Bildungspaket für bedürftige Familien: Bund will Geld zurück
Weil die meisten Länder das Geld aus dem Bildungspaket 2012 nicht abgerufen haben, sollen sie es jetzt zurückzahlen. Dagegen wollen sie klagen.
BERLIN taz | 284 Millionen Euro. Diese Summe will der Bund von den Ländern zurückhaben, konkret aus dem Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder ärmerer Familien. Die Länder hätten das Geld aus dem Bildungspaket nicht vollständig abgerufen, so der Bund.
Was steckt dahinter? Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat 2011 das Bildungspaket für sozial schwache Familien beschlossen. Damit sollten Mütter und Väter ab 2012 unter anderem Nachhilfestunden für ihre Kinder, Klassenfahrten, Vereinsbeiträge und ein warmes Mittagessen in der Schule bezahlen. Aber viele Eltern haben erst gar keine Anträge gestellt. Begründung: Der Aufwand sei zu hoch, die Formulare seien zu kompliziert und unverständlich.
Bund und Länder streiten sich schon länger über die Rückforderung von Mitteln für das Bildungspaket aus dem Jahr 2012. Betroffen sind 14 der 16 Bundesländer. Brandenburg soll laut des Sprechers des Landessozialministeriums rund 14 Millionen Euro zurückgeben. Von Nordrhein-Westfalen fordert der Bund die höchste Summe von knapp 70 Millionen Euro zurück. Berlin soll rund 49 Millionen Euro zurückzahlen, Bayern 23 Millionen Euro. Nur Hamburg und Bremen haben 2012 das Geld ausgegeben, das sie damals bekommen haben. Die beiden Nordländer erhalten jetzt vom Bund sogar geringe Nachzahlungen.
Der sozialpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Wolfgang Strengmann-Kuhn, nannte das Bildungs- und Teilhabepaket gegenüber der taz ein „bürokratisches Monster“. 30 Prozent der Gesamtausgaben für das Paket würden allein für die Verwaltung aufgewendet. Was tatsächlich bei den Menschen ankomme, sei durch die hohen bürokratischen Hürden dem Zufall überlassen. „Das Bildungspaket gehört in seiner jetzigen Form abgeschafft“, sagte Strengmann-Kuhn. Kritik äußerte Strengmann-Kuhn auch an Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD): In der Opposition 2011 habe Nahles das Bildungspaket scharf kritisiert, jetzt treibe sie als Ministerin Forderungen nach Rückzahlung der Gelder voran.
Diskriminierendes Genehmigungsverfahren
Wie das Bildungs- und Teilhabepaket bei den Familien tatsächlich ankommt, erlebt täglich Bernhard Heeb. Der Mann ist Geschäftsführer des Nachbarschaftsheims in Berlin-Neukölln. Die Einrichtung schickt Fachkräfte in Schulen, die dort mit den leistungsberechtigten Kindern arbeiten: Unter anderem geben sie denjenigen Schülerinnen und Schülern Nachhilfe, die versetzungsgefährdet sind.
Das Genehmigungsverfahren bezeichnete Heeb als „diskriminierend und überkompliziert“. Weil viele Eltern das Antragssystem nicht durchschauten, würden sie das Geld nicht beantragen. Das wiederum fiele auf ihre Kinder zurück, deren Chancen weiter eingeschränkt würden.
Heeb fordert daher, dass die vom Bund bereitgestellten Mittel für die sozial schwachen Kinder von vornherein in die vorhandene Infrastruktur investiert werden sollten, etwa in Horte, Sportvereine und Schulen.
Gegen die Forderung des Bundes haben Nordrhein-Westfalen, Niedersachen und Brandenburg bereits Klage eingereicht. „Bayern wird als Sachwalter der Kommunen dieses Vorgehen nicht hinnehmen“, heißt es im bayerischen Sozialministerium. Auch Thüringen will klagen.
Die anderen Länder streben stattdessen eine sogenannte Musterprozessvereinbarung mit dem Bund an, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa in den Ländern ergab. Das heißt: Sollten die klagenden Länder vor dem Bundessozialgericht Recht bekommen, würde das Urteil auch für alle anderen gelten.
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