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Black-Lives-Matter-Logo auf TaxiDer Aufkleber bleibt

Zwei Hamburger Taxifahrer*innen streiten mit Behörden um Black-Lives-Matter-Sticker. Die Frage: Gilt das Logo als politische Werbung?

Konformität, so weit das Auge reicht: Taxischlange in Hamburg Foto: Waldmüller/imago

Hamburg taz | Wenn eine Taxifahrerin den Namen ihres Fußballvereins auf die Tür ihres Taxis kleben will, kann sie das tun. Genauso könnte jede Glückskeks-Weisheit dort stehen oder Werbung für Produkte oder Firmen. Was dort aber nicht stehen darf: ein Black-Lives-Matter-Motiv. Ein Taxifahrer-Pärchen aus Hamburg muss sich wohl bald vor Gericht verteidigen, weil auf ihren Fahrzeugen das Symbol der Bewegung für die Rechte schwarzer Menschen abgebildet ist.

Christiane und Bernd Nolte haben in den 80er Jahren „Das Taxi“ als eigenständige linke Genossenschaft gegründet, 2017 wurde der Betrieb von Hansa Funktaxi geschluckt. Ende der 80er Jahre fuhr die Flotte von „Das Taxi“ mit taz-Werbung – was erlaubt war, denn die Aufkleber der taz waren bezahlt und nicht als politisches Statement zu verstehen. Genau hier liegt für die Hamburger Behörden das Problem mit den Black-Lives-Matter-Aufdrucken auf den Taxis der Noltes.

Taxifahrer*innen müssen sich an Vorschriften halten, was die Außengestaltung ihrer Fahrzeuge angeht. Die Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr schreibt unter anderem die Lackierung in dem typischen hell-elfenbeinfarbenen Ton und ein Schild auf dem Dach vor. Werbung an der Außenfläche ist auf den Türen prinzipiell zulässig – „politische und religiöse Werbung“ ist allerdings verboten. Für Nahverkehrsbusse gilt das nicht, weshalb etwa die Stadt Hamburg zum diesjährigen Christopher Street Day mit viel PR und der Großunternehmerin Olivia Jones den Pride-Bus in Regenbogenfarben präsentierte.

Pride-Werbung auf Bussen ist also okay, Werbung für die Rechte Schwarzer Menschen auf Taxen nicht? „So ist es, obwohl wir natürlich ebenso hinter dem Anliegen von Black Lives Matter stehen“, sagt der Sprecher der Hamburger Verkehrsbehörde Dennis Heinert. Bei der Strafandrohung an die Noltes habe es leider keinen rechtlichen Spielraum gegeben.

Bis zu 10.000 Euro

Doch das Verbot politischer Werbung hat Christiane Nolte schon im 2015 nicht daran gehindert, Aufkleber der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ auf ihr Taxi zu kleben. Die Lampedusa-Gruppe von rund 300 Geflüchteten kämpft seit ihrer Ankunft 2014 in Hamburg um ein kollektives Bleiberecht. Die Aufkleber brachten Nolte zwei Gerichtsverfahren, die sie verlor, und einen Bußgeldbescheid ein.

In einem anderen Verfahren hatten die Noltes jedoch Erfolg: 1995 fuhren sie und sechs andere Mitarbeiter*innen von „Das Taxi“ mit den Aufklebern „Alle Rassisten sind Arschlöcher. Überall“ der Hamburger Beratungsstelle für Geflüchtete „Café Exil“. Ein Kollege hatte sie deshalb angezeigt, die Behörde verhängte 275 Mark Bußgeld gegen die Fahrer*innen. Doch ein Amtsrichter entschied, dass die Aussage nicht politisch zu werten sei, da ihr jede*r folgen müsste, der auf dem Boden der Verfassung stünde. Politische Werbung setze hingegen voraus, „daß sich der Inhalt der Äußerung von anderen politischen Überzeugungen und Organisationen unterscheiden läßt. Daran fehlt es.“ Das, meinen die Noltes jetzt, müsste doch auch für die „Black Lives Matter“-Aufkleber gelten.

Die Rechtsabteilung der Hamburger Verkehrsbehörde sieht das anders. „Ich rate Ihnen dringend, die Aufkleber sofort – noch heute – von den Taxen zu entfernen“, schrieb der Justiziar den Noltes im Juli. Sie hatten sich selbst bei der Behörde gemeldet, um ein erneutes Bußgeld zu vermeiden.

„Wenn eines Ihrer Taxen mit dem Motiv von einem Polizeibeamten oder der Verkehrsgewerbeaufsicht angetroffen werden sollte, wird eine Anzeige wegen Verstoßes gegen politische Werbung unausweichlich sein“, droht der Justiziar. Und wendet sich direkt an Christiane Nolte: „Sie sind ja in der Vergangenheit bereits mit sogenannten Lampedusa-Aufklebern an Ihren Taxen aufgefallen.“ Angesichts dieser „einschlägigen Vorbelastung“ würde das Bußgeld dieses Mal wohl wesentlich höher ausfallen, so der Justiziar – „der gesetzliche Rahmen reicht bis zu 10.000 Euro.“ Zudem müsse die Fahrerin damit rechnen, ihre Zulassung zu verlieren.

Die Noltes, deren Betrieb heute zu Hansa Funktaxi gehört, lassen sich davon nicht abschrecken. „Wir lassen die Aufkleber dran“, sagt Bernd Nolte der taz. Nur den Schriftzug „Black Lives Matter“ haben sie vorsichtshalber entfernt, weil damals beim Lampedusa-Aufkleber negativ zubuche geschlagen hatte, dass „Lampedusa in Hamburg“ als Verein eingetragen ist. Deshalb wertete der Richter den Aufkleber als Werbung für einen politischen Verein. In den USA gibt es mittlerweile auch Black-Lives-Matter-Vereine, weshalb die Noltes den BLM-Schriftzug entfernten. Das Motiv, auf dem eine schwarze und eine weiße Hand ineinander greifen, prangt dafür jetzt an allen acht Taxis ihrer Flotte.

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8 Kommentare

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  • Ich kann der Begründung nicht folgen. Die Aussage "Das Leben schwarzer Menschen zählt." ist doch wohl ebenso selbstverständlich und allgemein wie "Alle Rassisten sind Arschlöcher." Für welche politische Partei macht man denn Werbung mit einem BLM Aufkleber?

    Vielleicht hätte schon die Übersetzung ins Deutsche den Schriftzug legal gemacht. (?)

    Wie dem auch sei, es ist schön zu sehen dass wir in Deutschland für alle Eventualitäten einen verantwortlichen Beamten haben.

  • Anstatt seine Energie für nun mal unausweichliche Folgen zu vergeuden, sollte man doch lieber gegen das Verbot von politischer Werbung vorgehen.

    Dann hätten wir bald von NPD über APPD bis DKP ein lustiges Potpourrie an KFZ-Werbung auf den Straßen, inkl. der Ausfallerscheinungen ihrer politischen Gegner.

  • Vor Gericht sind alle gleich - nur der hier ungenannte "Justiziar" geht kein persönliches Riskiko ein und wird in jedem Fall ungeschoren davon kommen.

    Müsste er mit seinem Privatvermögen für eine Fehleinschätzung haften, wäre sein Verhalten vermutlich ein Anderes.

    • @Bolzkopf:

      Warum Fehleinschätzung? Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, wird das Bußgeld voraussichtlich vor Gericht halten (wie es beim Lampedusa-Aufkleber bereits der Fall war).

      Von daher liegt er mit seiner juristischen Einschätzung der derzeit geltenden Rechtslage wohl richtig. Daher bestünde - selbst wenn er persönlich haften würde - kein vorwerfbares Fehlverhalten und folglich kein Haftungsgrund.

      Von daher: Für richtige Rechtsanwendung kommt der Jurist immer "ungeschoren" davon.

      Ob Ihnen das Gesetz, welches zur Anwendung kommt, passt oder nicht, ist eine politische Frage, keine Frage der richtigen Anwendung des Gesetzes.

      • @Kriebs:

        "Waffengleichheit vor dem Gericht" bedeutet ergo, dass eine Partei ein existentielles Riskiko eingeht und die andere Partei auf jeden Fall ungeschoren davon kommt.



        Darum geht es.

  • Ja, warum wird denn hier nicht die Telefonnunmmer der Taxen mitgeteilt, für die nächste Taxifahrt in Hamburg, zur Unterstützung der mutigen und aufrichtigen Taxibetreiber.

  • Moment:



    "„Alle Rassisten sind Arschlöcher. Überall“ (...) ein Amtsrichter entschied, dass die Aussage nicht politisch zu werten sei, da ihr jede*r folgen müsste, der auf dem Boden der Verfassung stünde. Politische Werbung setze hingegen voraus, „daß sich der Inhalt der Äußerung von anderen politischen Überzeugungen und Organisationen unterscheiden läßt."

    Der Inhalt der Äußerung "Black lives matter" lässt sich dann von welchen Überzeugungen unterscheiden? Von der Überzeugung von Rassisten, und von der Organisation Kukuksklan?

  • Da brüllt der Amtsschimmel.. super ;-(

    Wo finde ich diese Taxen? Wenn ich mal im Hamburg bin, möchte ich gerne mit denen mitfahren.