Bildungsversprechen der Groko: Mehr Geld für die frühe Bildung
Union und SPD wollen Kitas in sozial benachteiligten Lagen stärken und so langfristig Schulabbrüche vermeiden. Kann das klappen?
CDU, CSU und SPD adressieren damit ein seit Jahren ungelöstes Problem: Trotz steigender Bildungsausgaben verlassen in Deutschland Jahr für Jahr rund 50.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss. Die Quote der Abgänger:innen lag damit bei zuletzt 12,8 Prozent – nur in zwei EU-Ländern, Rumänien und Spanien, war sie noch höher.
Um das Problem endlich in den Griff zu kriegen, setzen Union und SPD nun auf gezielte Förderung im Vorschulalter – eine Strategie, die im jüngsten Nationalen Bildungsbericht dringend empfohlen wird, um die gravierenden Leistungsunterschiede zwischen privilegierten und benachteiligten Schüler:innen zu minimieren. „Die ersten sechs Lebensjahre sind hier entscheidend“, sagt der Bildungsforscher Kai Maaz der taz. Für die Schulen könne es nur von Vorteil sein, wenn soziale Unterschiede schon an Kitas minimiert würden.
Konkret wollen Christ- und Sozialdemokraten neben mehr verbindlicher Frühdiagnostik das von der Ampel eingestampfte Bundesprogramm „Sprachkitas“ neu beleben sowie das „Startchancenprogramm“ auf die Kitas ausweiten. Beide Programme haben einen guten Ruf: Die „Sprachkitas“ wurden 2016 (von der Groko) aufgelegt, um Kitas mit einem hohen Anteil an Kindern mit Sprachförderbedarf zu unterstützen. Im Sommer 2023 lief das Programm trotz großen Protestes aus. Aktuell führen die meisten Bundesländer die Förderung aus eigener Tasche fort.
Lob selbst von den Linken
Das „Startchancenprogramm“ ist einer der wenigen Erfolge der Ampel-Regierung: Bundesweit erhalten darüber bis zu 4.000 Schulen in sozial benachteiligter Lage zusätzliches Personal, Geld sowie Beratung in der Schulentwicklung. Erstmals bei einem Bund-Länder-Programm werden die Mittel dabei auch nach sozialen Kriterien vergeben.
Entsprechend positiv fallen die Reaktionen auf die Pläne von Union und SPD aus: „Wir dürfen mit der Verbesserung der Chancengleichheit nicht erst in der Schule anfangen, sondern es muss schon viel früher sein, eben in der Kita“, sagt die Präsidentin der Bildungsministerkonferenz Simone Oldenburg (Linkspartei) auf taz-Anfrage. Daher begrüße sie das „Startchancenprogramm“ für die Kita. Passend dazu wollten sich die Bildungsminister:innen kommende Woche über bessere Übergänge zwischen Kita und Grundschule austauschen.
Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD), die für ihre Partei bei den Koalitionsverhandlungen dabei ist, lobt vor allem „die Erkenntnis, dass Kitas ebenso wie die Schulen immer bunter und vielfältiger werden, dass die Voraussetzungen, die Kinder von zu Hause mitbringen, immer unterschiedlicher werden“.
Anja Bensinger-Stolze, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), bezeichnet die Pläne von Union und SPD zwar als einen Schritt in die richtige Richtung. Sie bezweifelt aber, dass sie ausreichen, um die hohe Zahl der Schulabbrecher:innen spürbar zu senken. „Dafür müssen auch die Unterstützungssysteme an Schulen besser werden“, sagt Bensinger-Stolze zur taz. Noch immer gäbe es viel zu wenige Psycholog:innen oder Sozialarbeiter:innen an Schulen.
Woher kommt das Geld?
Um gleiche Chancen für alle sicherzustellen, dürften Schüler:innen vor allem nicht schon nach der vierten Klasse getrennt werden, wie es in fast allen Bundesländern der Fall ist. „Ohne längeres gemeinsames Lernen bis Klasse zehn nehmen wir ihnen diese Chance“, so Bensinger-Stolze. Und natürlich sei auch noch gar nicht klar, wie viel Geld den möglichen Koalitionären ihre Bildungsversprechen wert sind.
Dazu haben Union und SPD vor dem Start der Koalitionsverhandlungen noch keine Aussage getroffen. Karin Prien, CDU-Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und Verhandlerin ihrer Partei in der Gruppe Bildung, Forschung und Innovation, bittet auf Anfrage um Verständnis, „dass ich unseren Gesprächen nicht vorgreifen will“.
Einen Vorschlag, wie eine ausreichende Finanzierung sichergestellt würde, haben am Mittwoch 16 zivilgesellschaftliche Organisationen unterbreitet. In einem offenen Brief erinnern sie die SPD-Spitze an das Wahlversprechen, Superreiche zu besteuern. Für Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz, Bildung und öffentliche Infrastruktur seien jährlich mindestens 60 Milliarden Euro notwendig, fordert das Bündnis – also mehr als das geplante Sondervermögen bereitstellen würde.
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