Boko Haram in Nigeria: Feuer frei auf Trauergemeinde
Pünktlich zum 10. Jahrestag ihres Krieges begeht Nigerias islamistische Terrorgruppe Boko Haram eines ihrer größten Massaker seit Monaten.
23 Menschen starben bei diesem Massaker. Berichten zufolge machten sich die Dorfbewohner danach auf die Jagd nach den Angreifern und es wurden weitere 42 von ihnen getötet.
Muhammed Bulama, Vorsitzender des Kreisrats von Nganzai, in dem Badu liegt, bezeichnete den Überfall als Racheangriff. Boko Haram habe Badu bereits vor zwei Wochen überfallen und sei dann von den Dorfbewohnern zurückgeschlagen worden. Diese hätten elf Terroristen getötet und zahlreiche Waffen erbeutet.
Nigerias Präsident Muhammadu Buhari erklärte am Sonntag, Boko Haram werde einen „hohen Preis“ für das Massaker zahlen. „Diese Regierung ist entschlossen, der terroristischen Bedrohung ein Ende zu setzen“, sagte Buhari. Armee und Luftwaffe seien bereits auf der Suche nach den Angreifern.
Nie wirklich besiegt
Das ist alles eher peinlich für einen Präsidenten, der 2015 mit dem Versprechen gewählt worden war, Boko Haram zu besiegen, und der dieses Jahr wiedergewählt worden ist.
Boko Haram war vor genau zehn Jahren in den Untergrund gegangen: Ende Juli 2009 stürmte die Armee das damalige Hauptquartier von Boko Haram in der nordostnigerianischen Provinzhauptstadt Maiduguri und tötete den Anführer Mohammed Yusuf sowie Hunderte seiner Anhänger.
Unter Führung des radikalen Yusuf-Schülers Abubakar Shekau wandelte sich Boko Haram danach von einer religiösen Sekte zu einer bewaffneten Gruppe und übernahm ab 2013 zunehmend die territoriale Kontrolle im besonders armen Nordostnigeria.
Angesichts der Ausbreitung des Krieges in benachbarte Gebiete von Kamerun, Tschad und Niger taten sich schließlich die Armeen aller Länder zusammen, und mit dem Wahlsieg des früheren Militärherrschers Buhari in Nigeria 2015 wurden auch die nigerianischen Streitkräfte deutlich effektiver.
Doch endgültig besiegt wurde Boko Haram nie. Teile davon schlossen sich dem „Islamischen Staat“ (IS) an. Das oft brutale Vorgehen von Nigerias Armee sorgte für neue Rekruten, während sich die Bevölkerung insgesamt alleingelassen fühlt.
„Nach zehn Jahren hat der Boko-Haram-Aufstand einen Keil zwischen die Menschen getrieben“, bilanziert die nigerianische Zeitung Premium Times: „Er hat kulturelle Normen erschüttert und die Gesellschaft verändert. Misstrauen, Angst und Frust bestimmen den Alltag.“
Der Krieg hat in zehn Jahren 30.000 Tote und zwei Millionen Flüchtlinge produziert. Allein dieses Jahr sind 134.000 Binnenvertriebene dazugekommen.
„Jede Woche fliehen Menschen vor Gewalt und Unsicherheit im Nordosten Nigerias. Viele lassen sich an Straßenrändern oder auf dem freien Feld nieder“, bilanziert der Norwegische Flüchtlingsrat NRC.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner