Bio-Würstchen fürs Millerntor: Gutes Gewissen für den Fan-Bauch
Veganes konnten Fans des FC St Pauli bei Heimpsielen schon länger snacken. Nun stellt der Fußball-Zweitligist komplett auf Bio-Würstchen um.
Von Nazis zu anderen Schweinen: Es sind, zugegeben, etwas andere Zutaten im Spiel, weniger dramatische vielleicht, wenn der derzeit Zweitligist dieser Tage wieder ein erstes Mal verkünden konnte. Mit Beginn der Saison 2023/24 bietet der FC St. Pauli im Millerntorstadion nur noch Würstchen in Bioqualität an, ob mit Fleisch und ohne. „Aus regionaler, artgerechterer Tierhaltung und ökologischem Anbau“ stammen demnach in Zukunft die fettigen Snacks. „Damit kommt der Verein zum einen den Wünschen vieler Mitglieder und Fans nach, die ein solches Angebot gefordert haben, und setzt zudem ein bedeutsames Ziel in seiner umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie um.“ Die umfasst etwa den Strom aus erneuerbaren Quellen respektive die eigene Fotovoltaikanlage auf dem Stadiondach. Aber eine Lappalie ist es nie, wenn es in deutschen Stadien um die Wurst geht: Die ist ein enorm emotional aufgeladenes Thema.
Zu einem der „veganfreundlichsten Stadien“ hierzulande hat die Tierrechtsorganisation Peta das Millerntor wiederholt erklärt, so landete die Spielstätte schon mal auf Platz zwei in einem ligaübergreifenden Vergleich; besser schnitt 2018 nur das Stadion von Schalke 04 ab. Eine schon zur vergangenen Saison hin entwickelte vegane Stadionwurst mit Zutaten aus ökologischem Anbau, zunächst in den Hospitalitybereichen sowie im Klubheim angeboten, kommt nun im ganzen Stadion ins Angebot. Und selbst verbliebene Fleischesser:innen sollen mit vergleichsweise guten Gewissen snacken dürfen.
„Na und?“, mag sich nun manche:r fragen. „Wie viele von den Dingern werden da wohl umgesetzt?“ Wie groß also können die Effekte sein, die so ein zuallererst doch symbolischer Move zeitigt? Immerhin: 10.000 Würstchen sind es nach Angaben des Vereins, die an einem Spieltag verputzt werden, das macht derzeit rund ein Würstchen auf drei Besucher:innen; das Haus ist bei Heimspielen ja grundsätzlich voll. Noch etwas genauer gelesen hat die überhaupt stets gut informierte Lokalpresse die Vereinsmitteilung: 7.000 Würste entfallen laut Hamburger Abendblatt auf normale Fans, weitere 3.000 auf „die VIPs im Hospitalitybereich“. Leider nicht durchleuchtet hat der Millerntor-Korrespondent auf die Schnelle, wie viele davon noch Fleisch enthalten; also: wie viele Würstchen, nicht Fans.
Was sie wohl in Kaiserslautern so alles auf den Grill legen, auf dem berüchtigten Betzenberg? Dorthin nämlich führt der Spielplan der nun beginnenden Zweitligasaison 2023/24 die Hamburger zuerst: zum Auswärtsspiel gegen die „Roten Teufel“. Richtig akut wird es mit der Biowürstchen-Offensive also erst an Spieltag zwei – wenn am kommenden Samstag Fortuna Düsseldorf zu Gast ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen