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Blackfacing im Hamburger SchauspielhausEklat beim Theaterjubiläum

Kommentar von

Amanda Böhm

Im Hamburger Schauspielhaus wurden Fotos von Blackfaces gezeigt. Es gab Kritik, Kritik an der Kritik und eine Entschuldigung.

Aufnahmen „nicht angemessen kontextualisiert“: Hamburger Schauspielhaus Foto: Rabea Gruber/dpa

D as Hamburger Schauspielhaus hatte bei der Geburtstagsgala zum 125-jährigen Bestehen des Theaters im November auf eine große Leinwand Aufnahmen alter Inszenierungen projiziert: Gustaf Gründgens als „Faust“, Ausschnitte aus Frank Castorfs „Raststätte“ und: Fotos der weißen Schauspieler Ulrich Wildgruber und Alexander Scheer, mit schwarzer Farbe angemalt in „Othello“.

Sogenanntes Blackfacing ist tief verankert in der Theatertradition. Ursprünglich kommt es aus Minstrel-Shows des 19. Jahrhunderts. Das Prinzip: weiße Schau­spie­le­r*in­nen karikieren Schwarze Menschen, indem sie sich als Schwarze Menschen „verkleiden“ und zumeist stereotype, entmenschlichende Schwarze Figuren spielen.

In einer größtenteils weißen Theaterlandschaft wurde Blackfacing auch mit dem Argument genutzt, Schwarze Rollen besetzen zu können, ohne Schwarze Schau­spie­le­r*in­nen einstellen zu müssen. Diese rassistische Praxis wird seit Jahrzehnten problematisiert.

Entsprechend groß war die Kritik im Anschluss der Veranstaltung im Hamburger Schauspielhaus. „Das Schauspielhaus Hamburg ist richtig stolz auf sein Blackfacing“, postete zum Beispiel die Schwarze Regisseurin und Schauspielerin Isabelle Redfern.

Wohl nicht rassistisch gemeint

Die Aufnahmen, um die es geht, entstanden während zweier „Othello“-Inszenierungen von „Theatergrößen“, einmal von Peter Zadek 1976 und von Stefan Pucher 2004. Sie gelten als legendär für die deutsche Theatergeschichte.

„Korrektheit essen Theaterseele auf“, titelte jetzt die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einem Verteidigungsreflex. Und Die Zeit fragt: „War das wirklich Rassismus?“ Auch das Schauspielhaus weist die Rassismusvorwürfe im ersten Moment von sich.

„Wir haben fälschlicherweise angenommen, dass die Präsentation innerhalb einer Darstellung der Theatergeschichte eine hinreichende Kontextualisierung darstellt“, heißt es in einer späteren Mitteilung. Also (und auch das ist irgendwie deutsche Tradition): Wir sind nicht rassistisch, ihr habt es nur einfach nicht verstanden.

Wahrscheinlich waren Zadeks und Puchers Inszenierungen nicht rassistisch gemeint. Vielleicht waren sie sogar rassismuskritisch gemeint. Trotzdem war Blackfacing auch schon zu Zadeks Inszenierung 1976 eine rassistische Praxis. Nur hat damals eben noch kaum jemand darüber geredet.

Doch um die aktuellen Vorwürfe aus der Schwarzen Community zu verstehen, muss man gar nicht so tief in die Theatergeschichte einsteigen, wie Die Zeit es vorschlägt. Es geht schließlich gar nicht darum, Zadek, der selbst als Jude vorm Nationalsozialismus nach London geflohen ist, 50 Jahre später Rassismus vorzuwerfen.

Wahrscheinlich waren Zadeks und Puchers Inszenierungen nicht rassistisch gemeint. Vielleicht waren sie sogar rassismuskritisch gemeint. Trotzdem war Blackfacing auch schon zu Zadeks Inszenierung 1976 eine rassistische Praxis.

Es wird kritisiert, dass die historischen Aufnahmen an jenem Abend im Schauspielhaus nicht kontextualisiert wurden. Stattdessen waren sie Teil eines unkritischen, nostalgischen Rückblicks auf die „Glanzmomente“ des Theaters.

„Der unterhaltende Charakter der Geschichtsdarstellung hat eine kritische Auseinandersetzung mit der rassistischen Praxis des Blackfacing unmöglich gemacht“, heißt es auch in der Entschuldigung des Schauspielhauses Hamburg.

Doch wie konnte das überhaupt passieren? Bedeutet ein Rückblick nicht genau das: sich mit der Vergangenheit beschäftigen, sie reflektieren, im besten Falle: aus ihr lernen? Ist das nicht etwas, was gerade deutsche Institutionen mittlerweile wirklich verstanden haben sollten?

Es sind mal wieder Schwarze Kulturschaffende, die daran erinnern müssen. Die nicht kontextualisierten Projektionen der Blackfacing-Bilder seien in Zeiten des Rechtsrucks „geschmackslos bis fatal“, heißt es in einem offenen Brief an das Schauspielhaus. Das Theater sei schließlich ein politischer Ort mit Bildungsauftrag.

Eine Woche nach der Veranstaltung reagierte Karin Beier, die Intendantin des Schauspielhauses, auf die Kritik. Man habe zwei schwerwiegende Fehler gemacht: Man habe die Aufnahmen „in keiner Weise angemessen kontextualisiert“ und im Anschluss zunächst nicht ausreichend auf die berechtigte Kritik reagiert. Dafür wolle sie sich entschuldigen.

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