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Bodentruppen für die Ukraine?Macron lenkt nur ab

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Frankreichs Präsident zeichnet ein brandgefährliches Szenario. Stattdessen sollte das Land seine kläglichen Waffenhilfen für die Ukraine endlich ausweiten.

Dann schick halt Waffen, Emmanuel Macron! Foto: Ludovic Marin/Pool/reuters

E mmanuel Macron dürfte zufrieden sein. Seine öffentlich vorgetragenen Gedankenspiele über die Entsendung von Soldatinnen und Soldaten westlicher Staaten in die Ukrai­ne haben dem französischen Präsidenten eine maximale internationale Aufmerksamkeit beschert. „Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann“, hat Macron im Anschluss an die Pariser Hilfskonferenz für die Ukraine vollmundig versprochen und in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen, „offiziell Bodentruppen zu entsenden“.

Dabei weiß er genau, dass ein direktes militärisches Eingreifen von Nato-Staaten aufseiten der angegriffenen Ukraine zwar nicht im Widerspruch zur UN-Charta und dem Völkerrecht stehen würde, aber möglicherweise zur weiteren Existenz der Menschheit. Das Risiko eines Atomkriegs macht das Diktum von Bundeskanzler Olaf Scholz schlicht vernünftig, eine direkte Kriegsbeteiligung auszuschließen.

Was soll das also? Hier der entschlossene und zu allem bereit erscheinende Präsident Frankreichs, dort der zaudernde und ängstliche deutsche Kanzler – das so unterschiedliche öffentliche Auftreten der beiden so verschiedenen Charaktere befeuert zwar dieses Zerrbild. Mit der Realität hat es aber wenig zu tun. Mit seiner kraftstrotzenden Rhetorik versucht Macron vielmehr abzulenken von der frappierenden Zurückhaltung Frankreichs bei der Hilfe für die Ukraine.

Dass das Land bisher der russischen Soldateska standhalten konnte, verdankt sich ganz gewiss nicht des großen Engagements Frankreichs – denn das gibt es nicht. Tatsächlich bewegt sich sowohl dessen militärische als auch humanitäre Unterstützung auf einem jämmerlich niedrigen Niveau. Sie macht nicht einmal ein Zehntel von dem aus, was die Bundesrepublik der Ukraine zukommen lässt.

Laut dem Ukraine Support Tracker“ des Kiel Instituts für Weltwirtschaft belief sich die geleistete und die zugesagte Unterstützung Frankreichs für die Ukraine vom 24. Februar 2022 bis zum 15. Januar dieses Jahres auf insgesamt rund 1,8 Milliarden Euro, das sind knapp 0,07 Prozent des französischen Bruttoinlandprodukts (BIP). Im gleichen Zeitraum summierten sich die Hilfsleistungen Deutschlands auf rund 22,1 Milliarden Euro, was etwa 0,57 Prozent des deutschen BIP entspricht. Bei den humanitären Leistungen steht die BRD auf Platz 1, bei den militärischen auf Platz 2 hinter den USA. Frankreich rangiert bei der humanitären Hilfe auf Platz 9, bei der militärischen Unterstützung auf Platz 16.

Frankreich lässt für Olympia viermal so viel Geld springen wie für die angegriffenen Menschen in der Ukraine

Dabei ist es nicht so, dass sich Frankreich keine stärkere Unterstützung leisten könnte. Es ist eine Frage der Prioritätensetzung, wenn der französische Staat für die Olympischen Spiele im Sommer in Paris mehr als das Vierfache springen lässt als für die angegriffenen Menschen in der Ukraine. Eine Frage von Prioritäten ist es auch, wenn Frankreich weiter an seinen strahlenden Urangeschäften mit Russland festhält.

Eindringlich appellierte Wolodymyr Selenskyj auf der Münchner Sicherheitskonferenz, endlich alle Lücken und Schlupflöcher bei den Sanktionen zu schließen. Ausdrücklich nannte er dabei den Nuklearsektor. Doch dank Macron ist Uran aus Russland bis heute kein Bestandteil der EU-Sanktionspakete. Das wird auch nicht dadurch besser, dass andere EU-Länder wie Österreich oder Ungarn immer noch in großem Maßstab ihr Gas aus Russland beziehen. All das mindert den Druck auf das Putin-Regime und hilft ihm, seinen Krieg fortzusetzen.

Anders als von Macron behauptet, unternimmt sein Land keineswegs alles, damit Russland den Krieg nicht gewinnen kann. Ja, im Gegensatz zu Deutschland hat es ebenso wie Großbritannien Marschflugkörper an die Ukraine geliefert. Und sicherlich nutzt das dem bedrängten Land, so wie auch der Taurus nutzen würde. Aber die völlig überzogene Taurus-Diskussion, durchzogen von einem merkwürdigen deutschen V2-Wunderwaffenglauben, täuscht darüber hinweg, dass das Problem nicht Scholz und der deutsche Beitrag zur Ukraine-Unterstützung ist.

Wenn sich die Chance für die Ukraine erhöhen soll, der russischen Militärmacht standzuhalten, wird Frankreich seine Anstrengungen zumindest auf das Niveau Kanadas, Japans oder der skandinavischen Länder, besser noch Deutschlands bringen müssen. Angesichts der politischen Unsicherheiten in den USA ist die Entschlossenheit der europäischen Staaten zu einer auch längerfristigen Unterstützung der Ukraine mit ausreichend Waffen und Munition eine entscheidende Voraussetzung, um irgendwann das Fenster für Friedensverhandlungen über ­einen vollständigen Abzug der russischen Truppen zu öffnen. Macrons verbale Kraftmeiereien werden nicht ausreichend sein.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Meine Empfehlung an Macron und Scholz: Setzt euch zusammen, redet vernünftig miteinander und beendet euer kindisches Getue!

  • Danke für diese deutliche Analyse!



    Schön, dass die Argumente, die hier für Deutschland sprechen, mit Zahlen unterfüttert werden.



    Macron sorgt mit seinen Sprüchen nur für Verunsicherung. Der Aufforderung des Bundeskanzlers nach mehr Munition für die Front kommt er damit nicht nach, sondern stellt Deutschland in ein schlechtes Licht.



    Damit steht er natürlich nicht Alleine, zu praktisch ist es auch für den Großteil deutscher JounalistInnen, den Kanzler und die Ampel für Alles verantwortlich zu machen. Macron spaltet hier genauso, wie es Hofreiter und Strack Zimmermann tun.



    Es ist natürlich traurig für Hofreiter, dass er im Ampel Kabinett keinen Posten bekommen hat und klar, dass S.Zimmermann im Wahlkampf noch eine Schippe drauf legen möchte.



    Zielführend sind Fehldarstellungen allerdings nicht.



    Taurus ist kein gamechanger, an der Front wird Anderes gebraucht.



    Wie in der Vergangenheit gesehen, ist selbst eine (Teil-) Zerstörung einer Brücke nicht zielführend, wenn es keine Möglichkeit gibt, nachzurücken.



    Erfreut bin ich in dem Artikel auch darüber, dass das Wort "Verhandlungen" erscheint.



    Die Illusion eines Kriegsendes durch einen Sieg der Ukraine wabert immer noch durch Berichterstattung und Volkes Meinung.



    Dabei sprechen die Realitäten eine völlig andere Sprache.



    Selbst wenn Europa noch mehr Munition und Rüstungsmittel liefert, dass die USA ersetzt werden kann ist äußerst unwahrscheinlich.

  • @VIELDENKER

    Der hat noch ein grösseres Problem (wir auch): der hat sein politisches Kapital bei der mederaten Linken in Frankreich schon komplett aufgebraucht und das Ende der Fahnenstange erreicht.

    Und an diesem Ende sitzt Marine LePen.

    An einer anderen Stelle haben sich Forist*innen über meine Aussage "Wirtschaftsliberalismus gebiert Faschismus" echauffiert.

    Hier können sie ein Beispiel betrachten -- in Zeitlupe.

  • Scholz ist vielleicht auch ein bisschen davor zurückgeschreckt, dass deutsche Soldaten im Krieg gegen Russland bestimmte Erinnerungsbilder in der deutschen Bevölkerung hervorrufen könnten.

    Solche Skrupel kennt Macron natürlich nicht, schließlich geht es ja nicht um Französische Soldaten in Algerien.

    Aber letzten Endes sind beide Arten von Unterstützung der Ukraine - hier Waffen, dort Soldaten - gar kein Widerspruch, sondern ergänzen sich gegenseitig als Arbeitsteilung.

    Und ich denke, dass NATO-Soldaten in der Ukraine kommen werden. Macron hat lediglich schon mal eine Art Vorankündigung losgelassen, um die Bevölkerung an diesen Gedanken zu gewöhnen.

  • "um irgendwann das Fenster für Friedensverhandlungen über ­einen vollständigen Abzug der russischen Truppen zu öffnen"



    Das Fenster steht längst offen und die Verhandlungen könnten längst begonnen sein - es wird nur von Selensky blockiert. Den Glauben, durch weiteren Kampf eine bessere Position zu erreichen, halte ich für viel zu riskant.

    • @XXX:

      Putin will auch nicht über den vollständigen Abzug aus der Ukraine verhandeln. Warum auch? Für ihn läuft es gerade recht gut.

  • Verbale Kraftmeierei bringt aber mehr Punkte. Medial wird Scholz meist als Zauderer und Macron als Macher dargestellt. Die Kraftmeierei funktioniert also. Und sie hat noch einen Vorteil. Starke Worte sind nach dem Krieg schnell vergessen. Konkretes Handeln meist nicht so schnell. Macron rechnet wahrscheinlich schon ein, dass Russland auch nach dem Krieg eine Staat in Europa sein wird...

  • Das beste wäre es, das durch die Sanktionen eingefrorene Geld Russlands der Ukraine zukommen zu lassen. Das wäre gutes europäisches Recht. Klingt verrückt,ich weiss, aber kalkulieren Sie es mal durch.

  • Wohl war, der Pathos-Patron aus Paris hat ein Praxisproblem. Nicht zum ersten Mal.

  • Das kann man auch anders sehen. Siehe die Einschätzung von beispielsweise Anton Hofreiter (Grüne) und Marina Weisband. Beide befürworten den Ausdruck von Stärke statt Übervorsicht gegenüber Putin. Der sich sowieso bereits im Krieg mit auch mit uns befindet. So drückt er selbst es aus, seine Cyberattacken, Trollfabriken, Stärkung der extremen Rechten und anderes bestätigen das.

    Unsere Tabus beim Einsatz von Waffensystemen mit stärkerer Wirkung spielen in seine Hände und schwächen die Ukraine weiter. Er muss jetzt deutlich gestoppt werden, und das geht nicht mit Zögern sondern durch Stärke. Nur davor hat er Respekt und nur die kann die Ukraine noch retten. Und damit ein Stück weit auch uns / Europa.