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Böllerverbot zu Silvester?Genug andere Sorgen

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Klar, gegen das Böllern spricht Vieles. Aber die unbeliebte Ampel wäre schlecht beraten, für einen Tag Ruhe noch mehr Unmut zu provozieren.

Silvesterfeuerwerk in Berlin Foto: Marius Schwarz/imago

A lle Jahre wieder kommt die Deutsche Umwelthilfe auf uns nieder und fordert ein Feuerwerksverbot. Und wie immer hat sie natürlich mit allen Argumenten gegen das Böllern recht.

Das ungehemmte Abfeuern der Silvesterkracher ist eine Zumutung für alle, die damit nichts anfangen können. Für die Menschen, die dadurch verletzt werden, und für die Tiere, die den Krach aushalten müssen. Für die medizinischen und polizeilichen Einsatzkräfte, die ausgerechnet an den Feiertagen mehr arbeiten müssen und die dabei selbst oft in Gefahr geraten. Und für die Müllabfuhrangestellten, die den Dreck wegräumen müssen. Die ungesunde Feinstaubbelastung für die Allgemeinheit kommt erschwerend hinzu.

Für ein Verbot der Böllerei spricht auch, dass laut Umfragen inzwischen eine knappe Mehrheit der Bevölkerung dafür ist, den schädlichen Unsinn endlich zu untersagen. Eigentlich sollte das kein großes Ding sein, zumal in vielen anderen Ländern der westlichen Hemisphäre noch nie privat herum geschossen werden durfte.

Doch die zögerliche Untätigkeit der Regierung ist ausnahmsweise mal verständlich. Denn Silvester ist eine Ausnahme vom Alltag. Trotz der vielen schlagenden Argumente der Böllergegner spricht in diesem Jahr noch mehr als sonst gegen den Versuch, der Vernunft mit der Kraft der Staatsgewalt zum Durchbruch zu verhelfen. Der politische Aufwand lohnt sich nicht.

Die ohnehin extrem unbeliebte Ampel wäre schlecht beraten, für einen Tag Ruhe noch mehr Unmut zu provozieren. Dafür haben noch viel zu viele BürgerInnen Spaß am Böllern, und den wollen sie sich gerade in der allgemeinen Krisenstimmung nicht auch noch nehmen lassen. Die Grünen haben mehr als genug damit zu tun, die verbliebenen Klimaschutzprojekte umzusetzen und dafür hoffentlich auch wieder mehr Akzeptanz durch soziale Ausgleichsmaßnahmen zu erreichen.

Dazu kommt der Reiz des Verbotenen. Es gäbe genug Böllernachschub aus den Nachbarländern, und die Polizei müsste ein Verbot durchsetzen. Das kann man ihr nicht wünschen.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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1 Kommentar

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  • Ich stimme dem Autor vollumfänglich zu.



    Jedes Jahr das Gleiche das Lamentoso im Dauerdacapo derjenigen, die Deutschland am liebsten in eine 24h an 365 Tagen Geriatrieparkruhezone verwandeln wollen. Jedes Jahr suchen sie neue Totschlagargumente um den einen Abend im Jahr zu verbieten, in dem sie nicht Punkt 22h01 die Polizei rufen können und an dem Unvernunft und Hedonismus ungetarnt und frei ausgelebt werden können. Erst Sorge um die angstbissige Töle, dann Feinstaub, dann selbstmordgefährdete Natur, schließlich erfolgreich wegen Corona und nun Hochwasser, eventorientierte Kiezbewohner und angereiste Krawalltouristen mit und ohne Uniform - oder m.E. besonders perfide: ´retraumatisierte Kriegsflüchtlinge´- der Heimfeuerwerker als Mikroputin, das ist nicht untergürtellinig, das ist subsockig.



    Ich wiederhole meinen Tipp an alle Böllerparanoiker: Fenster zu, ein paar Doppelherz-Baldrian Cocktails, oder ne Tüte , dazu Karel Gott und was Gutes knabbern, an dem man sich nicht verschlucken kann, denn die Rettungsdienste haben genug anderes zu tun. Und schlag Mitternacht den Überlebensschlager schlechthin: ´Davon geht die Welt (Wuff!) nicht untrrrrrr (Ffiüt-bang bang)...´:)



    Am wichtigsten für mich aber ist: Pyro in anarchischer Massenhand ist Punk! Sonst rauben sich diesen Spass auch noch die Blaunen!