Bewohnerin Franz über Tiny Houses: „Klein ist zukunftsweisend“
Tatjana Franz erklärt, was Wohnen mit Nachhaltigkeit zu tun hat und warum die kleinen Häuschen cool geworden sind.
taz: Frau Franz, in Ihrer Bachelor-Arbeit gehen Sie der Frage nach, ob Tiny Houses ein kurzfristiger Trend oder die Zukunft sind. Wie lautet die Antwort?
Tatjana Franz: Tja, die Zukunft kann ich leider nicht vorhersehen. Eines kann ich aber sagen: Kleiner Wohnraum ist zukunftsweisend und nicht nur ein Trend. Das heißt nicht, dass es später nur Tiny-Häuser geben wird. Gerade in der Stadt sind Tiny-Häuser nicht sinnvoll. Sie nehmen dort viel Platz weg, denn man kann sie nicht stapeln. Sinnvoller wäre es, kleinere Wohnungen zu schaffen. Die Tiny-Häuser zeigen eher symbolisch: Man kann auch auf kleinem Wohnraum gut leben. Außerdem haben Tiny Houses viel mit Nachhaltigkeit zu tun.
Wie nachhaltig sind Tiny Houses denn?
Die Größe ist nachhaltig. Denn Menschen leben auf maximal 28 Quadratmetern zusammen, zum Teil ganze Familien. Viele Tiny-Häuser werden auf einem Anhänger gebaut, also auf Rädern. Wer umziehen möchte, kann so alles mitnehmen. Außerdem werden für Tiny Houses keine Flächen betoniert, wie bei normalen Häusern. So kann immer noch der Regen in den Boden sickern. Wer von einer großen auf eine kleine Fläche zieht, überlegt: Was brauche ich in meinem Leben? Minimalismus ist da ein großes Thema.
Ihr Freund und Sie bauen seit vergangenem Sommer selbst an einem Tiny House und leben seit Dezember darin. Mussten Sie sich einschränken?
Vorher haben wir in Hannover in einer 60-Quadratmeter-Wohnung gewohnt. Mit dem Umzug ins Tiny-Haus haben wir gemerkt: Möbel kaufen und sich alles voll stellen ist nicht mehr. Man nutzt eben das, was man hat. Zum Teil haben wir Dinge auch umfunktioniert.
Was zum Beispiel?
Ich habe Second Hand ein Nähtischchen gekauft. Das ist jetzt unser Waschbecken-Unterschrank.
Warum sind Sie in ein Tiny House gezogen?
Wir wollten aus der Stadt raus, denn wir haben im Zentrum von Hannover gewohnt. Das war für uns nichts. Uns fehlte das Grün und die Ruhe. So entstand die Idee für das Tiny-Haus.
Was für Menschen ziehen denn in Tiny Houses?
Das geht querbeet! Bei kleinem Wohnraum denkt man vielleicht, es sei nur etwas für Studierende. Inzwischen wünschen sich das auch Familien oder ältere Leute. Vielen von ihnen ist Nachhaltigkeit wichtig. Gerade, wenn sie das Tiny-Haus selber bauen, beschäftigen sich die Menschen damit, welche Materialien sie verwenden.
Bringt dies Streben nach weniger Raum viele Einschränkungen mit sich?
Wir haben in unserem Tiny-Haus kein Problem damit, weil wir den Platz gut eingeteilt haben. Das Bett ist gleichzeitig unser Sofa, weil wir entweder auf dem Sofa sitzen oder im Bett liegen und schlafen. Beides gleichzeitig brauchen wir nicht. Da wir beide viel am Schreibtisch arbeiten, war uns wichtig, dass wir zwei Schreibtische in unser Tiny-Haus stellen, die genauso groß sind wie die in unserer Wohnung.
Das heißt, auf einer Seite haben wir die Schreibtische und den Küchentisch daneben. Die Hälfte des Hauses ist eine Küche, weil ich gerne koche und backe. Dafür ist das Bad winzig, weil wir kein großes Bad brauchen. So vermissen wir nichts. Denn wir haben den Raum so optimiert, wie wir ihn brauchen. Man muss Platz nur neu denken und neu nutzen. Tiny-Häuser leben eben von klugen Ideen.
22, hat in Hannover Geografie studiert. Inzwischen lebt sie selbst in einem Minihaus in Zwickau und studiert dort Betriebswirtschaftslehre.
Sind Tiny Houses eine gute Option für alle Menschen?
Die Frage ist: Wollen alle Menschen auf so kleinem Wohnraum leben? Das glaube ich gar nicht. Tiny-Häuser zeigen aber, dass es gut sein kann, seinen Wohnraum zu verkleinern.
Mussten Sie sich von vielen Gegenständen trennen beim Umzug?
Wir haben den Kleiderschrank und die Küche unserer alten Wohnung abgegeben. Aber das war’s. Unser Bett haben wir umgebaut. Ach so: Zwei Lampen und ein Stuhl haben auch nicht reingepasst – alles Kleinigkeiten.
Was ist mit Büchern oder Dekoration?
Weihnachtsdeko müssen wir noch aussortieren! Da stehen gerade noch drei Kisten unter dem Bett. Die braucht kein Mensch.
Wie haben Sie in Ihrer Bachelor-Arbeit zu Tiny Houses geforscht?
Ich habe Interviews geführt mit Leuten, die in Tiny-Häusern wohnen, gewohnt haben oder eins bauen. Dabei habe ich sie gefragt, warum sie umziehen. Für viele waren Kosten ein wichtiger Punkt. Gerade, wenn man Tiny-Häuser selber baut, kann man Geld sparen. In kleinen Räumen muss man auch weniger heizen. Ich habe auch gefragt, ob die Interviewten Tiny-Häuser als Lösung für den knappen Wohnraum in der Stadt sehen. Doch das fanden viele nicht. Tiny-Häuser kann man nicht stapeln, sie nehmen zu viel Fläche ein.
Tiny-Häuser haben aber vier Außenwände. Da geht Wärme doch schneller verloren.
Wir haben sehr, sehr gut gedämmt. Denn unser Tiny-Haus wiegt fast zehn Tonnen und hat sehr dicke Wände. Viele Tiny-Häuser sind jedoch nicht so gut gedämmt, weil sie in Leichtbauweise errichtet wurden. Das hat den Vorteil, dass sie weniger als 3,5 Tonnen wiegen und so mit einem Auto gezogen werden können.
Sind Tiny Houses gut erforscht?
In Deutschland nicht. Da kann ich gute Veröffentlichungen an zwei Händen abzählen. In den USA wurde mehr dazu geforscht – auch dazu wie Tiny-Häuser die Städte verändern.
Und wie verändern die kleinen Häuser die US-amerikanischen Städte?
Durch die Tiny-Häuser waren Waschsalons wieder in Mode. Cafés waren wichtige Treffpunkte.
Wie lange leben Menschen in Tiny Houses – nur kurze Zeit oder jahrelang?
Interessant war bei meiner Forschung: Einige Menschen haben ihre Tiny-Häuser so geplant, dass sie barrierefrei sind und sie auch im Alter darin wohnen können. Andere haben so gebaut, dass sie noch ein zweites Tiny Haus dransetzen können. Das ist gut, wenn man Kinder bekommen möchte und die Kinder ihr eigenes Zimmer bekommen sollen.
Welche Nachteile haben Tiny Houses?
Besuch zu bekommen, kann schwierig sein. Wenn ich meine Familie einlade, mache ich das am liebsten, wenn das Wetter draußen schön ist und wir draußen sein können. Eine lange Kaffeetafel kann man im Tiny-Haus nicht decken. Wenn man nicht allein in dem Tiny-Haus lebt, ist man natürlich sehr nah aneinander. Da muss man Rücksicht nehmen.
Warum sind Tiny Houses so cool geworden?
Wegen der sozialen Medien. Es ist ein kleiner Online-Hype. Tiny-House-Besitzer*innen sehen das kritisch, weil oft nur schöne Häuschen im Grünen gepostet werden. Dabei hängt noch viel mehr dran: Baurecht, Transport und so weiter. Die Darstellung in den sozialen Medien ist einfach geschönt.
Sie schreiben in Ihrem Blog „In Capital Letters“ selbst über Tiny Houses und posten Bilder auf Instagram. Tragen Sie so nicht zur geschönten Darstellung bei?
Ich berichte jede Woche von unserem Baufortschritt. Dabei setze ich mich auch damit auseinander, dass man nicht immer 100-prozentig nachhaltig sein kann. Zum Beispiel haben wir in unseren Wänden Plastikfolie verbaut, die als Dampfbremse fungiert. Das sorgt dafür, dass keine Feuchtigkeit in die Wände zieht. Natürlich möchte ich Plastik vermeiden. Doch da mussten wir abwägen. Perfekt nachhaltig zu sein, geht nicht.
Gibt es in Deutschland berühmte Tiny-House-Projekte?
In Hannover wird das Ecovillage geplant, in dem viele Tiny-Häuser stehen. Auch das Tiny-House-Village in Mehlmeisel in Bayern ist sehr bekannt. Dort werden Tiny-Häuser auch an Urlauber*innen vermietet. Inzwischen gibt es Messen rund um Tiny-Häuser. Selbst Tchibo baut Tiny-Häuser. Das zeigt: Das Thema wird an die Masse herangeführt.
Wenn ein großer Konzern wie Tchibo Tiny Houses baut, widerspricht das nicht der Konsumkritik von Tiny-House-Besitzer*innen?
Ja. Für Tchibo ist das eher eine Image-Geschichte – oder tatsächlich ein Trend.
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