Bewegungstermine in Berlin: Selbstzerstörerische Dummheit
Dass der Klassenkampf von oben auf blindlings fortgeführt wird, ist dumm, aber erwartbar. Wer Wandel will, kann sich auf den Staat nicht verlassen.
F ast ist die Nachricht untergegangen, im alltäglichen Wirbel der Hiobsbotschaften: Finanzminister Christian Linder und ifo-Chef Clemens Fuest wollen den Sozialstaat zerlegen. Will der erstere alle Sozialleistungen für drei Jahre einfrieren, verkündete der letztere, man müsse sich in Kriegszeiten schon zwischen Butter und Kanonen entscheiden. Wobei natürlich klar ist, dass Menschen wie Fuest und Lindner immer Butter auf ihre Brote geschmiert bekommen werden.
Man kann jetzt sagen: Neoliberale hassen den Sozialstaat, was für ein alter Hut. Aber der Wahnsinn ist doch bemerkenswert, wie diese Menschen die Axt ausgerechnet am Sozialstaat anlegen, während der gesellschaftliche Zusammenhalt auseinanderfällt. Seit Jahren brechen dem bürgerlichen Staat die Leute weg; sie verfallen in Verschwörungstheorien, gehen nicht mehr wählen oder werden gleich Faschisten. In dieser Situation Bomben statt Butter zu fordern, ist eine Arroganz, wie man sie sonst nur aus vorrevolutionären Zeiten kennt.
Verweilen wir einen Moment bei dieser Dummheit. Versuchen wir, sie zu verstehen. Sie nicht als Einzelfall zu behandeln. Schnell drängen sich weitere Beispiele auf. Die Versuche fast aller Parteien, die Nazis ausgerechnet beim Thema rassistische Migrationspolitik zu übertrumpfen etwa, oder der irrwitzige Verfolgswahn, mit dem der Staat linken Antifaschist:innen begegnet. Man denke auch an Christian Lindner, wie er vor wütenden Bäuer:innen versucht, den Hass gegen die Politik auf Sozialhilfeempfangende umzulenken. Vage erinnert man sich auch noch an das Klimageld und an die bodenlose Dreistigkeit, wie dem Klimaschutz der letzte Rest Legitimität entzogen wurde.
Überall wirkt es, als arbeitete die Politik aktiv daran, dem Faschismus den Weg zu bereiten. Das ist pure Dummheit – aber sie hat doch System. Der gemeinsame Nenner dieser Politik ist die Fortführung des Klassenkampfs von oben, auf Gedeih und Verreck. Es ist dieses systemisch bedingte Scheuklappendenken, das Umverteilung schlicht undenkbar macht. Welche Mittel bleiben dann aber noch? Willkommen in der Welt von Friedrich Merz: Nur der Kulturkampf gegen Arme und Migrantisierte und der Ausbau des Repressionsapparats. Beides droht den Faschismus institutionell vorzubereiten.
Widerstand von linksunten
Wie sollen sich in dieser Situation die Winde verhalten, die von linksunten wehen, wie es ein gewisser Subcomandante vielleicht formuliert hätte? Die sich nicht auf autoritäre Versuchungen einlassen wollen, die über keine einfachen Antworten verfügen? Sie können sich nicht auf den bürgerlichen Staat verlassen, wie es viele Linke insgeheim noch tun – und sie dürfen auch nicht in die Dogmatik zurückfallen, in die Logik autoritärer Kaderstrukturen und den Glauben an die mystifizierte Revolution.
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Stattdessen gilt es, vielfältige Potenziale des Widerstandes aufzubauen und Bündnisse mit allen aufrichtigen Menschen zu schließen, mit denen punktuelle Zusammenarbeit möglich ist. Das bedeutet Organisierung im Kleinen und im Großen, mit den Aufrichtigen in den Parteien, in den Gewerkschaften, Kiezen, Betrieben und Schulen, mit Nachbar:innen und Kolleg:innen. Welche Potenziale und Entwicklungspfade sich daraus ergeben, ist schlicht nicht absehbar, weil die Geschichte eben nicht nach dem von der Theorie vorgegebenen Schema F verläuft.
Ein erster Termin, um aufkeimende Widerstandspotenziale von unten zu unterstützen, ist der Klimastreik von Fridays for Future am kommenden Freitag (1. 3.). Denn dieser wird zusammen mit den bei Verdi organisierten Beschäftigten im Nahverkehr geführt, die an dem Tag auch ihre Arbeit niederlegen. Dieser Schulterschluss zwischen Gewerkschaft und Klimabewegung lässt immerhin erahnen, was möglich wäre, wenn sich Linke nicht als Privatpersonen, sondern als Beschäftigte organisieren würden. Los geht der Klimastreik um 10 Uhr morgens im Invalidenpark.
Sich der herrschenden Logik zu widersetzen, beginnt aber schon im eigenen Kopf. Ein Beispiel ist der Satz, dass die Migration den Sozialstaat belastet. Tagtäglich sagen Menschen wie Friedrich Merz oder Sarah Wagenknecht etwas derartiges – doch wahrer wird er dadurch nicht. Eine Veranstaltung der Gruppe Kritik im Handgemenge, die bei den Gruppen gegen Kapital und Nation organisiert ist, will erklären, warum das Funktionieren des Sozialstaats von ganz anderen Dingen als Migration abhängig ist. (Mittwoch, 28. 2., Filmrisz, Rigaer Straße 103, 19 Uhr)
Widerstand im Kiez
Letztlich kommt es aber darauf an, das eigene Verstehen in eine solidarische Praxis zu verwandeln. Das wiederum bedeutet: Schulter an Schulter mit den Betroffenen der rassistischen Migrationspolitik zu kämpfen. Die kurdische Studierendengruppe Xwendekarên Berlin ruft zu einer Demonstration gegen die Normalisierung von Rassismus, gegen die Logik von Bezahlkarten und Abschiebungen auf. Los geht es am Mittwoch (28. 2.) um 18 Uhr am U-Bahnhof Mehringdamm.
Eine Voraussetzung dafür, Veränderung zu bewirken, ist auch, sich in seiner Nachbar:innenschaft zu organisieren. Widerständige Viertel aufzubauen ist das Ziel der Kiezversammlung Lichtenberg, die sich am Sonntag bereits zum sechsten Mal trifft. Bei der kommenden Versammlung geht es um die Erhaltung von sozialen Räumen wie dem Jugendclub Linse – und darum, wie der AfD und den rechten Umtrieben im Viertel etwas entgegengesetzt werden kann. Es gibt Kaffee und Kuchen – Eigenes darf mitgebracht werden – und eine Kinderbetreuung. (3. 3., Türrschmidtstraße 1, 15 Uhr)
Die Bürger:inneninitiative A100 ruft dazu auf, sich dem Weiterbau der A100 entgegen zu stellen. Denn eine menschen- und klimagerechte Stadt kann auf weitere sechsspurige Betonschluchten verzichten, die Clubkultur plattwalzen und wertvolle Stadtflächen vernichten würde. Geplant ist eine Fahrraddemo am Samstag (2. 3.), die um 11:30 Uhr am Invalidenpark vor dem Bundesverkehrsministerium startet und von da bis zur Elsenbrücke an der Ecke Elsenstraße und Puschkinallee gehen soll.
Unterstützung brauchen auch die Genoss:innen aus Polen, denen die dortige frauenfeindliche Politik die Mittel zur Selbstbestimmung nimmt. Das feministische Kollektiv Dzień Po ermöglicht Menschen Zugang zu Notfallverhütungsmitteln, um diese dennoch zu gewährleisten. Am kommenden Scharni38 Haustresen wird die Gruppe ihre Arbeit vorstellen. Es wird darum gebeten, vorher zur Apotheke zu gehen und eine Ulipristalacetat-basierte Pille danach (z.B. „EllaOne“) mitzubringen. Beim Treffen kann das Geld hierfür zurückerstattet werden. (Freitag, 1. 3., ZGK, Scharnweberstraße 38, 20 Uhr).
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