Bezahlung in Bekleidungsfabriken: Textilhersteller zögern beim Tariflohn
In Kambodscha wollen Zulieferer deutscher Unternehmen zeigen, dass höhere Löhne möglich sind. Doch nicht alle machen mit.
Bei Gesundheit und Ökologie kommt das Bündnis durchaus voran. Der Anteil nachhaltiger Baumwolle in hiesigen Geschäften nimmt zu, der Einsatz gefährlicher Chemikalien in der Produktion von Jeans und Jacken geht zurück. Bei der Bezahlung der Arbeiter*innen passiert dagegen fast nichts, obwohl das Bündnis „existenzsichernde Löhne“ als Ziel vereinbart hat.
Der staatlich festgesetzte Mindestlohn betrage in Indonesien beispielsweise rund 150 Euro pro Monat, sagte Gewerkschafterin Dina Septi Utami am Dienstag in Berlin. Um eine Arbeiterfamilie ausreichend zu finanzieren, sei eigentlich jedoch die dreifache Summe nötig. Die Kampagne für Saubere Kleidung hatte Vertreter*innen von Beschäftigten der Zulieferfabriken zu einem Kongress in die Hauptstadt eingeladen, um über gemeinsame Strategien zu diskutieren.
Kritiker*innen wollen endlich Bewegung sehen
Vier Jahre nach Start des Bündnis drängen die hiesigen Gewerkschaften und Kritiker*innen auf Bewegung in der Lohnfrage. 2019 sollten die Firmenmitglieder des Textilbündnisses nachweisen, dass die „Reallöhne durch eigene Initiativen deutlich steigen“, forderte Bernd Hintzmann von der Organisation Inkota. Außerdem müssten die Textilfirmen der Act-Initiative beitreten, so Hintzmann.
Act („Action, Collaboration, Transformation“) haben einige Textilkonzerne wie C&A, H&M, Inditex, Primark, Tchibo und Tesco zusammen mit dem Internationalen Gewerkschaftsbund Industrieall gegründet. Sie vereinbarten, die Textillöhne durch Tarifverhandlungen in den Lieferländern zu erhöhen. Erstmals soll das in Kambodscha gelingen. „Wir hoffen auf eine Verständigung im Jahr 2019“, sagte Nanda Bergstein von Tchibo. Bisher machen allerdings erst 19 Unternehmen mit. Die meisten deutschen Mitglieder des Textilbündnisses fehlen, auch Adidas, Kik, Otto oder Puma.
Die indische Gewerkschafterin Anannya Bhattacharjee hielt Act für einen sinnvollen Ansatz. Sie gab jedoch zu bedenken, dass Beschäftigten-Aktivisten in den Produktionsländern oft nicht frei arbeiten könnten. Aus der Sicht der Arbeitnehmer*innen begrenze das den Erfolg von Tarifverhandlungen. Außerdem steige die Bezahlung nur sehr langsam über das Niveau der viel zu niedrigen staatlich festgesetzten Mindestlöhne.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen