Bezahlbare Mieten: Bauplan für Deutschland

Die Ampel-Koalition möchte 100.000 Sozialwohnungen bauen. Eine Pestel-Studie zeigt: die bereitstehenden Gelder reichen dafür nicht.

eine Hausfassade mit Fenstern und dach auf einer nackten Häuserwand

Neue Wohnungen in Baulücken, hier in Berlin Foto: Sabine Gudath/imago

BERLIN taz | „Wohnen ist ein Grundbedürfnis.“ So steht es zumindest im Koalitionsvertrag. Eine Studie des Pestel-Instituts in Hannover, die das Verbändebündnis „Soziales Wohnen“ in Auftrag gegeben hatte und am Freitag in einer Pressekonferenz vorstellte, zeigt jedoch: 2021 fehlten in Deutschland 450.000 Wohnungen. Rund elf Millionen Mieterhaushalte haben in Deutschland Anspruch auf eine Sozialwohnung. Doch die Chance auf eine solche Wohnung liegt bei 1 zu 10.

SPD-Bundesbauministerin Klara Geywitz hat sich zur Aufgabe gemacht, das Grundbedürfnis auf Wohnen zu gewährleisten. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr, darunter 100.000 Sozialwohnungen, sollen neu entstehen, so lautet ihr Versprechen.

„Mit Geywitz haben wir eine Bundesbauministerin, die bauen will. Aber: Sie muss auch bauen können,“ sagte Robert Feiger, Bundesvorsitzender Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), am Freitag. Das hänge jetzt stark von Finanzminister Christian Lindner ab: Er müsse dringend einen milliardenschweren Topf für den Wohnungsbau schaffen.

In der aktuellen Studie zum Wohnungsbau stellte das Pestel-Institut fest: die jährlichen 2,2 Milliarden Euro, die zurzeit für den Wohnungsbau bereitstehen, sind zu wenig. Für mehr bezahlbaren, klimaneutralen und barrierearmen Wohnraum bräuchte es die drei- bis sechsfache Menge der momentan geplanten Gelder. Außerdem: die Bevölkerung wächst und wird immer älter. Vor allem in den großen sieben Städten fehlt es an bezahlbarem sowie barrierefreiem Wohnraum.

Energieeinsparung kostet Geld

Das Bündnis „Soziales Wohnen“, zu dem die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), der Deutsche Mieterbund, der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau sowie der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel gehören, stellte drei große Forderungen, um die Wende auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen.

Zunächst müsse dafür gesorgt werden, dass die 100.000 Sozialmietwohnungen mit Mieten um die 6,50 Euro nettokalt pro Quadratmeter auch wirklich gebaut werden können. Zudem müsse genug Geld investiert werden, um zusätzlich jährlich 60.000 sogenannte „bezahlbare Wohnungen“ bereitstellen zu können, deren Miete 8,50 Euro pro Quadratmeter nicht übersteigt.

Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbunds, meinte dazu: „Es braucht intelligente Politik, die Klimaschutz und sozialen Wohnungsbau verbindet.“ Die Pestel-Studie kalkuliert, dass es allein für den sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau mindestens sechs Milliarden Euro an jährlichen staatlichen Investitionen brauche. Möchte man zudem maximalen Klimaschutz gewährleisten und energieeffizient bauen, bräuchte es sogar jährlich 12.9 Milliarden Euro Zuschüsse.

Weiter fordert das Bündnis, der Wohn-Diskriminierung entschieden entgegenzutreten. Dafür sollen mindestens zehn Prozent der neu gebauten sozialen Wohnungen an ältere Menschen mit Behinderungen und andere benachteiligte Personen gehen wie psychisch Erkrankte, aus der Haft entlassene Personen oder Geflüchtete.

Altersarmut nimmt zu

Janina Bessenich, Geschäftsführerin Bundesverbands Caritas, Behindertenhilfe und Psychiatrie, sprach von einem sozialen Drama. „Es geht nicht nur um Zahlen, sondern um persönliche Schicksale. Die Wohnungsnot ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen,“ sagte sie.

Außerdem steige die Zahl der Menschen über 65, die in Armut leben, so die Studie. „Altersarmut, von der man früher sagte, die gebe es in Deutschland nicht, ist inzwischen sehr verbreitet,“ so Matthias Günther, Vorstand des Pestel-Instituts.

Die Zahl der Erwerbsfähigen werde vor allem in den östlichen Regionen Deutschlands in den nächsten Jahren zurückgehen, die Anzahl an alten Menschen und somit auch die der Menschen mit Schwerbehinderungen oder körperlichen Einschränkungen hingegen steigen, heißt es in der Studie. Das müsse im Wohnungsbau berücksichtigt werden.

Bauprozesse und Bauämter müssen digitalisiert werden

Um den Wohnungsbau zu beschleunigen, wurde zudem eine deutliche Verkürzung der Planungs- und Genehmigungszeiten gefordert. Dafür müsse der Ausbau der Fachkräfte in den Bauämtern kurzfristig vorangetrieben werden. Und es brauche eine schnelle Digitalisierung im Baubereich. Außerdem müsse für niedrigere Bau- und Grundstückkosten gesorgt werden. Eine Heruntersetzung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent für Baumaterialien würde die Kosten ebenso erheblich senken, heißt es in der Studie.

Robert Feiger betonte, dass der soziale und bezahlbare Wohnungsbau eine klare Priorisierung verlange. Geywitz und auch Lindner dürften somit keine Zeit verlieren, in diesen zu investieren.

Wo die Sozialwohnungen gebaut werden sollen, wurde kaum diskutiert. Es sei aber wichtig, Sozialwohnungen nicht an den Rand der Städte zu drängen. In den deutschen Innenstädten sei noch genug Platz für sozialen Wohnungsbau, so Lukas Siebenkotten.

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