Bizim Kiez-Demo gegen Heimstaden und Co.: Von der Straße ins Radio
Wegen Corona wird der jährliche Laternenumzug gegen Verdrängung in Berlin zu einer Radiodemo umfunktioniert. Auf UKW 88,4 wird das Viertel beschallt.
Anwohner:innen im Wrangelkiez, die sonst beim Laternenumzug mitliefen, sollen den nichtkommerziellen Hörsender mit dem Slogan „Kreatives Radio für Berlin“ anmachen, Boxen auf den Balkon stellen und ihre Autoradios aufdrehen. In der Sendung kommen Menschen aus bedrohten Häusern und Läden zu Wort – ihre Geschichten über Strategien und Erfolge werden erzählt.
Seit sechs Jahren ist der Umzug Tradition: Anwohner:innen und Gewerbetreibenden klappern mit selbst gebastelten Laternen, großen Kiezdrachen und sonstigem Geleuchte die Hotspots der Gentrifizierung im Wrangelkiez ab. In den vergangenen Jahren beteiligten sich laut der Initiative bis zu 2.000 Menschen. Philipp Vergin von Bizim Kiez sagt: „Vor allem für von Verdrängung bedrohte Kinderläden und Kitas sowie vom Thema bewegte Eltern ist das eine wunderbare Form von familienfreundlichem Protest.“
Man habe sich immer zum Basteln getroffen, der Umzug leuchte schön, Kinder liefen mit. „Das gibt uns einen Extraschub, weil es was anderes ist, als die klassischen Demos“, sagt er. Klar sei er traurig, dass man sich wegen Corona in diesem Jahr etwas anderes überlegen musste, aber er sei nun sehr gespannt wie die Radiodemo funktioniere. Er hoffe, dass der Kiez ordentlich beschallt werde.
Gegen Heimstaden, für Kisch & Co
An den aktuellen Orten der Verdrängung gibt es dieses Mal stationäre Radioanlagen, die den Kiez bespielen: So etwa bei einem Haus in der Wrangelstraße, das der skandinavische Investor Heimstaden kaufen will. Es ist eines von 140 Häuser stadtweit, bei dem sich viele der betroffenen Mieter:innen in Rekordzeit organisiert haben und enormen Druck aufbauen, damit Bezirke und Senat das Vorkaufsrecht durchsetzen.
Empfohlener externer Inhalt
Ebenso fordern die Mieter-Initiativen wie schon die „23 Häuser“ bei der Shoppingtour der Deutschen Wohnen eine Ausweitung des Vorkaufsrechts und ein Verbot von Umwandlung in Eigentum. Ein weiterer Fokus der Radiodemo wird auf Kisch & Co liegen, dem von Verdrängung bedrohten Buchladen in der Oranienstraße 25. Dort ist eine Räumungsklage anhängig, es gab bereits mehrere Kundgebungen dagegen.
In der Oranienstraße 25 ist noch immer unklar, wer die wirklichen Eigentümer:innen hinter dem luxemburgischen Investmentfonds sind, der das Haus kürzlich zum Spekulationspreis gekauft hat, trotz hartnäckiger Recherchen von Bewohner:innen. Selbst die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat in dem zweijährigen Projekt „Wem gehört die Stadt“ noch keinen eindeutigen Beleg gefunden, wer hinter dem Firmengeflecht steckt. Die Spuren verliefen sich bislang auf halbem Weg zu den Erben des schwedischen Tetrapak-Gründers und Multimilliardärs Ruben Rausing.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!