Biohändler listen AfD-Hirse aus: „Kein enkeltaugliches Wirtschaften“
Alnatura, BioCompany, dennree, Weiling, Biomare verkaufen keine Ware der Spreewälder Hirsemühle mehr, weil deren Chef bei der AfD aktiv ist.
„Diese Partei leugnet den menschengemachten Klimawandel. Damit stellt sich der maßgebliche Entscheider der Spreewälder Hirsemühle gegen die Werte von Biomare und der gesamten Bio-Branche“, heißt es auf der Internetseite der Leipziger Kette mit drei Filialen. In ihrem Sortiment hätten „Produkte aus einem Hause, das sich gegen mehrere wichtige Kriterien für Nachhaltigkeit stellt, keinen Platz“. Deshalb verkauft Biomare nicht mehr Hirsekörner- und flocken des Brandenburger Herstellers, die zum Beispiel für Müslis oder Brot verwendet werden.
Die BioCompany (58 Filialen in Berlin, Hamburg und Dresden) schrieb der taz, Mühlenchef Plessow äußere sich öffentlich zu Themen wie Migration und Klimawandel „auf eine Art und Weise, die sich mit unseren Werten und Überzeugungen, wie z.B. Vielfalt und Toleranz, sowie nachhaltiges, enkeltaugliches Wirtschaften nicht vereinbaren lassen“.
AfD-Reaktion: „Linke Meinungsdiktatur“
„Alnatura hat sich gegründet unter dem Leitgedanken, Sinnvolles für Mensch und Erde zu leisten. Der Klimawandel ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen menschengemacht“, erklärte das Unternehmen, das mehr als 100 Geschäfte in Deutschland und der Schweiz hat. Ökolandbau sei eine Möglichkeit, das Klima zu schützen. Die Kette arbeite mit Partnern, „die auf der Erkenntnis dieser wissenschaftlichen Grundlage diesen Weg konsequent mit uns gehen wollen“.
Biomare hatte Mühleninhaber Plessow vor der Auslistung die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. In seiner Antwort warf Plessow Biomare-Chef Malte Reupert eine „linksradikale“ Einstellung und „Stasi-Manier“ vor und vermutete, Reupert sei „Westdeutscher“. Nach der friedlichen Revolution 1989 in Ostdeutschland etabliere sich mehr und mehr eine „linke Meinungsdiktatur“.
Auf Reuperts Vorhaltung, dass die AfD den menschengemachten Klimawandel leugne, antwortete der Hirsemüller: „Klimaschutz ist aussichtslos.“ Es sei auch „kompletter Schwachsinn“, alle Atom- und Kohlekraftwerke abzustellen. Plessow bestritt, dass die AfD rassistisch sei, ergänzte aber, „angebliche Flüchtlinge“ würden „durchgefüttert“ und dann auch noch integriert. Er zitierte einen Artikel aus der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit zu „Ausländerkrawallen“ und „Migrantenbanden“. Außerdem fragte er, was das „Engagement eines Menschen in einer Partei mit dem Produkt zu tun hat, das in seinem Unternehmen hergestellt wird“.
Biohändler will „bei sich selbst anfangen mit dem Verbessern“
Tatsächlich ist Biohändler Reupert Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Kreis Nordsachsen –„und nach eigenen Angaben „Teilnehmer der friedlichen Revolution 1989 in Leipzig“. Es gebe einen Unterschied „zwischen einer echten Verfolgung mit Gefängnis, Berufsverboten bis hin zu Mord – und einem Widerspruch in einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung“, schreib Reupert dem Hirsemüller. Kaum ein mit der Sache befasster Wissenschaftler habe Zweifel an der Verantwortung des Menschen für den Klimawandel. Deutschland sei „bei Wohlstand, Demokratie, öffentlichen Institutionen, innerer und äußerer Sicherheit und sozialer Absicherung jeweils unter den besten 10 Staaten auf der Welt“. Es gebe Probleme etwa beim Klimaschutz und der Integrationspolitik. „Nur entbindet uns das alles nicht von der Notwendigkeit und Pflicht, bei uns selbst anzufangen mit dem Verbessern.“ Er streiche deshalb nicht nachhaltige Produkte und Hersteller aus seinem Sortiment.
Christian Lüth, Pressesprecher der AfD-Bundestagsfraktion, rückte die Hirsemühle-Auslistung in die Nähe mit dem Boykott jüdischer Geschäfte, den das nationalsozialistische Regime ab 1933 organisierte. Damals hieß es auf Plakaten: „Deutsche! Wehrt euch! Kauft nicht bei(m) Juden!“ Lüth twitterte nun über das Biomare-Schild zur Hirsemühle: „Ökos! Wehrt Euch! Kauft nicht bei AfDlern!“
„Das ist inhaltlich falsch, weil ich nicht Politik oder Staat oder Medien bin, sondern Unternehmer, der eine Sortimentsentscheidung für sich selber trifft“, sagte Reupert der taz. Die Kriterien lege er „nach den Erwartungen meiner Kunden und meinen eigenen Werten“ fest. Das sei von seiner im Grundgesetz verankerten Gewerbefreiheit gedeckt.
Plessow ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
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