Wohnboxen für Obdachlose in Hannover: Zurück auf Anfang

„Little Homes“ passen auf vier Europaletten und sollen Obdachlosen auf die Beine helfen. In Hannover hat das Konzept Startschwierigkeiten.

Zwei Helfer arbeiten an einem Little Home

Idee mit Verbreitung: Initiator Sven Lüdecke (links) stellt ein Little Home in Darmstadt auf Foto: Claus Voelker/dpa

HANNOVER taz | Die Idee klingt erst mal gut. Eine simple kleine Holzhütte, transportierbar, auf vier Euro­paletten montiert. Drinnen ein Schlafplatz und ein Campingklo und damit etwas, was auf der Straße vielen fehlt: Ein bisschen Privatsphäre und eine Möglichkeit, den eigenen Kram zu verstauen und wegzuschließen.

Ausgedacht hat sich das Ganze der Fotograf Sven Lüdecke, nachdem er einen Fernsehbericht über ein ähnliches Projekt in den USA gesehen hatte. Mittlerweile ist er mit seinem Verein „Little Home Köln“ in 16 Städten vertreten – auch in Hamburg und Hannover.

In den meisten Städten funktioniere das ausgezeichnet, versichert Lüdecke. Er habe zahlreiche Beispiele von ehemaligen Obdachlosen, denen die Wohnbox geholfen habe, sich soweit zu stabilisieren, dass sie am Ende den Sprung zu einer ganz normalen Wohnung oder in einen Job geschafft hätten. Er ist fest davon überzeugt, so Menschen erreichen zu können, die Notunterkünfte und andere Hilfsangebote eher meiden.

Allerdings kann so ein Mini-Haus eben auch immer nur eine Übergangslösung sein – schon deswegen, weil eine dauerhafte Aufstellung entweder am Bau- oder Ordnungsrecht scheitert. Das Grundproblem – obdachlose Menschen langfristig in Wohnungen zu vermitteln – löst eine Holzhütte allein eben nicht.

Sven Lüdecke, Little Homes Köln

„Natürlich gibt es auch in anderen Städten und mit anderen Bewohnern immer mal wieder Konfliktsituationen“

In Hannover stehen die Little Homes allerdings unter einem unglücklichen Stern. Von vier Wohnboxen, die hier gestiftet wurden, stehen mittlerweile drei ungenutzt auf dem Gelände des städtischen Bauhofes.

Schuld daran ist nach Lüdeckes Ansicht die zähe gerichtliche Auseinandersetzung mit Hannovers erster Little-Home-Bewohnerin Erika H. Ihr Mini-Haus hatte auf dem Gelände einer Kirchengemeinde in Ricklingen gestanden. Weil es aber immer wieder Konflikte gab – nach Aussagen der Nachbarn und Gemeindemitglieder hielt sich Erika H. nicht an verschiedene Vereinbarungen –, sollte die Wohnbox von dort verschwinden.

Erika H. weigerte sich zu gehen, ließ sich nicht auf Vermittlungsgespräche ein, schlug Angebote zu alternativen Stellplätzen aus – und leistete auch dann noch Widerstand, als die Polizei zur Räumung anrückte. Ihre Wohnbox wurde daraufhin in eine Parkbucht verschoben. Und einige Monate später durch die Stadt von dort geräumt. Dagegen klagte Erika H. gleich mehrfach, zunächst in einem Eilverfahren durch zwei Instanzen, dann noch einmal im ordentlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Jedes Mal vergeblich.

Zwei weitere Mini-Häuser unter einer Schnellstraßenbrücke räumte die Stadt ebenfalls ab, weil sie ohne Genehmigung im öffentlichen Raum standen. Die Bewohner waren allerdings vorher schon anderswo untergekommen und hätten sie kaum noch genutzt, heißt es.

Theoretisch könnten sie ihre Little Homes vom Bauhof abholen – dazu müssten sie allerdings einen alternativen Stellplatz haben und Geld für den Transport. Das zu organisieren hat bisher nur einer der ursprünglich vier Bewohner geschafft. Der habe nicht nur einen privaten Stellplatz im Stadtteil Linden gefunden, sondern mittlerweile auch einen Job, verkündet Lüdecke stolz.

Grund zum Aufgeben oder Umsteuern sieht er in dem Hannover-Fiasko nicht. „Natürlich gibt es auch in anderen Städten und mit anderen Bewohnern immer mal wieder Konfliktsituationen“, sagt Lüdecke, „aber bisher ist es uns immer gelungen, eine Lösung zu finden.“

Auch in Hannover will er noch einmal einen neuen Anlauf nehmen. Wenn ein wenig Gras über die Sache mit Erika H. gewachsen ist.

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