Beziehungen zwischen USA und China: Corona vertieft die Krise
China und die USA manövrieren sich immer tiefer in einen Konflikt mit gefährlichem Potenzial. Manche sehen schon das Ende der Ära westlicher Dominanz.
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Wie diese im konkreten aussieht, dafür hat die Regierung unter Donald Trump in den letzten Tagen und Wochen Dutzende Fallbeispiele geliefert: Wenn etwa US-Außenminister Mike Pompeo von einem „bedeutsamen Maß an Beweisen“ spricht, dass das Virus einem Labor in Wuhan entsprungen sei, während gleichzeitig fast sämtliche Wissenschaftler und westlichen Geheimdienste dem widersprechen. Weder hat die US-Regierung bislang irgendwelche Indizien vorgelegt, die über öffentlich verfügbare Medienberichte hinausgehen. Noch erscheint die Labortheorie mit dem heutigen Wissensstand als annähernd wahrscheinlich.
Nun könnte die chinesische Staatsführung die wüsten Anschuldigungen nutzen, um als besonnen reagierende Weltmacht diplomatischen Boden gut zu machen. Stattdessen passiert das genaue Gegenteil: Die Staatsmedien haben sich in ihren antiamerikanischen Entgleisungen auf ein neues Hochmaß hochgejazzt. Pompeo wird wahlweise als „Lügner“ oder „Feind der Menschheit“ bezeichnet, als „blödsinnig“ oder „Superschleuder politischer Viren“.
Gleichzeitig haben die chinesischen Propagandaorgane ihre Kommunikationsskills aufgebessert: Jüngst etwa postete die Nachrichtenagentur Xinhua ein ironisches Kurzvideo mit animierten Legofiguren über das katastrophale Krisenmanagement Washingtons. Außenministeriumssprecher Zhao Lijian deutete auf Twitter immer wieder an, dass das Virus eigentlich von der US-Armee bei einer militärischen Sportveranstaltung nach Wuhan importiert wurde. Nach wie vor verfängt der Gedanke bei vielen Chinesen.
Konflikt mit gefährlichem Potenzial
In China herrscht das Gefühl vor, dass die USA eine untergehende Macht sind, die mit letzter Kraft versucht, die Volksrepublik am Aufstieg zur Nummer 1 zu hindern. Der US-Politologe Ian Bremmer, Gründer der in New York ansässigen Denkfabrik Eurasia Group, konstatiert, die Beziehungen zwischen beiden Staaten seien so schlecht wie zuletzt infolge des Tiananmen-Massakers vom Juni 1989.
Welch gefährliches Potenzial ein solcher Konflikt hat, beweist ein Blick auf das Jahrbuch des Stockholmer internationalen Friedensforschungsinstituts: Demnach hat die Volksrepublik 2019 ihre Rüstungsausgaben noch einmal um 5,1 Prozent aufgestockt – und steht damit nach den USA an zweiter Stelle.
Zwar beträgt Chinas Militärbudget insgesamt nur ein Drittel dessen der USA, doch die Zahlen täuschen: Wenn man die niedrigeren Löhne und die günstigeren Preiszugänge mit einbezieht, dann erreicht China bereits fast 90 Prozent der US-Militärausgaben.
Und die Gefahr eines bewaffneten Konflikts steigt: Im März berichteten vietnamesische Fischer von chinesischen Schiffen im südchinesischen Meer; über das Wochenende hat die chinesische Küstenwache ein japanisches Fischerboot nahe einer Insel verfolgt, auf die beide Staaten Anspruch erheben. Innerhalb der Bevölkerung Chinas werden nationalistische Töne laut, man solle die fragile Situation der Coronapandemie auszunutzen, um Taiwan militärisch „zwangszuvereinen“.
Dass die Viruspandemie die geopolitische Weltordnung verändern wird, scheint gewiss. Der singapurische Exdiplomat und renommierte Buchautor Kishore Mahbubani etwa prognostiziert, dass die Ära der westlichen Dominanz nun endet. „Die Pandemie könnte den Startpunkt für das asiatische Jahrhundert markieren“, schreibt er im Economist.
Die neue Weltordnung könne, laut Mahbubani, paradoxerweise sogar eine demokratischere sein: „China will sein Modell nicht exportieren. Es kann sehr gut mit einer multipolaren Welt leben. Das anbrechende asiatische Jahrhundert muss nicht notwendigerweise unangenehm für den Westen oder den Rest der Welt sein.“
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