piwik no script img

Böllerverbote als KlassenfrageJe suis Problemklientel

Essay von Olivier David

Beim Böllerverbot sind sich Linksliberale und Polizei einig. Das ist nicht alles falsch, aber doch Verrat an denen, für die Linke angeblich kämpfen.

Nur sinnlose Raketen sind gute Raketen Foto: Inga Kjer/dpa/picture alliance

S ilvester 1998 in Hamburg-Altona. Von einer Nachbarin bekam meine Mutter das Angebot, den Neujahrsabend mit meiner Schwester und mir in ihrer Wohnung zu verbringen, während sie für den Jahreswechsel nach Frankreich fuhr. Vielleicht sagte meine Mutter zu, weil sie sich versprach, dass die Wände in der Wohnung der Nachbarin dicker waren als unsere. Vielleicht, weil das Wohnzimmer der Nachbarin einen besseren Blick auf die Nachbarstraße hergab – die Straße, in der alljährlich ein großes Spektakel herrschte.

Man muss mit dieser Formulierung vorsichtig sein, aber als Kind habe ich es so empfunden: Silvester in unserer Nachbarschaft, das war Krieg. Gegen 23 Uhr stieg die Taktzahl der Detonationen. Im Sekundentakt pfiffen die Raketen am Fenster im vierten Stock vorbei, Kanonenschläge hallten zwischen den Häusern wider, einige junge Männer schossen mit Leuchtspurmunition um sich. Furcht und Voyeurismus rangen in mir um die Vorherrschaft.

Ich hielt meinen Blick auf die Straße gerichtet und sah: Ein Linienbus, der blockiert und beschossen wurde; ein Erwachsener, der auf das Dach des Busses kletterte und sich von den Umstehenden feiern ließ; die Polizei, die kam, und versuchte, die Menge aufzulösen.

Der Autor

Olivier David, 34, ist Autor, freier Journalist und Kolumnist. 2022 erschien sein Debüt „Keine Aufstiegsgeschichte – wie Armut psychisch krank macht“ bei Eden Books.

Die Tage nach dem Jahreswechsel wateten wir durch einen Morast aus Böllermüll, Raketenüberresten und zerbrochenen Flaschen. Die Straßen waren gesäumt von Patronen aus Gas-, Schreckschuss- und Leuchtspurpistolen. Wie ein olfaktorisches Mahnmal hing der Geruch vom Schwefel noch tagelang über unserem Straßenzug.

Vielleicht kam es mir nur so vor, aber die Stimmung zum Jahresbeginn war bedrückt, ganz so, als habe man sich für ein paar Stunden getraut, ein zügelloses Leben zu führen, sei gescheitert und kehre nun an den angestammten Platz zurück. Der Alltag hatte gesiegt, er hatte die Hoheit über die ­Leben der Menschen zurückgewonnen.

Symbolischer Konsum

Seit jenem Silvester habe ich in einigen Gegenden und Städten gewohnt, mit sehr unterschiedlicher Sozialstruktur, aber die Faustregel blieb stets dieselbe: Je prekärer das Viertel, desto größer war die Eskalation.

Natürlich wird auch in höheren gesellschaftlichen Klassen geböllert. Als ehemaliger Waldorfschüler weiß ich, dass einige meiner wohlhabenderen Mitschüler sich ebenfalls bereits Wochen vor Silvester mit Raketen und Knallkörpern eindeckten. Von polizeilichen Maßnahmen wie den Böllerverbotszonen hingegen sind Wohlhabende strukturell nicht betroffen.

Foto: T. Hoenig/plainpicture

Berlin hat in diesem Jahr mehrere dieser Verbotszonen eingerichtet. Betroffen sind Gebiete in Schöneberg, Alt-Moa­bit, dazu der Alexanderplatz. In Hamburg gelten an der Binnenalster und in Teilen der Innenstadt Böllerverbote – wo sich zu dieser Uhrzeit vor allem Jugendliche herumtreiben. „Pro­blem­klien­tel“, wie es abwertend im Sprech der Sicherheitsorgane heißt.

Ein Teil des Phänomens, das hinter der Debatte über ein Böllerverbot steckt, nennt sich symbolischer Konsum. Die Spuren dieses Konsums lassen sich in der neueren Klassenliteratur finden. In „Wer hat meinen Vater umgebracht“ beschreibt der französische Schriftsteller Édouard Louis, wie sein Vater jährlich den Jahrmarkt herbeisehnte. „Im September wurden Fahrgeschäfte für den Jahrmarkt auf dem Dorfplatz aufgebaut, Schießstände, Spielautomaten. Dann gabst du in vier Tagen das Budget des ganzen Monats aus – das Geld, mit dem Essen, Rechnungen, Miete bezahlt werden mussten.“

Diese Art des symbolischen Konsums bedeutet für arme Menschen: Das Geld langt vorne und hinten nicht, aber wenigstens an ein oder zwei Tagen im Jahr möchte ich die Realität, in der ich als Verlierer gebrandmarkt werde, vergessen und so feiern, als wäre ich der König der Welt.

An guten Gründen für ein Verbot der Silvesterböllerei mangelt es nicht. Der Lärm; die Umweltverschmutzung; die Verletzungen. Mit all diesen Gründen kann ich etwas anfangen.

Seit der Coronapandemie ist ein neues Argument hinzugekommen: Die Überlastung des Gesundheitssystems, konkreter der Krankenhäuser. Ein Pflegebetrieb am Limit könne sich nicht auch noch um weggesprengte Finger und verletzte Augen kümmern. Allerdings verraten ein paar hundert Einsätze an Silvester, so überflüssig sie sein mögen, vor allem einiges über den Stand eines kaputtgesparten Gesundheitssystems, als dass sie eine Aussagekraft über Verletztenzahlen eines Landes mit 83 Millionen Einwohnern entfalten.

Es gibt wenige Gelegenheiten, in denen sich liberale Linke so moralisch überlegen fühlen, wie in der Debatte, ob am Jahreswechsel geknallt werden darf oder nicht. Die Wurzeln dieser Moral sind durch und durch bürgerlich, sie zeigen, wessen Geistes Bruder diese Linksliberalen sind. Schon in den 1980er Jahren gab die katholische Kirche unter der Losung „Brot statt Böller“ die Schlagrichtung vor: Charity als Überlegenheitsgestus wird gegen die niedere und proletarische Feierkultur armer Menschen in Stellung gebracht. Jeder Gesellschaft die Linke, die sie verdient.

Die Diskussion über ein Böllerverbot ist die perfekte Plattform, sich gegenseitig seines gesitteten Geschmacks zu gratulieren. Das Problem mit der Distinktion ist, dass es schon bald nicht mehr ausreicht, auf der richtigen Seite zu stehen, es gilt auch, die Richtigkeit der eigenen Argumentation durch Gesetze abzusichern. Aus un­sichtbaren Codes soll – am besten sofort! – geltendes Recht werden.

Kulturkampf statt Klassenkampf

So hehr die Absichten hinter linksliberaler Kumpanei mit der Polizeigewerkschaft auch sein mögen: Wer ein Böllerverbot fordert, der ruft nach Kriminalisierung. Denn wo etwas verboten wird, da muss das Verbot umgesetzt werden. Zuständig dafür ist die Polizei, die genau dazu gegründet wurde – zur Sanktionierung armer Menschen. In Hamburg und Berlin (dort in Koalition mit der Linken) wird diese Kontinuität unter rot-grünen Landesregierungen auch diesen Silvester fortgesetzt, wenn migrantische Jugendliche durch ihre Viertel gejagt werden. Das ist weder progressiv noch links.

Dafür ist der Ruf nach einem Böllerverbot Ausdruck eines Zeitgeistes, in dem feministische Innenpolitik bedeutet, unter dem Credo der Sicherheit für Frauen, die Bundespolizei aufzustocken und die Kameraüberwachung an neuralgischen Punkten auszubauen. In beiden Fällen sind es migrantisierte und arme Menschen, die unter den Maßnahmen leiden werden.

Es ist derselbe Zeitgeist, indem sich die Linkspartei mit lauteren Argumenten für eine Impfpflicht einsetzt, die neben selbsternannten Querdenkern, vor allem jene sanktioniert, die nicht mitgemeint sind, wenn von „der Gesellschaft“ gesprochen sind. Die Abgehängten. Das „Problemklientel“. Diejenigen, die vermehrt zu Verschwörungstheorien neigen, häufiger als der Rest der Bevölkerung rechts wählen (wenn sie denn wählen) und sich seltener impfen lassen. Die Armen.

Foto: Dieter Heinemann/DEEPOL/plainpicture

Das Phänomen, das in diesem Text aus verschiedenen Richtungen beschrieben wird, ist die Abwertung armen Lebens. Man kann dieses Phänomen Klassismus nennen oder auch Sozialchauvinismus, wichtiger ist jedoch eine Entscheidung: Ist man solidarisch mit den Ange­hörigen der unteren Klasse – selbst wenn sich manche von ihnen nicht regelkonform verhalten? Oder wählt man aus zwischen guten, weil moralisch integren Armen, und jenen, die förmlich darum zu betteln scheinen, dass man sich von ihnen distanziert?

Diejenigen, die jede sich bietende Gelegenheit nutzen, um armen Menschen unter der Fahne des moralisch Richtigen ihre Solidarität zu verweigern, handeln – ob sie wollen oder nicht – nach den Spielregeln des progressiven Neoliberalismus.

Wider die Moral

Wessen Zunge nun ein voreiliges „Querfront“ formuliert, aufgepasst: Nein, hier wird nicht anhand einer Debatte übers Böllerverbot die Freiheit des kleinen Mannes verteidigt, vielmehr geht es darum, dass unter dem Banner der Moral ein Kulturkampf geführt wird. „Wenn politische Fragen immer weiter kulturalisiert werden, vollzieht sich eine Polarisierung entlang kultureller Differenzen, anstatt entlang der Klassengegensätze“, benennt Astrid Zimmermann im Jacobin den Konflikt, den eine klassenbewusste Linke nur verlieren kann.

Eine Linke, die es ernst meint mit Klassenkampf, entzieht nicht jenen reflexartig die Solidarität, die den Großteil ihres Arbeitslebens für die Gewinne höherer Klassen ausgebeutet werden. Eine Linke, die sich ihren Namen verdienen will, hakt sich ein, wo es möglich ist und kritisiert, wo es nötig ist. Aber sie verrät nicht diejenigen, für die zu kämpfen sie vorgibt, für ein paar Stunden Ruhe und eine Brise gute Luft.

Wer den Kontakt zur unteren Klasse nicht verlieren will, kann sich eine solche Moral nicht leisten. Auch ich kann sie mir nicht leisten, erst recht nicht als jemand, der 80 Prozent seines Lebens in Armut verbracht hat. Als jemand, dessen Vater Dealer war und mehrfach im Gefängnis saß.

Links sein und einen Klassenkompass zu besitzen bedeutet, den Freunden und Bekannten, die mit dem Gesetz in Konflikt kommen, nicht die Solidarität zu entziehen, sondern ihnen zu helfen. Es bedeutet, nicht nach Regeln und Verboten zu rufen, die Armutsbetroffene kriminalisieren. Es bedeutet, dass der Fokus den Kämpfen jener Frauen gilt, deren Löhne vorenthalten werden, und nicht denjenigen, die die Vorstände von Rheinmetall und Thyssen-Krupp paritätisch besetzen wollen.

Ihnen zu signalisieren: Ich stelle meine Solidarität zu euch nicht vorschnell zur Dispo­sition – das ist die Aufgabe, an der sich eine Linke messen lassen muss. Auch an Silvester, wenn Jugendliche in Berlin, Hamburg und anderswo von der Polizei durch ihre Viertel gejagt werden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • In der Silvesternacht bin ich mit dem Fahrrad aus der Spätschicht in der Klinik geradelt+wurde mehrfach von irgendwelchen Jogginghosenjungs mit Böllern beworfen.



    Mag sein, dass der Auto denkt, dass das Proletariat der Bourgeoisie zum Jahreswechsel zeigen wollte, wo die Lampe hängt. Aber das war kein Arbeiter*nnenkampf, das war einfach nur eine dämliche und chauvinistische Mackershow.



    Im Rettungsdienst fehlen momentan ein paar Kolleg*nnen. Sie haben Knalltraumata durch direkt neben ihren Köpfen explodierende Böller und Brandverletzungen durch querbeet geschossene Raketen, ein Einsatzfahrzeug kann man erstmal lahmlegen, da ist ein Kanonenschlag reingeflogen (zum Glück waren keine Menschen im Fahrzeug).



    Schön, dass der Autor seinen Wurzeln treu bleibt.



    Aber mehr als Revolutionsromantik ist davon scheinbar nicht mehr übrig.



    Den Jogginghosenjungs ist das mit der Revolution relativ wurscht, solange es Handys in Frühstücksbrettchengröße und E-Scooter gibt.

  • Der Artikel zeigt, woran es der Linken hapert, er kommt direkt aus einer Parallelwelt mit Revolutionsromantik. Es ist nicht die Stigmatisierung von Armut, wenn krasse Regelbrüche, wie sie ja dann wirklich eintraten, auf Widerwillen und Ablehnung stoßen. Diese Leute werden nicht wegen ihrer Herkunft abgelehnt, sondern weil sie die einfachsten Normen des Zusammenlebens (zum Beispiel: "Sanitäter und Eeuerwehr lässt man ihre Arbeit machen oder sollte eigentlich dankbar sein, dass es sie gibt") brachialst brechen.

  • Ein prophetischer Text auch nach Neukölln und HH Wilhelmsburg.



    Vermutlich haben wir 1998 im gleichen Stadtteil gewohnt. Nach 25 Jahren sozialem Aufstieg sollte niemand verächtlich auf die eigene Herkunft blicken. Der Autor bleibt sich treu. Selten, und gebührt Respekt

  • Wer andere Personen, insbesondere Kinder, mit Böllern bewirft, wird wohl kaum Wahrnehmung von linker Solidarität haben. Diesem Personenkreis ist diese wohl auch weniger wichtig.

  • Wenn ich mir die Bilder und Videos ansehen, sehe ich keinen Zusammenhang mit Klassismus.



    Ich sehe massive Brandschatzung mit verbotenen Explosionsmitteln (TNT etc.), Gewalt gegen Vertreter unseres Systems, Gewalt und Beschuss untereinander, Zerstörung durchgeführt von Tätern, die mich an die Übergriffe an Silvester 2015-16 erinnern.



    Dass der Staat hier nicht untätig bleiben darf, ist offensichtlich.



    Ich selbst bin eigentlich gegen Böllerverbote, und habe Verständnis, dass die Menschen "Dampf ablassen" können müssen nach all den Einschränkungen der vergangenen Jahre.



    Die Gründe für derartige Zusammenrottungen sind m.E. aber andere, dies sollte untersucht werden. Diese Bilder vor Augen, kann ich die Einführung eines Böllerverbotes nachvollziehen, um die Situation künftig überhaupt in den Griff zu bekommen.

  • Olivier David, es ist nicht automatisch progressiv aus der unteren Arbeiterklasse zu stammen. Genausowenig ist Böllern ein emanzipatorischer Akt der Befreiung.

    Ich habe eine große Sympathie für den Gedankengang, die Kultur der Arbeiterklasse zu schützen und zu verteidigen, aber nicht alles davon ist heilig und fortschrittlich.

    Böllern wird auch nicht gleich verboten. Was linksliberale fordern, sich wünschen, was die katholische Kirche von Menschen verlangt, alles schön und gut, das ist nicht das End vom Lied.

    Und wenn Menschen am 31.12. Polizisten mit Pyrotechnik angreifen, ist es eben das: Ein Angriff. Und da verdienen Kollegen und Kolleginnen von der Polizei schon unsere Solidarität. (Wenn es wirklich so war ...)

    Natürlich versuchen uns bürgerliche Kreise stetig ihre Narrative unterzujubeln. Dagegen gibt es m.M. auch zu wenig Gegenwehr. Ob das Böllern in diese Kategorie fällt? Sehr steil diese Idee, vielleicht ein guter Punkt, um auf die harten Sachen zu sprechen zu kommen, zum Beispiel, warum bürgerliche Kreise die Erhöhung des Mindeslohns abgelehnt haben, warum Hartz IV /SGB II jetzt Bürgergeld heißt, warum arme Arbeitnehmer oder Arbeitslose als 'faul' und 'anti-sozial' bezeichnet werden. Auf der Schiene bin ich für mehr Analyse und Kommentierung zu haben. Hinweis: Reiche Bürgerliche bezeichnen sich nie als faul und sie arbeiten auch fast nie für einen Mindestlohn.

  • [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Redaktion

  • Ich vermisse im Artikel den kritischen Blick darauf wer da böllert und wen es trifft.

    Denn es trifft (mitunter leider wörtlich), Frauen, Alte, Kranke, Geflüchtete besonders. Und Einsatzkräfte. Rettungssanis, Feuerwehrleute und Polizist*innen sind auch nicht gerade die Vorstandelite, weder vom Einkommen, noch von den Arbeitszeiten und -Unständen. Ebensowenig die Menschen die Taxi und Uber, die Tram, den Bus oder das Lieferrad für uns fahren.

    Und bei den Böllerwerfern, dieses Jahr mit besonders vielen schweren, illegalen Böllern in meinen Kiez, darf auch gern genauer hingeschaut werden. Männlich und häufig jung wäre die Beschreibung die mir aus eigener Beobachtung einfällt, die Berichterstattung beschreibt es ähnlich.

    In dem aggressiven Böllern sehe ich auch eine männliche Raumnahme, ein breitbeiniges, selbstverliebtes Aneignen, ein männlich-privilegiertes Einfordern von öffentlicher Aufmerksamkeit und öffentlichem Raum.



    Wenn jungen Frauen Böller hinterhergeworfen werden, geht es dann um Spaß am Knall und Provokation, oder geht es darum schmerzlich vermisste alte Zufälle, zumindest für kurze Zeit wieder herzustellen?

    Und in welchen Gegenden finden sich die meisten Opfer? Die wenigste Nachtruhe? Die meisten Tage an denen die Straße nicht sicher ist?



    Wer verliert seinen staatlich garantierten Anspruch auf Rettung und Schutz, wenn die Polizei zeitweise Straßenzüge „aufgeben“ muss? Das passiert nicht in Dahlem.

    Was ist mit unserem Schutz für die Schutzbedürftigen im „Klassenkampf“, schauen wir da weg?

  • Ist es denn wirklich eine Klassenfrage, wer böllert und wer nicht?



    Die Böllerverbotszonen sind doch nicht vorgeblich da, wo arme Menschen wohnen, sondern da, wo viele Menschen aus den unterschiedlichsten Stadtteilen zum Feiern zusammenkommen.



    Das ist gleichzeitig meist da, wo die ärmeren auch wohnen, weil die reicheren nicht da wohnen, wo ausgelassen gefeiert wird. Die können sich halt leisten, nach der Party wieder nach "draußen" zu fahren und sich in Ruhe zu erholen. Das Böllern, Grölen und sachen kaputt machen, kommt aber aus allen Klassen gleichermaßen. Manche haben nur nicht die Möglichkeit, sich davon zu distanzieren.

  • Dieser Artikel ist sehr gut. Danke.

  • Wir haben uns von der Todesstrafe verabschiedet, obwohl sie sicherlich noch oder auch wieder Anhänger hat. Vielleicht schaffen wir das auch beim Sylvesterfeuerwerk.

    Es bedarf ja keiner Küchenpsychologie, um das zu begründen.