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Gerichtsentscheidung zu BirkenstockStreit um die Sandale

Die Birkenstock-Gruppe wollte höchstrichterlich feststellen lassen, dass ihre korkige Sandale einzigartig ist. Jetzt entschied der Bundesgerichtshof.

Birkenstocksandalen im Schaufenster: Ist das Kunst oder einfach nur ein Schuh? Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Berlin taz | Sind Birkenstock-Sandalen Kunst? Nein – zumindest nicht, wenn es nach dem Bundesgerichtshof geht. Für mehrere Modelle der angesagten Gesundheitslatschen entschied der BGH am Donnerstag, dass sie keine „urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst“ seien. Konkurrenzsandalen müssen folglich nicht vom Markt genommen werden.

Die Birkenstock-Gruppe hatte gegen Nachahmer geklagt, weil der Designschutz für frühe Modelle nach 25 Jahren abgelaufen war. Als Kunstwerke hätten die Sandalen Urheberrechtsschutz genossen – bis 70 Jahre nach dem Ableben des Schöpfers.

Die Sandale

„Mich hatte Mode ja überhaupt nicht interessiert“, sagte der Erfinder der Sandale, Karl Birkenstock, vor 25 Jahren im Gespräch mit der taz. Sein Vater und Großvater hatten das „Blaue Fußbett“ patentieren lassen, eine orthopädische Schuheinlage zur Korrektur von Fehlstellungen.

Karl Birkenstocks Idee, die Einlage nicht länger in Schuhe zu legen, sondern mit Riemen und Sohle einen eigenen Schuh um die Korkeinlage herumzukonstruieren, kam überhaupt nicht gut an. „Idiotische ausgehöhlte Baumstämme“ kommentierten Schuhhändler die Innovation. Werbebriefe an Arztpraxen retteten das Familienunternehmen vorm Bankrott, als Berufsbekleidung ging das kontroverse Design durch. Ein Gipsverband muss ja auch nicht schön sein, sondern zweckmäßig.

Dass es heute Milliardenumsätze gibt, verdankt das Unternehmen auch Margot Fraser, einer Schneiderin aus Kalifornien, die in den 60er Jahren Deutschland besuchte. „Schuhe zu der Zeit waren spitz und hatten einen Absatz, also eine reine Tortur für die Füße!“, schreibt sie später über die Marktlücke bequemer Schuhe. Von ihrer Reise brachte sie auch eine Birkenstock-Vertriebslizenz mit, ab 1966 baute Fraser Birkenstock USA auf.

Irgendwie total müsli

Weil die Gesundheitslatschen aber auch dort zunächst Skepsis unter den Schuhhändlern auslösten, versuchte sie es 1967 beim Treffen der „Association for Health Foodstore Owners“ in San Francisco. Das Image, irgendwie total müsli zu sein, mag also durchaus daher stammen, dass Birkis zwischen Schrotmühle und Biomehl zum Verkauf angeboten wurden. Denn über dieses Vertriebsnetz von Reformhäusern fanden Schuhe und Zielgruppe dann doch noch zusammen: Hippies, Naturverbundene, Menschen, denen wie Margot Fraser schlicht die Füße weh taten.

Über 50 Jahre später befreit im Film „Barbie“ eine andere Margot, Schauspielerin Margot Robbie, ihren Fuß von der für Barbiepuppen typischen Fehlstellung und bringt ihn (und sich selbst) mithilfe von Birkis zu Bodenhaftung.

Diese perfekte Produktplatzierung illustriert, wie sich das Marketing des Unternehmens seit der Reformhauszeit entwickelt hat. Genau wie Kofferhersteller Rimowa, Kaschmirspezialist Loro Piana und Juwelier Tiffany gehört Birkenstock heute zu LVHM (Louis Vuitton Moët Hennessy), dem größten Luxusgüterkonzerns der Welt. Trotz Börsengang und Dividendendruck werden noch immer 95 Prozent aller Waren in Deutschland hergestellt.

Skandale liegen eine Weile zurück: Die taz berichtete 1996 von Schikanen nach Gründung eines Betriebsrats und über ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen bis ins Jahr 2012.

Blickt man heute auf den Schuh – eins der schlichten, klassischen Modelle wie „Madrid“, keine der aus Kollaborationen mit anderen LVHM-Modehäusern entstandenen Luxusgüter – dann ist da ein Objekt, das den Geist des Bauhaus in sich zu tragen scheint: Einfach und wahr, geformt nach den Gesetzen der Zweckmäßigkeit. Ohne jedes Dekor verschleiert hier auch nichts den Blick auf die Qualität des Materials, die Haltbarkeit und den Gebrauchswert.

Karl Birkenstock entwarf den Schuh einst, ohne Mode im Kopf zu haben. Aber hatte er Kunst im Kopf? Zumindest kündigte Birkenstock-Anwalt Konstantin Wegner schonmal weitere Verfahren an: Die Sandalen hätten ein „ikonisches Design“ und seien besonders schutzwürdige Schöpfungen.

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16 Kommentare

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  • Schön, dass Gerichte etwas Sinnvolles zu tun haben und es ihnen nicht langweilig wird.

  • Es war, glaube ich, Salvador Dalí, der einmal sagte, dass Kunst nur dann Kunst sei, wenn sie gefälscht werde - und fälschte einen Buñuel-Film, um zu beweisen, dass Filme der Kunst zuzurechnen sind.



    Damit sei bewiesen, dass auch Schuhe prinzipiell Kunst sein können, wenn davon Fälschungen in Umlauf gebracht werden. Ob der BGH das wohl berücksichtigt hat?

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    Q: Wie läuft der Prozess um die Sandale?

    A: Zeh.

  • Bezüglich Skandale habt ihr vergessen, dass nach dem Verkauf fast allen Händlern einseitig die Verträge gekündigt wurden, damit man jetzt eigene Stores aufzieht. Hier wurden jetzt jahrzehntelangen Partnern der Firma quasi die Existenzgrundlage entzogen, nur um die Profite zu steigern.

  • Birkenstocks sind gar nicht so toll, auch nicht langlebig, und dafür viel zu teuer, frau bezahlt offenbar den Namen bzw. die Aktionäre von Vuitton & Co. Die Alternativen sind reichlich auf dem Markt, kosten tw. die Hälfte, und einige sind wirklich komfortabler.

    • @OndaOnda:

      Es gibt da den LVMH Shareholders’ Club, in dem frau/man Mitglied werden kann, wenn man wenigstens eine LVMH-Aktie hält (im Moment sind sie für unter 700€ zu haben). Ich habe mir schon einmal ernsthaft überlegt, ob ich mir genau aus diesem Grund ein paar Aktien von denen kaufen soll ... ;)

  • Größenwahnsinnig?



    Birkenstock kann 25 Jahre Designschutz für jeden Artikel beantragen, dann darf jeder das Design kopieren. Und das ist auch gut so, denn sonst bleiben Erfindungen/Designs immer in einer Hand und werden sehr teuer.



    Birkenstock von früher und die Konzernsandale von heute haben kaum noch etwas gemeinsam. Birkenstock ist für mich nicht der der Begriff für Individualität, sondern einfach nur überteuerte Massenware.



    Danke Herr Richter für die Ablehnung als "Kunstwerk".

  • Hat die Firma Minderwertigkeitskomplexe? Verstehe ich nicht. Qualitativ ist weit und breit keine Konkurrenz zu Birkenstock zu sehen. ALLE Mitbewerber bieten nur minderwertige Qualität. Selbst die teuren. Ich habe noch keine Ausnahme gefunden. ALLE anderen sparen am Material und die Haltbarkeit ist nur ein Bruchteil von Birkenstock.

    Die Geschichte kann man sich nur so erklären, dass Birkenstock auch gern die Qualitätsstandards senken würde. Dann könnte man sich tatsächlich auch billigere Produkte kaufen.

  • Dass sich Gerichte so einen Quatsch überhaupt annehmen übersteigt mein Rechtsempfinden.

    • @Der Cleo Patra:

      Gerichte nehmen sich jedes Problems an, bei dem es um viel Geld geht.

  • Birkenstock hätte sich mit seiner Sandale wahrscheinlich direkt zur Markteinführung in ein Museum stellen müssen. Dann hätte sein Abdruck womöglich auch gleich einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

  • "Folgt der Sandale!" - das wäre Kunst.



    Auf Luxus gepimpte Fußware ist es nicht.



    Was für ein peinliches Manöver.

  • Der einzige, der sich mit diesem Zirkus seine Daseinsberechtigung und Bezahlung über Jahre sichern wird, ist der Anwalt. Problem: Gerichte müssen sich in allen Instanzen mit so einem Käse beschäftigen. Kostet Steuergelder, und wirklich wichtige Dinge bleiben auf der Strecke.

  • Health FooTstore? ;-)

  • Mir fiel nach dem Artikel nur ein Kalauer ein:



    ".... ziemlich ausgelatscht, das Ganze...."

  • Einfach nur Bullshit. Ist nur, um Konkurrenz loszuhaben.

    Patenttrolle mit der ausgeklügelten Idee, das als Kunstobjekt zu verkaufen.