes Jahr drei Schiffe mit 5.500 Tonnen Hilfsgütern organisiert. Zwei wurden von Israel, den USA und der Türkei an der Weiterfahrt gehindert, nur das kleinste freigegeben. Vergangene Woche dann startete die Conscience, am Wochenende sollten weitere Hel­fe­r*in­nen dazu steigen, darunter auch die schwedische Aktivistin Greta Thunberg. Bevor es jedoch dazu kommen konnte, wurde die Conscience am Freitag von zwei Drohnen angegriffen. Der Beschuss sprengte ein Loch in das Schiff und setzte den Motor in Brand. Seitdem liegt das Schiff vor Malta.

Als Freiwillige am Samstag versuchten, den Menschen an Bord zu helfen, hätten maltesische Streitkräfte ihre Boote gestoppt und ihnen mit Verhaftung gedroht, berichtet die Gruppe. Vier Personen an Bord seien leicht verletzt. Medizinische Versorgung sei nicht gewährt worden. Zwar schickten die maltesischen Sicherheitskräfte ein Rettungsboot, hätten die Crew jedoch zum Verlassen des Schiffes aufgefordert. „Damit hatte die Conscience rechtlich keine Garantie für die Sicherheit unseres Schiffes“, so FFC.

Die maltesische Regierung verweigerte zunächst die Einfuhr des Schiffes in maltesische Gewässer. Am Sonntag erklärte sie dann, logistische Unterstützung leisten zu wollen. Die Gruppe sagt, sie wolle in Malta anlegen – für Reparaturen und Gutachter-Untersuchungen. Das Ziel sei weiter, die Mission fortzusetzen. Es brauche von der maltesischen Regierung die Garantie, dass die „friedliche Reise nach Gaza in keiner Weise behindert wird.“ FFC versucht seit über 15 Jahren die israelische Gaza-Blockade zu durchbrechen. 2010 wurde das von der FFC organisierte Hilfsschiff Mavi Marmara vom israelischen Militär angegriffen, 10 Helfer wurden dabei getötet.

Nahost-Konflikt

Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 startete das israelische Militär eine Offensive in Gaza, 2024 folgte der Vorstoß gegen die Hisbollah im Libanon. Der Konflikt um die Region Palästina begann Anfang des 20. Jahrhunderts.

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Mögliches Kriegsverbrechen

Auch diesmal gibt es Indizien dafür, dass Israel hinter dem Angriff steckt. Eine C-130 Hercules der israelischen Luftwaffe sei Stunden vor dem Angriff in Richtung Malta geflogen, berichtet der Sender CNN. Flugdaten zeigen, dass die Maschine längere Zeit in niederiger Höhe über Ost-Malta geflogen ist. Das israelische Militär lehnt eine Stellungnahme ab.

Die Bombardierung eines zivilen Schiffs in internationalen Gewässern kann ein Kriegsverbrechen darstellen. „Es ist ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht“, sagte Craig Murray, ehemaliger britischer Diplomat und Spezialist für maritime Rechtsfragen, dem katarischen Sender Al-Jazeera am Sonntag. Es gebe eine „massive Heuchelei“ der westlichen Regierungen, „die in der Praxis den Völkermord unterstützen.“

Im Gazakrieg, bei dem unter anderem NGOs wie Amnesty International von Genozid sprechen, wurden bislang über 52.400 Menschen getötet, zählt das palästinensische Gesundheitsministerium. Mehr als 10.000 werden noch unter Trümmern vermutet, viele Tote durch Hunger oder Krankheiten wurden noch nicht gezählt. Israel bombardiert das Gebiet täglich, keines der Krankenhäuser ist voll funktionstüchtig.

Gaza war bereits vor dem 7. Oktober 2023 unter israelischer Blockade. Seit dem 2. März diesen Jahres wird die Einfuhr von Hilfsgütern komplett blockiert. Aktuelle Fotos zeigen abgemagerte Kinder und Menschen mit leeren Töpfen an Essensausgaben. Laut Unicef sind über 9.000 Kinder bereits akut unterernährt. „Seit zwei Monaten sind Kinder im Gazastreifen unerbittlichen Bombardierungen ausgesetzt und erhalten keine lebenswichtige Güter und Hilfe“, sagte Unicef-Direktorin Catherine Russell am Freitag. „Das ist durch nichts zu rechtfertigen.“

„Da es an politischem Willen mangelt, bleiben wir unserem Handeln als Weltbürger verpflichtet“, sagt FFC-Organisatorin Yasemin Acar. „Jeder Tag ohne Untersuchung verzögert die Hilfe und verweigert Gerechtigkeit.“

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