Black Communities Zentrum: „Ein Zuhause für Schwarzes Leben“
Mit dem Geld für ein Black Communities Zentrum bringt Berlin das Empowerment von Schwarzen Menschen voran, lobt Daniel Gyamerah vom Verein EOTO.
taz: Herr Gyamerah, Ihr Verein Each One Teach One (EOTO) träumt seit Langem von einem Schwarzen Communities Zentrum in Berlin. Nun hat der Hauptausschuss dafür 3,65 Millionen Euro im nächsten Doppelhaushalt gebilligt. Haben Sie damit gerechnet?
Daniel Gyamerah: Sagen wir so: Es gab hier und da ein Signal in den letzten Wochen. Und im Koalitionsvertrag von Rot-Grün-Rot wird das Projekt erwähnt, auch der Bund will ein solches Zentrum grundsätzlich unterstützen. Trotzdem war die Nachricht aus Berlin eine freudige Überraschung – aber wir müssen natürlich abwarten, bis das Abgeordnetenhaus den Haushalt auch verabschiedet.
Was hat man sich unter einem Black Community Zentrum vorzustellen?
Da muss ich ein bisschen ausholen: Wir als EOTO haben ja zusammen mit Citizens For Europe im vorigen Jahr den Afrozensus veröffentlicht. Das war die größte Befragung unter Schwarzen, afrikanischen und afrodiasporischen Menschen, etwa 6.000 haben daran in Deutschland teilgenommen. Ein zentrales Ergebnis war, dass Anti-Schwarzer Rassismus sehr spezifisch wirkt und es deshalb spezifische Maßnahmen braucht. Ein Fokus muss dabei auf Empowerment von unseren Communities liegen. Und genau das soll mit einem Schwarzen Zentrum, besser: mit vielen solcher Zentren, passieren. Das Schwarze Communities Zentrum ist in diesem Sinne ein Ort, der Zuhause sein kann für Schwarzes Leben in Berlin, aber auch deutschlandweit.
36 Jahre, ist ehrenamtlicher Vorstand von EOTO und Gründungsmitglied der neuen deutschen Organisationen (ndo). Hauptberuflich arbeitet er bei Citizens For Europe (CFE) als Bereichsleiter.
Es ist also in erster Linie ein Treffpunkt?
Das ist ein ganz wichtiger Bestandteil von Community Building, aber im Kern wollen wir dort vor allem fachliche Arbeit machen. Es soll weiter die Beratungsstelle zu Anti-Schwarzem Rassismus geben, und unsere Bibliothek soll mehr Raum bekommen. Wir wollen auch möglichst viel Gemeinschaftsflächen, Workshop-Räume, einen modularen Veranstaltungsraum. Diese Bereiche sollen Initiativen nutzen können, aber auch größere Organisationen, die deutschlandweite Konferenzen umsetzen möchten. Und es soll natürlich möglichst viele Räume geben, wo andere Schwarze Organisationen und Vereine ihre Arbeit fortführen.
Wo soll das alles stattfinden?
Wir wollen, wenn alles klappt, das ganze Gebäudeensemble am bisherigen Standort von EOTO in der Togostraße in Wedding kaufen. Die Remise im Hinterhof soll das Herzstück des Zentrums werden, wo unterschiedliche Akteur*innen ihre Angebote machen können. Zum Projekt gehört auch ein Umbau, das Ganze soll nämlich möglichst barrierearm werden. Dafür haben wir bereits Lottomittel in Aussicht gestellt bekommen.
Sie sitzen im sogenannten Afrikanischen Viertel. Wie wirken Sie in den Kiez hinein?
Es ist ja ein Kiez, der nicht nur Afrikanisches Viertel heißt, hier leben tatsächlich viele Schwarze Menschen – und es ist schön, dass wir mit dem Zentrum dem Narrativ des Viertels und seiner kolonialen Vergangenheit eine neue Wendung geben. Von den Vereinen und Initiativen, die das Zentrum mit Leben füllen werden, sind manche mit ihrem Thema eher in der Nachbarschaft unterwegs, manche auf Berlin-Ebene, manche auch deutschland- und europaweit. Diese verschiedenen Ebenen zusammenzubringen ist ein zentrales Ziel.
An wen richtet sich das Zentrum in erster Linie?
Es wird sein wie schon jetzt bei unserer Arbeit, dass wir unterschiedlichste Veranstaltungen für unterschiedliche Zielgruppen machen. Aber die Überschrift über dem Ganzen ist schon „Von uns, für uns“: Wir wollen uns selbst verwalten, unsere interne Arbeit und Netzwerke stärken, um dadurch auch wieder stärker in die Gesellschaft wirken und mitmachen zu können.
Der Senat wolle mit der Unterstützung des Zentrums auch einen Beitrag leisten zur UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft, hieß es von der Koalition.
Die UN-Dekade ist der internationale Rahmen: Die Mitgliedstaaten der UN haben beschlossen, eine Dekade lang die Menschenrechte von Schwarzen Menschen zu stärken und Programme zu starten, um ihr Leben zu verbessern. Aber wie so oft passiert dann meist nicht viel. Berlin ist zumindest eines der wenigen Bundesländer, wo es tatsächlich Konsultationen gegeben hat. Die große Frage ist, welche weitere Bausteine das Land Berlin neben einem Communities-Zentrum fördern wird, um auch hier das Leben von Schwarzen Menschen konkret zu verbessern.
Was sollte das Land noch machen?
Each One Teach One (EOTO) ist ein Bildungs- und Empowerment-Projekt. Seit 2012 setzt sich der Verein durch kulturelle Veranstaltungen, Jugendarbeit, Beratung und Lobbyarbeit für die Interessen Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen ein.
Afrolution Vom 23. bis 26. Juni lädt EOTO zum Afrolution-Festival. Unter dem Titel „Planetary [Vulner]Abilities. African//-Diasporic Worldmaking“ diskutieren Wissenschaftler, Künstler und Aktivisten über die Herausforderungen von Menschen afrikanischer Herkunft. (taz)
Ganz klar ist für uns, dass es endlich Black Studies an einer Berliner Hochschule geben muss. Berlin ist die europäische Hauptstadt, die eine zentrale Funktion in Zeiten der Kolonialherrschaft hatte, weil hier der afrikanische Kontinent aufgeteilt wurde – und wir haben nicht einen Black-Studies-Lehrstuhl in ganz Deutschland.
Keinen einzigen?
Nein! Es gibt einzelne Akteur*innen, die etwas geschafft haben, wie Professorin Maisha-Maureen Eggers, die verschiedentlich Gastprofessorin in Berlin war und aktuell die Audre Lorde-Gastprofessur des Diversitäts-Netzwerks der Berlin University Alliance innehat. Andere wie Prof. Vanessa Thompson wurden leider kürzlich nach Kanada abgeworben. Aber es gibt keinen expliziten Black-Studies-Lehrstuhl – und da würde ich das Land Berlin in der Verantwortung sehen, aber auch den Bund.
Wieso den?
Weil wir insgesamt eine neue Infrastrukturpolitik brauchen. Wir brauchen als Gesellschaft nicht nur eine digitale Transformation, eine ökologische Transformation, wir brauchen auch eine strukturelle Transformation im Bereich Antidiskriminierung und Empowerment. Da reicht nicht ein Zentrum, da braucht es viele Zentren für viele Communities: für die Sinti-und-Roma-Communities, für LGBTI-Communities – und in Berlin muss es die eigentlich auch in unterschiedlichen Bezirken geben. Es gibt zum Beispiel queere Jugendliche, die können nicht durch ganz Berlin reisen und überall hingehen. Da braucht es Maßnahmen, damit diese Communities auch dort, wo sie leben, jeweils ein Zuhause haben. Hier muss Berlin noch mal nachlegen – zumal man jetzt mit dem Zentrum die Latte für den eigenen Anspruch hochgelegt hat.
Ist das nicht ein bisschen viel verlangt, dass jede diskriminierte Minderheit in jedem Bezirk ihr eigenes Zentrum bekommen muss?
Es geht nicht darum, dass in jedem Kiez fünfstöckige Gebäude für Vereine hochgezogen werden. Es geht darum, auf der politischen Ebene von dieser Projektlogik wegzukommen, die immer nur temporär unterstützt, hin zu einer Infrastrukturlogik. Gruppen müssen selbst bestimmen können, was sie brauchen – und dafür muss es Räume geben. Diese Raum- oder Mietenfrage, die ja auch gesamtgesellschaftlich gerade sehr diskutiert wird, betrifft marginalisierte Communities in ganz besonderer Art und Weise. Das muss von der Politik mitgedacht werden.
Denken Sie, das Black Community Zentrum wird über Berlin hinausStrahlkraft haben?
Da sind wir uns sogar ziemlich sicher. Es gibt zwar europaweitzahlreiche Schwarze Initiative und Vereine und auch einigeCommunity-Zentren – aber ich kenne keines, bei dem die öffentliche Hand so umfassend in die finanzielle Verantwortung geht und das Zentrum tatsächlich in zivilgesellschaftlicher Hand ist, so wie es bei uns sein wird, wenn alles klappt. Allein das wird schon Strahlkraft haben! Und wir machen ja unsere bisherige Arbeit weiter, etwa das Kompetenznetzwerk zu Anti-Schwarzem Rassismus (KomPAD), wo wir ständig im Austausch mit Kolleg*innen in anderen Bundesländern stehen. Natürlich werden Menschen aus anderen Bundesländern nach Berlin kommen, sich das anschauen und mitmachen – so wie wir uns auch von Vereinen in Hamburg, München usw. inspirieren lassen. Allerdings hängt es schon bisschen davon ab, inwieweit der Bund sich noch finanziell engagieren wird bei uns, damit wir wie geplant ein weiteres Stockwerk obendrauf packen können, um noch mehr Platz für mehr Menschen und mehr Vereine zu bekommen.
Wie viel brauchen Sie insgesamt?
Wenn wir die 3,65 Millionen von Berlin bekommen und dazu die zugesagte mehr als eine Million von der Lotto-Stiftung Berlin, haben wir etwa die Hälfte zusammen. Je nachdem, was der Bund gibt, müssen wir uns für den Rest etwas überlegen, zum Beispiel Fundraising-Kampagnen, damit der Kredit nicht so groß wird. Den Kredit werden wir mit Mieteinnahmen abzahlen. Je mehr der Bund beiträgt, umso sozialverträglicher können wir die Mieten gestalten und Gemeinschaftsflächen ermöglichen. Und wenn der Kredit irgendwann abbezahlt ist, sind wir als Community noch unabhängiger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers