Abschluss der WHO-Generalversammlung: Die Blockade der Kritiker
Zu viel Einfluss privater Geldgeber, zu wenig Kontrollen vor Ort – doch ausgerechnet die schärfsten Kritiker der WHO blockieren Reformen.
D ie Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist eine Marionette Chinas. Beide gemeinsam sind verantwortlich für die weltweite Verbreitung des Coronavirus, das in einem chinesischen Labor gezüchtet wurde. Mit diesen Falschbehauptungen rechtfertigt US-Präsident Donald Trump seine finanziellen Boykottmaßnahmen und Austrittsdrohungen gegenüber der WHO und versucht von seinen eigenen gravierenden Fehlern im Umgang mit der Pandemie abzulenken. Denn diese Fehler könnten ihn durchaus die Wiederwahl im November kosten.
Das Coronavirus wurde von US-Milliardär Bill Gates gezüchtet. Er kontrolliert die Weltgesundheitsorganisation und will im Interesse der Pharmakonzerne einen weltweiten Impfzwang durchsetzen. Diese Falschbehauptungen verbreiten Verschwörungstheoretiker und Rechtsextremisten, um ihre Ablehnung von Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus zu rechtertigen und ihre Verachtung des demokratischen Staates zu demonstrieren.
Gemeinsamer Nährboden für all diese höchst widersprüchlichen Falschbehauptungen sind zwei zentrale, sehr kritikwürdige und reformbedürftige Mängel der WHO. Zum einen hat die Organisation bislang keinerlei Handhabe, um in einem Mitgliedsland eigenständige Nachforschungen über Gesundheitskrisen anzustellen, wenn die Regierung – so wie in den ersten Monaten der Coronakrise die chinesische Führung – falsche oder unvollständige Informationen liefert. Notwendig wären neue, rechtsverbindliche Befugnisse für die WHO, die der Präsident Südkoreas Moon Jea In am Dienstag bei der Generalversammlung der Organisation gefordert hat. Etwa die Stationierung ständiger WHO-Beobachter*innen in allen 194 Mitgliedsländern mit uneingeschränkten Kompetenzen zur Informationsbeschaffung bei Regierungsbehörden wie bei nichtstaatlichen Akteuren.
Doch würde die lautstark nach Reformen der WHO rufende Trump-Administration die dauerhafte Anwesenheit von internationalen Beobachter*innen im eigenen Land akzeptieren? Auf die Gefahr hin, dass diese dann möglicherweise Informationen über die krankheits- und epidemiefördernden Mängel im US-Gesundheitssystem sammeln würden? Wahrscheinlich nicht. Bereits gegen die Formulierung in der am Dienstag von der WHO-Generalversammlung verabschiedeten Forderung nach einer „unparteiischen, unabhängigen und umfassenden Evaluierung“ der Reaktion auf die Corona-Pandemie nicht nur in China, sondern „weltweit“ – und damit auch in den USA – hatte Washington Bedenken.
Problematische Abhängigkeit
Zum Zweiten ist die WHO in den letzten 30 Jahren tatsächlich in eine höchst problematische finanzielle und damit auch gesundheitspolitische Abhängigkeit von der Gates-Stiftung, von Pharma- und Lebensmittelkonzernen sowie anderen privaten Akteuren geraten. Infolge dieses Einflusses hat die WHO ihr ursprüngliches Kernanliegen, die Unterstützung von Gesundheitssystemen in armen Ländern, zunehmend vernachlässigt. Diese problematische Entwicklung lässt sich nur wieder korrigieren, wenn die Mitgliedstaaten ihre seit 1993 eingefrorenen Pflichtbeiträge an die WHO endlich wieder deutlich hochfahren und den Einfluss privatwirtschaftlicher Akteure auf die Organisation reduzieren.
Aktuell ist aber zunächst einmal sicherzustellen, dass ein künftiger Impfstoff gegen Covid-19 unter der Koordination der WHO allen Menschen dieser Erde schnell und zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung gestellt wird. Vorausetzung dafür ist, dass die Patenschutzrechte der großen Pharmakonzerne für diesen Fall außer Kraft gesetzt werden, damit dann schnell in möglichst vielen Ländern preiswerte Generika hergestellt werden können. Die entsprechende Forderung in der am Dienstag von der WHO-Generalversammlung verabschiedeten Resolution stieß jedoch auf Ablehnung der USA. Washington möchte die Gewinninteressen des weltgrößten US-Pharmakonzerns Pfizer schützen. Das macht Trumps Kritik an der WHO über all seine Falschbehauptungen hinaus zusätzlich unglaubwürdig.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, Präsident Emmanuel Macron und andere europäische Politike*innen haben die maßlose Kritik und Drohungen Trumps gegen die WHO zwar zurückgewiesen. Aber noch ist keineswegs sicher, dass sich die Regierungen der Staaten, in denen die großen europäischen Pharmakonzerne und Pfizer-Konkurrenten Roche und Novartis (beide Schweiz), Sanofi (Frankreich) und GlaxoSmithKline (Großbritannien) ihren Sitz haben, auch gegen die Patentschutzinteressen dieser Konzerne für eine gerechte und schnelle globale Verteilung eines Covid-19-Impfstoffs zu bezahlbaren Preisen unter Koordination der WHO engagieren.
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